Energie: Wasserstoff – schwierig, aber immerhin ein “Plan B”

61Jz9k4C5ELNicht das Ende des Überflusses, sondern fehlende Lager- und Steuerbarkeit des Energieeinsatzes bedrohen am Ende des Fossilzeitalters die Zivilisation. Ohne ideologisches Tätterätä untersuchen zwei australische Autoren unsere energetische Zwickmühle und scheiden fast alles aus, was sonst als zukunftsträchtig angesehen wird. Oder besser: Sie klopfen Optionen auf deren potenzielle Funktionstüchtigkeit als Speicher ab und übrig bleibt nur P2G über hydrogen. Dieses hat zwar eine erbärmliche sg. roundtrip efficiency (woran sich vmtl. nichts ändern wird) – mit H2 lassen sich aber Prozesswärme erzeugen, Motoren betreiben und “das Stromnetz managen”.

Aus der Sicht von Palmer & Floyd wurde in der Geschichte immer schon Energie gespeichert,

und zwar in zentralisierten Herrschaftsverbänden, Stadtstaaten und “Zivilisationen”.

Bewachung und Management der Getreidelager – des antiken Speichermediums par excellence – führte zur Zunahme von Arbeitsteilung und “gesellschaftlicher Komplexität”.

Im alten Mesopotamien und Ägypten war es offenbar egal, wie hoch die geerntete Energie brutto und netto war.

Auch wenn es in Ermangelung fossiler Brennstoffe etc. keine großen Überschüsse gab, wurden Lager angelegt und gefüllt (Holzspeicher gab es keine).

Seit dem Aufkommen von Kohle, Öl und Gas konnte storage relativ einfach über feste, füssige und gasförmige Treibstoffe erfolgen.

Notwendiger Massenspeicher

Die zentrale Herausforderung des anstehenden Energie-Übergangs, sagen Palmer-Floyd nun, sei die mehrfache Speicherung von Energie um deren Verfügbarkeit zu erhöhen (“Replicating Storage”).

Das sei eine unüberschaubare Aufgabe, eine von überwältigenden Ausmaßen.

***

Betrachtet man den sozialen und intellektuellen Kontext der Publikation, handelt es sich um einen ebenso gefinkelten wie subversiven Text, in dem Unbequemes und Unangenehmes steht – ohne dass sich die Autoren angreifbar machen würden

- nicht einmal in jenen kurzen Prozessen, die diverse Kangaroo Courts zu machen pflegen.

Das ist die Stärke wissenschaftlicher Persuasions-Gepflogenheiten. In einen verschachtelten Wenn-dann-Satz verpackt, darf fast alles Anstößige niedergeschrieben werden, beispielsweise dass

  • Batterien ohne eine (praktisch umsetzbare) wissenschaftliche Revolution keine Lösung darstellten, oder höchstens eine für Handys, Laptops und “micro mobility” (Elektro-Scooter, etc.).

So etwas gehört freilich noch zu den leichteren Übungen.

  • Problematischer ist es da schon vernichtende Kritik an den Prämissen der Energiewende zu üben ohne dass das für jedermann erkennbar auch danach aussieht – beispielsweise indem man fest hält: “Large electricity systems will continue to rely on conventional synchronous generators, at least as a sizable share of overall capacity, for the foreseeable future”. Das ist zwar (auch) common sense, ist beispielsweise aber noch nicht bis zu deutschen Politicos vorgedrungen.  :mrgreen:

Die hohe Schule ist es schließlich, richtig über die absehbaren “Begleiterscheinungen” des energy descents zu schreiben, dem die Bezugsgruppe der Autoren geradezu entgegen fiebert (und mit ihr Millionen selbstmörderische Dummköpfe auf der ganzen Welt).

  • Aber auch das geht:“Energy descent implies reduction in sociopolitical complexity, and almost certainly large population reductions”. Der Sinkflug könnte durch collective action diverser Klima-Alarmisten erreicht werden werden, auf staatlicher Ebene oder auf der von grassroots community activism.

Jeder der sinnerfassend lesen kann, ist in der Lage das zu verstehen. Der descent mag unvermeidlich sein, eine tolle Sache ist er aber nicht.

Wasserstoff-Ökonomie 2.0

Keine bloss taktische Redensart ist, wenn davon die Rede ist, dass sich (“energiepositive”) Fossil-Ressourcen dem Ende zuneigten – und in diesem Zusammenhang sind die naturwissenschaftlich-technisch informierten Einschätzungen der Autoren zu würdigen.

Sie lauten verkürzt gesagt: Vergesst Batterien, pumped hydro, weltweites Stromnetz und Ersetzung von Öl durch biofuels. Die Menschheit benötigt für die kommende transition ein einfach nutzbares Speichermedium für große Energiemengen.

Und da sei nur eine, aus heutiger Perspektive ziemlich suboptimale Variante in Sicht.

Hydrogen and its carriers, including ammonia, methane and methanol, can potentially address some of the most intractable challenges facing decarbonization of global economies, including those challenges related directly to energy storage. The prospective utility value of hydrogen stems from its versatility as an energy carrier, storage medium, and chemical feedstock.” (136)

Mit Wasserstoff gebe es halt einen trade off, der für Effizienz-gewohnte Zeitgenossen nur schwer zu schlucken sei – den Abtausch von hoher Vielseitigkeit und lausiger Effizienz (“Carnot-Schwelle“).

Dafür kann man Wasserstoff in bestehender Pipeline-Infrastruktur speichern, ihn für peak demand ins Netz schicken, als Transport-Treibstoff nutzen oder z.B. Hochöfen betreiben (was der Holzkohle definitiv vorzuziehen ist    :mrgreen:   ). Man kann ihn sogar als Rohmaterial verwenden.

Und man könnte mit dem tollen & teuren H2 natürlich auch knausern und z.B. Kernkraft bei der Stromproduktion einsetzen (sagt dieser Blogger).

Graham Palmer, Joshua Floyd, Energy Storage and Civilization. A Systems Approach. 2020

Unabhängiger Journalist

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