Christian Ortner argumentiert in der Wiener Zeitung, dass es unklug wäre, die Višegrad-Staaten mit “ökonomischen Mitteln” zu zwingen eine gegen ihren Willen beschlossene Zuteilung von sogenannten Flüchtlingen zu akzeptieren. Wenn “gewichtigere Interessen” auf dem Spiel stünden, setze man sich ja auch laufend über geltendes Recht hinweg. Man kann dem einiges abgewinnen und es handelt sich dabei wirklich um eine “Frage der Souveränität”. Aber ist der Gedanke in einer Unrechtsgemeinschaft zu leben, wo alle souverän gegen die Regeln verstoßen dürfen, so verlockend? NB zur gradualistischen Rechtsbeugung.
Das Hauptproblem liegt in Lissabon und der dort beschlossenen Selbstentmachtung der Nationalstaaten – siehe u.a. hier und hier.
Der EuGH wird mit seinem zu erwartenden Urteil Recht nach den dort vereinbarten “Knebelverträgen” sprechen – und das ist ihm nur schwer zu verdenken.
Das Hauptproblem ist, dass alle EU-Politiker diesen Vertrag und die in ihm enthaltenen Abstimmungsregeln abgesegnet haben, die osteuropäischen Staaten inklusive.
Die Politicos hatten sogar Parlamentsbeschlüsse für diesen versteckten Verfassungsvertrag. Bis auf die Iren hat aber niemand über “Lissabon” abstimmen lassen (dort machte man es gleich zwei Mal, weil das Ergebnis vom ersten Durchgang unerwünscht war).
Es ist auch nicht erinnerlich, dass einer dieser Politicos sich dagegen gesträubt hätte (von Václav Klaus abgesehen).
Es stellt sich für diesen Blogger die Frage, ob das wirklich ausgereicht, oder ob es sich um ein Oktroy gehandelt hat – diesmal begangen von dazu nicht legitimierten nationalen Regierungen und Parlamenten.
Das vielleicht noch geringste Übel wäre eine neuerliche kollektive Aktion zur “Reparatur” der Gesetzeslage nach Lissabon. Wie ich einem Freund halb ironisch mailte: Wenn man Straßen zurückbauen kann – warum nicht auch politische Unionen?
Nachbemerkung, 4. August, 11.00 Uhr: Old Boys, die schon die gradualistische Abschaffung der Nationalstaaten über zwei Jahrzehnte hinweg betrieben haben, geben zu bedenken, dass alle relevanten Rechtsgelehrten in den Nationen gesagt hätten, ein Parlamentsbeschluss mit entsprechendem Quorum reiche aus.
Nun, es ist nicht eben selten der Fall, dass Rechtsgelehrte zu den Ergebnissen gelangen, die die jeweilige politische Macht wünscht.
Im Einzelfall mögen sie in einem positivistischen Rechtsverständnis sogar sachlich recht haben.
Das zeigt aber nur, was dieses Rechtsverständnis wert ist. Wenn es in einer demokratischen Republik erlaubt ist, über einen langen Zeitraum hinweg die “überkommene” Verfassung erst auszuhöhlen und dann zu zerstören, sollte man sich vielleicht lieber an das Naturrecht halten.
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