Der neue US-Präsident hat sich einen aktiven Soldaten als Sicherheitsberater geholt, der alles andere als ein Yes man ist. McMaster ist Historiker, aber auch so etwas wie der Futurologe der US Army. Als Soldat hat er gehorchen gelernt, als Intellektueller pflegt er sich aber kein Blatt vor den Mund zu nehmen. McMaster scheint das Anecken geradezu zur Lebensphilosophie gemacht zu haben – auch und gerade in der militärischen Hierarchie.
Als Mittdreißiger schrieb der West Point-Absolvent ein Buch über den Vietnamkrieg, der damals bereits mehr als 20 Jahre zurück lag.
Dereliction of Duty, Pflichtverletzung, verzichtet auf eine gerade unter Militärs beliebte Legende, wonach der Krieg in der Öffentlichkeit verloren gegangen sei.
Für den Autor ist dieser primär von den damaligen Politikern und Generalstäblern verloren worden.
Zeitlich liegt sein Fokus auf den ersten Jahren Lyndon B. Johnsons, unmittelbar nach der Ermordung Kennedys.
Johnson und sein Verteidigungsminister Robert McNamara eskalierten das amerikanische Engagement, ohne dass der Öffentlichkeit reiner Wein über das Regierungshandeln eingeschenkt worden wäre – in gewisser Hinsicht auch, ohne dass sie es selbst merkten, wie McMaster meint.
Die Joint Chiefs of Staff, die Chefs der vier Teilstreitkräfte, hätten den Politikern, die einen unmöglichen Mittelweg zwischen Abzug und echtem Krieg anstrebten, nicht widersprochen und diesen sogar geholfen, die Öffentlichkeit zu täuschen.
The war in Vietnam was not lost in the field, nor was it lost on the front pages of the New York Times or on the college campuses. It was lost in Washington, D.C. (…)
The disaster in Vietnam was not the result of impersonal forces but a uniquely human failure, the responsibility for which was shared by President Johnson and his principal military and civilian advisers. The failings were many and reinforcing: arrogance, weakness, lying in the pursuit of self-interest, and, above all, the abdication of responsibility to the American people.”
***
Das Buch erlangte unter jüngeren Offizieren eine Art Kultstatus, postulierte es unter bestimmten Umständen doch ein Recht, gar eine Pflicht zum Widerspruch auch gegenüber den zivilen Entscheidern.
Freilich war der Vietnam-Krieg bei Erscheinen des Buchs bereits verdrängt und historisiert. Die kritisierten handelnden Personen waren tot oder nicht mehr aktiv und konnten dem Militärhistoriker nicht mehr schaden.
In seiner Dereliction of Duty beschreibt McMaster, wie (schon unter Kennedy) dem Nationalen Sicherheitsrat der Zahn gezogen und dabei der top brass immer stärker marginalisiert und letztlich auf eine Claque reduziert wurde.
Es wird interessant sein zu beobachten, wie McMaster in einem NSC agiert, in dem die Generalstäbler aus einem zentralen Komittee des Sicherheitsrats geflogen sind, ebenso übrigens wie der Geheimdienst-Direktor.
***
Der neue Sicherheitsberater war an der Planung des Irak-Kriegs ab 2003 beteiligt. Ein Jahr später übernahm er dort ein Panzerregiment, wo er sich u.a. bei der Auftandsbekämpfung hervortat.
Zuletzt diente er als stellvertretender Kommandant des Training & Doctrine Command (TRADOC), wo er für “Zukunftsangelegenheiten” zuständig war.
McMaster scheint ziemlich genaue Vorstellungen über die Erfordernisse einer künftigen Militärreform zu unterhalten, beginnend bei der Technik.
Die ist für den Vorenker aber beileibe nicht alles. Kriegführen, sagt er, ist eine Angelegenheit, aus der der menschliche Faktor nicht eliminiert werden kann.
We assumed that advances in information, surveillance technology, technical-intelligence collection, automated decision-making tools, and so on were going to make war fast, cheap, efficient, and relatively risk free—that technology would lift the fog of war and make warfare essentially a targeting exercise, in which we gain visibility on enemy organizations and strike those organizations from a safe distance. But that’s not true, of course.”
Literatur:
H.R. McMaster, Dereliction of Duty, 1997
Everything you need to know: H.R McMaster, Iraq and war
McMaster: Army May Be Outnumbered AND Outgunned In Next War
Bild: US Army (Public Domain)
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.