Der frühere IHS-Chef Bernhard Felderer hat am Donnerstag in Wien demonstriert, was Expertisen des von ihm geleiteten Fiskalrats wert sind. Die Kostenansätze, die Felderer veranschlagt, sind zwar höher als die offiziellen, aber die Bezeichnung unterschätzt wäre ein Hilfsbegriff. Im Paralleluniversum, in dem er lebt, beziehen heuer lediglich 3.700 Flüchtlinge Mindestsicherung. NB zu Wiener Zahlen zu Mindestsicherung.
Ich weiß ja auch nicht, wie viele Asylanten/Schutzberechtigte derzeit Mindestsicherung beziehen – denn das ist Herrschaftswissen und wird strikt geheimgehalten. Aber es ist sicher, dass die 3.700 für heuer Genannten absurd niedrig sind und wahrscheinlich, dass die Projektion für 2016 um einiges zu tief gegriffen ist.
Zu den Mindestsicherungsbeziehern 2015
Ein geleaktes, aber zweifellos authentisches Dokument der Stadt Wien vom 20. November 2015 gibt eine Vorstellung davon, dass man schon jetzt von mehreren zehntausend Menschen sprechen muss. Dort heißt es (eigene Hervorhebung):
Auch bei den von Innenministerium anerkannten Asylberechtigten (ab 08/2014) ist eine überdurchschnittliche Steigerung feststellbar. Von 09/2014 auf 09/2015 hat sich die Anzahl der asyl- und subsidiär Schutzberechtigten BezieherInnen einer Bedarfsorientierten Mindestsicherung um 8.193 Personen erhöht.”
Hier wird also keine Aussage darüber getroffen, wie viele Asylanten/Schutzberechtigte in Wien Mindestsicherung beziehen, sondern festgestellt, dass sich deren Zahl von September 2014 bis September 2015 um fast 8.200 Bezieher erhöht hat.
Die Kronen Zeitung hat hier über dieses Dokument berichtet. Für Mitglieder der Upload-Plattform scribd ist das gesamte Dokument hier abrufbar.
Die Wiener Zahl passt ganz gut mit der soeben veröffentlichten Asylstatistik 2014 zusammen und übertrifft meine eigene Schätzung, die ich im vergangenen Sommer über die zusätzlichen Bezieher via Asyl angestellt habe (damals bin ich von 5.000 Neuzugängen pro Normaljahr vor der Krise ausgegangen, siehe hier.)
Die geleakte Wiener Zahl zeigt, dass sich der allergrößte Teil der über das ganze Bundesgebiet verstreuten Asylwerber nach der offiziellen Anerkennung in die Stadt aufmacht. Das kann sicherlich jedes Bundesland im Großraum Wien bestätigen.
Laut dem soeben veröffentlichten Asylbericht sind im vergangenen Jahr gut 11.000 Menschen als Asyl-/Schutzberechtigte anerkannt worden – die praktisch alle Anspruch auf Mindestsicherung haben.
Nach durchaus realistischen Schätzungen werden 90 Prozent der Asylanten zumindest in den ersten Jahren auf Mindestsicherung angewiesen sein. (“92 Prozent der Afghanen und 70 Prozent der Syrer haben maximal Pflichtschule (…) Wobei wir das aufgrund der Sprachprobleme nicht genau wissen.” AMS-Chef Johannes Kopf in der Presse.)
Die Zahlen der Asylstatistik 2014 bedeuten auf Basis der 90 Prozent allein im Jahr 2015 etwa 10.000 Neuzugänge zur bedarfsorientierten Mindestsicherung.
2014 ist aber Schnee von gestern. Es sind Werte, die sich aus einem starken Normaljahr bei den Anträgen ergeben haben (ich habe in meiner Überschlagsrechnung vom August den Durchschnitt von 2013 und 2014 als Anhaltspunkt hergenommen – etwa 22.000 Ansuchen. Ein Asylantrag benötigt im Schnitt fast 6 Monate.)
Im Jahr 2015 wird sich die Zahl der Anträge aber vervierfachen, was (bei gleich bleibender Anerkennungsrate) auch eine Vervierfachung der Mindesthilfebezieher bedeutet – Familiennachzug ist dabei noch gar nicht mitgerechnet.
So gesehen sind Felderers 35.000 mindestgesicherte Asylanten im Jahr 2016 eine ziemlich vorsichtige und bei weitem nicht erschöpfende Schätzung des Zuwachses an Beziehern/Kosten, der auf die österreichischen Sozialtöpfe zukommt (siehe auch Gesundheitsausgaben, Familienbeihilfe).
Sollten 2016, wie angenommen, noch einmal 85.000 Anträge dazukommen, wiederholt sich das Spiel.
Von daher ist es eigentlich logisch, wenn sich unsere Politiker und ihre akademischen Anhängsel in irreale Traumwelten verlieren. Das ist auch der Hauptgrund, warum diese Leute so rasch wie möglich aus ihren Positionen entfernt und danach für ihre Fehlentscheidungen und -prognosen gerichtlich belangt werden müssen.
NB, 5.12., 4.00 Uhr: Es gibt eine Lesart des Wiener Dokuments, die den Zuwachs von 8.200 Personen als bundesweite Entwicklung sieht. Das ist zugegebenermaßen möglich – obwohl sich dann die Frage stellen würde, warum das Schriftstück, das ansonsten auf regionale Belange abhebt, hier die Bundeszahlen bringt. Das übergeordnete Kommunikationsziel ist freilich die Bewilligung von mehr Geld und daher kann es durchaus sein, dass hier ein Trick versucht wurde. Die Folgerung für meinen Eintrag wäre höchstens, dass die Landflucht der Asylwerber womöglich nicht in jenem Ausmaß stattfindet wie angenommen. Die Einschätzung der vom Fiskalrat für 2015 vorgelegten Zahl bleibt davon unberührt.
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