Die österreichische Regierung will am Freitagabend die Details der “größten Steuerreform der Zweiten Republik” präsentieren. Abgesehen davon, dass ohnedies schon alles bekannt ist, werden Faylehner und Mittermann ein “Detail” mit Sicherheit nicht präsentieren: dass sie den Steuerbürgern mit großartiger Geste ein Drittel dessen zurückgeben, was sie ihnen seit 2009 über die sogenannte kalte Progression weggenommen haben.
Der Begriff bezeichnet Steuererhöhungen, die automatisch, ohne eine Anhebung von Steuersätzen zustandekommen. Durch die jährlich vorgenommenen Lohnerhöhungen rücken immer größere Teile der Einkommen in höhere Besteuerungsklassen vor und werden damit vom Staat abgeschöpft. Deswegen machen die Polit-Gaukler schon seit Jahrzehnten alle vier bis sechs Jahre eine Steuerreform und die nächste ist sowieso schon überfällig (die letzte war 2009).
Nach einer von der APA zitierten Berechnung einer Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung hat der Prozess der kalten Progression die Lohnsteuereinnahmen seit 2009 um 3,58 Mrd. Euro ansteigen lassen (jährlich, jeweils im Vergleich zum Basisjahr). Das bedeutet, schreibt die Kleine:
Fairerweise muss man die groß trompetete Steuerentlastung von fünf Milliarden also mit der Zahl der Jahre multiplizieren, die es bis zur nächsten Steuerreform braucht. Auch ergibt sich eine Umverteilung der Belastungen zugunsten der Einkommensschwächeren – die aber nicht allzu hoch sein dürfte. Der Hauptgrund dafür ist, dass von der neuen Staffelung auch alle voll profitieren, die mehr als 18.000 Euro brutto verdienen, während die echten Spitzenverdiener/Einkommensmillionäre (sowie Aktienbesitzer) netto dazuzahlen – ein wenig, aber nicht extrem. Diese Gruppe konnte immerhin die Wiedereinführung einer Vermögensbesteuerung (Substanz) verhindern.
Am stärksten belastet wird der unselbstständige und gewerbliche Mittelstand, für den Steuerzuckerl in Höhe von 900 Millionen wegfallen und der – sofern selbstständig – einem stärkeren Druck seitens der Steuerbehörden ausgesetzt wird (Absetzbeträge, Registrierkassen). Details dazu bringt die Presse.
Bis hierher könnte man sagen: der Staat gibt zurück, was er sich in den vergangenen Jahren von den Steuerbürgern (zusätzlich) geholt hat und übt sich bei dieser Gelegenheit in Umverteilung – weg von mittleren und gehobenen hin zu schwachen Verdienern. All das entspricht dem seit Jahrzehnten bekannten Bild.
Unsichere Gegenfinanzierung
Bemerkenswert ist, dass die Steuerreform maximal zur Hälfte (seriös) gegenfinanziert ist. Während z.B. die Erhöhung des Spitzensteuersatzes, die Streichung von Absetzbeträgen und (mit Abstrichen) höhere Mehrwertsteuereinnahmen gut kalkulierbar sind, sind Dinge wie Kampf gegen den Steuerbetrug und Einsparungen in der Verwaltung Kapitelüberschriften aus dem Traumbüchlein. Allein diese beiden Posten machen aber 2,9 von 5 Milliarden “Gegenfinanzierung” aus.
Speziell bei der Einschätzung der Registrierkassenpflicht scheinen die Steuervögte ihren nassen Finger in den Wind gehalten zu haben. Und die sowieso schon seit immer laufenden Verwaltungseinsparungen bieten eine besonders tolle Bühne für Spiegelfechtereien (Verwandlung von Personal- in Sachkosten, etc.)
Wie gut sich neue Steuern bzw. neue Einhebungsformen im Vorhinein einschätzen lassen – nämlich kaum – lässt sich an Dutzenden Fällen nachvollziehen. Zum Beispiel an der 2009 neu eingeführten Gewinnbesteuerung für Immobilienverkäufe, (die theoretisch ja ganz gut einzuschätzen sein müsste); oder der bis 2012 verschobenen Kursbesteuerung für Aktien, für die ursprünglich irre Summen in Höhe von ein paar Hundert Millionen Euro veranschlagt gewesen waren (jährlich !).
Sparer zahlen ohne es zu bemerken
Den besten Act bekommt aber so gut wie niemand mit – nicht einmal die Polit-Clowns selbst. Er hat was mit den Zinsen zu tun und ist eine relativ komplizierte Geschichte.
Kurz gesagt: die jetzige Steuerreform lässt sich nur machen, weil die Zinsen auf die Staatsschulden extrem stark gesunken sind. Das war freilich nicht der “Markt”, sondern es ist die Europäische Zentralbank, die es den Gauklern in den EU-Staaten ermöglicht, zum Nulltarif zu borgen.
Dadurch werden aber die Besitzer von Sparbüchern und Lebensversicherungspolizzen Schritt für Schritt enteignet. Man nennt das “finanzielle Repression”.
Das bedeutet, dass die österreichischen Sparer mit ihren 160 Milliarden an Einlagen die Steuerreform unserer Gaukler erst ermöglichen. Sie machen das nicht gern, aber was bleibt ihnen schon übrig? Was kann man als Unbewaffneter schon gegen einen bewaffneten Räuber unternehmen?!
So gesehen ist es auch nicht Großzügigkeit, sondern kalter Realismus, dass das Duo Faylehner und Mittermann die KESt auf Spareinlagen nicht von 25 auf 27,5 Prozent anhebt. 27,5 Prozent von null sind null. Ebenso wie 25 Prozent von null.
Bild: Usien/Wikimedia Commons
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