Räuberbarone gestern und heute

cover_resizedDie Robber Barons des Gilded Age sind in den USA Inbegriff von “Monopolkapitalisten”, die durch die Ausschaltung von Wettbewerb auf Kosten aller anderen zu sagenhaftem Reichtum, gelangt sind. Gegen sie richteten sich ab 1890 immer mehr Gesetze und neue Institutionen in Bund und Einzelstaaten. Die einander ähnelnden und doch so unterschiedlichen Geschichts-Narrative von (traditionellen) Republikanern und (“zentristischen”) Demokraten sind sich darin einig, dass staatliches Vorgehen gegen Trusts und Kartelle unumgänglich ist,cover_resized um einen produktiven kapitalistischen Wettbewerb am Laufen zu halten. Linke Theoretiker(innen) identifizieren die heutigen Räuberbarone mit Big Tech-Gründern von Musk bis Zuckerberg – tendieren aber dazu, deren Arbeitsteilung mit dem Staat unter den Tisch fallen zu lassen und unreflektiert über den heute angeblich herrschenden Wirtschaftsliberalismus herzuziehen.

Josh Hawley, ein junger republikanischer Senator aus Missouri, macht sich dessen nicht schuldig

- obwohl dieser Blogger geneigt ist zu spekulieren, dass der Politiker H. einer “Kooperation” monopolistischer crony capitalists mit einem republikanisch dominierten US-Staatsapparat durchaus zugetan sein könnte

- reine Spekulation, zugegeben.

Faktum ist, dass Hawley die antitrumpistische Koalition von monopolistischem Big Tech und US-Demokraten, speziell den “zentristischen” unter ihnen ( ≠ Bernie Sanders), scharf kritisiert (“Zensoren”, “antidemokratisch” etc.)

- und dieser gleich einen ganzen Abschnitt seines Buchs widmet.

Facebook, Google, Twitter & Apple stehen bei ihm in der Tradition der Räuberbarone von vor 120 Jahren und sind wie diese Widersacher der “Gründerväter” und deren Ideologemen zu Selbstbestimmung, Wettbewerb und rechenschaftspflichtiger “kleiner Regierung”.

Einen ähnlichen, im Detail aber doch unterschiedlichen Blick auf das Wettbewerbs-Problem der heutigen USA wirft die um fast 20 Jahre ältere Amy Klobuchar,

eine Senatorin von der anderen Seite der “aisle”, eine auf Wettbewerbsrecht spezialisierte frühere Anwältin aus Minnesota.

Von T. Roosevelt bis M. Zuckerberg

Klobuchar erwähnt Big Tech beispielhaft zwar auch, hat jedoch offenbar kein wirkliches Problem damit,

wenn der dämonisierte politische Erzfeind Opfer von klar monopolistischen Praktiken der Konzerne geworden ist. Über diesen demokratiepolitisch höchst bedenklichen Sachverhalt “geht Amy nobel hinweg”

(während sie Trump und dessen Administration ganz konkret wettbewerbsrechtlich & “industriepolitisch” äußerst bedenkliches Agieren vorwirft  – durchaus nachvollziehbare Vorwürfe).

Wie Hawley scheint sie ein dringendes Interesse an einem funktionierenden Wettbewerb zu haben – setzt in ihrer “Erinnerungsarbeit” aber andere Akzente als der Republikaner.

Bis inklusive Teddy Roosevelt verlaufen die beiden “Narrative” weitgehend parallel, an dessen Nachfolger Woodrow Wilson scheiden sich die wettbewerbspolitischen Geister aber bereits scharf:

Während Wilson für Hawley ein Blender ist, der im geheimen die Antitrust-Agenda seiner mehrheitlich republikanischen Vorgänger an das “Monopol-Kapital” verraten hat,

sieht Klobuchar in Woodrow Wilson den Vater/Schutzherrn der heute noch zentralen US-Wettbewerbsbehörde FTC.

Natürlich erzählt Klobuchar auch Heiligengeschichtchen etwa über Thurman Arnold, einen Wettbewerbshüter in den späteren Amtsjahren des Franklin Delano Roosevelt.

Die US-Journaille, die die beiden Bücher mehrheitlich nicht einmal quer gelesen zu haben scheint, attestiert der Klobuchar pflichtschuldig die “umfassendere Recherche”, dem Hawley-Buch dagegen reines Ducheinander & Gedankensprünge (“a mess”).

Unnötig daran zu erinnern, dass die Publikationsorgane der Rezensenten – wie die meisten Mainstream-Medien des Landes – seit spätestens 2016

Mitglieder einer antitrumpistischen Kampfgemeinschaft waren – eines nie formalisierten, aber unübersehbaren medialen Verhaltenskartells.

Ihr positives Urteil über Klobuchar und das negative über Hawley weist freilich insofern ein wahres Element auf, als die frühere Konsumentenanwältin ein “breiteres Spektrum” thematisiert als Hawley,

der sich ausschließlich auf die demokratiepolitisch dubiosen Praktiken der “heutigen Räuberbarone” rund um die Präsidentschaftswahlen 2020 kapriziert.

Diskussionswürdig ist für diesen Blogger ferner Hawleys Übernahme des Konzepts vom “corporate liberalism”, das derAutor anders verwendet bzw. konnotiert als die ursprünglichen Schöpfer dieses Begriffs.

Während Letztere – i.d.R. Akademiker mit Sympathien für die “US-Demokraten” – liberal im Sinn von “Laissez Faire zugunsten der wirtschaftlich Starken” verwendet haben, scheint Hawley auf “liberal = US-demokratisch” abzuheben.

Kritikerinnen von links

Während der Diskurs der Senatoren seinen Ausgang noch beim Gedanken des (verhinderten bzw. wieder herzustellenden) Wettbewerbs nimmt,

haben große Teile der “linken, jungen & feministischen, oft akademischen Kritik” bezüglich Big Tech eine völlig andere Perspektive.

Da ist zum Beispiel der (post)feministische Blickwinkel auf die zelebrifizierten Gründerfiguren der Techno-Behemoths, die die Patriarchen des digitalen Kapitalismus von heute darstellen sollen

(die in der Imagination der Öffentlichkeit aber auch Buben-Genies – boy geniuses – seien, womit ihr Erfolg erklärt werde).

Zum Haushalt der neuen Patriarchen gehörten wesentlich auch die Daten der jeweiligen Nutzer, die von den digital-kapitalistischen Patriarchen entschädigungslos enteignet würden.

Ben Little und Alison Winch widmen je ein Kapitel folgenden Figuren:

Elon Musk (Tesla, Space X), Jeff Bezos (Amazon), Mark Zuckerberg (Facebook), Larry Page & Sergej Brin (Google), sowie Peter Thiel (Palantir) – der einzige der Riege, der als Trump-nahe gilt (bei Hawley zum Beispiel kommen Thiel &  Palantir schlicht und einfach nicht vor).

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Diese sagenhaft reichen Knaben-Patriarchen, in deren Reihe – gewissermaßen honoris causa – auch Sheryl Sandberg, eine archetypische Kollaborateurin, gestellt wird, sind durch ein Netzwerk verbunden,

in dem letztlich jeder für alle anderen einsteht, und umgekehrt (obwohl sich beileibe nicht alle grün sind).

Eine andere Version von “linker, antikapitalistischer” Kritik trägt Jillian York in Silicon Values vor.

Wie beim “rechten” Josh Hawley kommt auch dieser Text im Gewand der Sorge um die von der US-Verfassung garantierte Free Speech daher

- und spiegelbildlich stellt sich auch hier die Frage, ob es der Autorin wirklich um freie Meinungsäußerung für alle geht, also z.B. auch für angebliche oder wirkliche “Israel-Fans” oder “white supremacists”.

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Immerhin verzichtet die Autorin, eine sympathisierende Kennerin des Arabischen Frühlings, auf dröge, quasi-wissenschaftliche Konkordanzen von Textkörpern, die mithilfe computergestützter quantitativer Analysen ausgewertet werden

und wartet stattdessen mit einer Reihe von brauchbaren Einsichten auf;

unter anderem der, dass der von Big Tech ermöglichte Surveillance-Kapitalismus womöglich “nur der Schwanz” und dass die jeweiligen Staaten der restliche Hund wären (auch diese Lehre ließe sich aus dem Arabischen Frühling ziehen).

Unabhängiger Journalist

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