Energiewende ungenügend: Die Diskussion über künftiges Elend

Höchst informierte Debatten, die zum Thema “Energie und Zivilisation” geführt werden, zeigen die elende Situation, in der sich speziell die Befürworter nicht-konzentrierter (“erneuerbarer”) Energiequellen befinden: Solar_facilityFür sie scheint es nicht einmal mittelfristig einen Ausweg zu geben – selbst im von der Natur gesegneten Australien. Schrumpfen sei der einzig absehbare Ausweg, meint etwa Ted Trainer, der die Alternativen der Stromproduktion in down under untersucht hat.

Seine vor 10 Monaten geschriebene Studie, die sich “The overlooked significance of the EROI for renewable energy supply systems” nennt, wurde von “Energieskeptikerin” Alice Friedemann nun in ihrem Blog veröffentlicht.

Das Papier steht in einem langen Diskussionszusammenhang.

Diese Diskussion wird von Wissenschaftern geführt, die u.a.

  • mit Charles Halls Konzept des EROI (bzw. “Nettoenergie”) vertraut sind und die
  • auf Basis jener “vernünftigen Annahmen” debattieren, über die die Kontrahenten weitgehend übereinkommen können.

Die Kernfrage ist, welcher Aufwand getrieben werden müsste, um die Stromproduktion Australiens zu 100 Prozent auf Erneuerbare Energie umzustellen (die derzeit zu 90 Prozent mit Gas & Co. und zu 10 Prozent mit Wasserkraftwerken erfolgt).

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Zunächst ist zu unterstreichen, dass die ganze Diskussion über ein Fünftel des heutigen australischen Energieverbrauchs geführt und gar nicht danach gefragt wird, ob und wie man die anderen vier Fünftel (v.a. Erdöl) ersetzen könnte.

Sodann ist die in unseren Breiten bemerkenswerte Tatsache festzuhalten, dass ungefähr 60 Prozent der (“angenommenen/diskutierten”) Energieerzeugung nicht etwa von Windmühlen und Photovoltaik, sondern aus sogenanntem konzentriertem Solarstrom stammen, wobei mittels großer Parabolspiegel Wasserdampf erzeugt wird, mit dem Stromgeneratoren betrieben werden.

Das zu 100 Prozent erneuerbare Gesamtsystem muss aber dreimal mehr Kapazität aufweisen als theoretisch notwendig wäre, wenn alle Systemteile immer und zu 100 Prozent Strom liefern würden.

Solch Redundanz ist schon deswegen nötig, weil z.B. die Sonne nicht immer scheint und der Wind nicht immer bläst, die Aufrechterhaltung eines Netzes aber eine minimale Grundlast voraussetzt.

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Auch muss in Rechnung gestellt werden, dass für so ein System auch Standorte verwendet werden müssen, die nicht besonders günstig liegen und dass alle Anlagen – also auch die “ungünstigen” – zu ihrer Herstellung und Wartung Energie benötigen bzw. dass sie diese bereits inkorporiert haben (“embodied energy”).

Der Autor gelangt zur Ansicht, dass für die Berechnung des Energiebedarfs des Gesamtsystems weder die “engen” EROI-Kennzahlen der einzelnen Teile verwendet werden können, noch aber auch, dass der “weitere”, der buffered EROI taugt.

Jedenfalls ist die vom Gesamtsystem erzeugte “Nettoenergie” viel niedriger als die Werte, mit denen man bisher kalkuliert (die man addiert) hat – was für Trainer bedeutet, dass man das Problem

  • entweder auf der Angebotsseite lösen kann, durch den Einsatz von Schnellen Brütern oder
  • auf der Nachfrageseite durch Schrumpfung der Nachfrage (“de-growth”; ein gewisses – von Trainer nicht berücksichtigtes - Reduktionspotenzial besteht noch in Anwendungen der AI und der smart production). Und natürlich ist für Trainer die Option mit den Schnellen Brütern keine echte Option, sondern nur eine rhetorische Figur. Sein Resümee:

This study and that of Trainer (2017a) add to the grounds for thinking that 100% electricity supply for Australia would be at least severely economically disruptive and that 100% total energy supply would not be affordable.”

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Unabhängig von eventuell falschen Detailannahmen und Fehlern des Diskutanten kann man jedenfalls davon ausgehen,

  • dass eine 100-prozentige Energie- (eigentlich: Strom-)Wende nicht einmal in Australien möglich ist, das von der Natur/Gott durch eine viel höhere Sonneneinstrahlung und mit viel mehr ungenutztem Platz als Europa gesegnet ist;
  • sowie davon, dass es ohne eine echte technologische Revolution in der Speicherung nicht gehen wird, will man den gegenwärtigen Stromkonsum einigermaßen konstant halten.

Von einem Aufrechterhalten des gegenwärtigen Energiekonsums ist ja sowieso nicht die Rede (“not affordable”).

Bild: Shmuel Harel (שמואל הראל) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Nachbemerkung 1, 29.6.2018, 17.45 Uhr:

Es steht allen frei zu glauben, was sie mögen und wer den obigen Text für den Ausfluss einer problematischen psychologischen Kondition hält, soll das tun.

Es ist mir ziemlich egal.

Menschen haben ihren Kopf aber nicht einfach als architektonischen Abschluss ihres Rumpfes erhaltenund wenn man etwas für falsch hält, wäre es angebracht zu argumentieren, warum man zu diesem Urteil kommt.

“Denkunmöglich” ist kein Argument.

Unabhängiger Journalist

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