Die Regionalwahlen in Oberösterreich sind geschlagen und ÖVP und SPÖ haben zusammen 140.000 Stimmen weniger, fast 1/4 dessen, was sie 2009 bekommen haben (als die SPÖ bereits 1/3 ihrer Wähler verloren hat). Die Monopol-Kommentatoren schüttelten den Kopf über das Wahlvolk und der Vizekanzler, präsumptiver Nachfolger des größten Wahlverlierers, bezeichnete das Ergebnis als “problematisch”. Das Problematischste ist aber wohl, dass noch immer die Hälfte einer Ex-Großpartei ihre Stimme gibt.
Wie dem auch sei: Der Wähler hat, wie es so schön heißt, gesprochen – und wer ist ein gar nicht in diesem Bundesland wohnender Blogger, dass er ein Wahlresultat in Zweifel ziehen dürfte, das auf einer Wahlbeteiligung von 81 % beruht ?
Für so etwas muss man schon Obmann der Volkspartei (Bund) sein.
Man könnte sich jetzt lange über das Demokratieverständnis von derlei Politikern verbreitern, aber dazu ist der Raum zu kostbar. Die Leser dieses Blogs wissen über die tiefen Wurzeln dieses Wahlergebnisses Bescheid und Leute wie Mitterlehner kennen das Problem besser als ich. Welcher andere Polit-Insider sollte kompetenter über den historischen Verrat seiner Partei an der Republik und seinem Souverän Auskunft geben können ?
Mitterlehner stand seit 1992 an der Spitze des Wirtschaftsbundes, der bei weitem mächtigsten Teilorganisation der ÖVP – einer Partei, die sich seit 1987 an der Regierung befindet.
Das Frappierende ist, dass diese Leute wirklich glauben, sie würden noch gebraucht, wenn die Wähler nichts mehr von ihnen wissen wollen. Autoritär regieren, sag’ ich immer, können andere besser.
Wenn Pühringer jetzt versucht, eine Landesregierung zu bilden, dann steht ihm das (noch) zu, den VP-Megaverlusten zum Trotz. Die ÖVP ist die bei weitem stärkste Partei und die Wahlbeteiligung war sehr hoch. Der klammheimliche Wunsch vieler unserer Salamischeibenputschisten in den ehemaligen Großparteien und bei den Grünen scheint nicht in Erfüllung zu gehen; der klammheimliche Wunsch, mit einer Wahlbeteiligung von 25 und 30 Prozent Mehrheiten in ihrem Sinn organisieren zu können.
So etwas mag anderswo funktionieren, nicht aber in der Alpenrepublik, wo die FPÖ seit 30 Jahren ausgegrenzt wird und wo sie sich keusch und unbefleckt erhalten konnte – in der Opposition und gezwungenermaßen.
Es gibt einen Zeitraum von sieben Jahren, auf den dieses Urteil nicht zutrifft.
Zwischen 2000 und 2006 war die Haider-FPÖ Bestandteil des Systems Österreich. Das war nicht ihre ruhmreichste Zeit – aber so korrupt wie heute getan wird, waren diese Freiheitlichen (Altpartei) auch in der Endphase nicht – vor allem nicht, wenn man sie mit SPÖVP vergleicht. Die hatten über einen Zeitraum von 70 Jahren Gelegenheit korrupt zu sein.
Es ist halt alles eine Sache des Kontexts und der Kontraste.
Die österreichischen Wahlbürger scheinen das zu verstehen. Sie kapieren, dass die im Lauf der Jahre ans Licht gekommenen Meischberger- Hochegger- und Grassereien auf realen Geschehnissen beruhen, dass deren Inszenierung aber eine Gemeinschaftsproduktion einer selektiv agierenden politischen Justiz und voreingenommenen Medien ist.
Die Leute sagen sich wahrscheinlich und völlig zu Recht: Wenn dieselben Maßstäbe, die heute an die 2000 ins Amt gekommenen Haider-Blauen angelegt werden, für alle gelten würden, müssten viele noch aktive big wigs ins Kittchen wandern und andere, bereits Verstorbene, müssten aus dem Wiener Invalidendom entfernt und anderswo verscharrt werden.
Der Schönheitsfehler dieses Gedankens ist, dass genannte Verfehlungen außerhalb der Giftschränke der Parteien sozusagen gar nicht existieren. Pflichtverteidiger von SPÖVP könnten behaupten, dass es diese Korruption nie gegeben hat, aber genausogut könnte man eine wirklich unabhängige Justiz drüber lassen.
Dabei stünden die Chancen gut, dass sich die Leute für alles, was länger als fünf Jahre zurückliegt, nicht mehr interessieren. Genausowenig wie dafür, ob der Strache vor 25 Jahren drei Bier bestellt oder den Kühnen-Gruß gemacht hat.
Deshalb wird es auch mit Straches Hitlerbärtchen nix mehr – wie sehr sich die Schoßhündchen der Kartellparteien auch anstrengen mögen. Die Strache-FPÖ ist ebenso sehr/wenig demokratisch wie die anderen Parteien und die Voraussage, dass sie für die Probleme der Republik keine zusätzliche Problemlösungskomptenz anzubieten hat, ist nicht gewagt.
(Rückblickend muss man dieser Partei aber zugute halten, dass sie sich weder am EU-Salamiputsch noch am Identitätsdiebstahl an der österreichischen Nation beteiligt hat – paradoxerweise entgegen dem Image, das sie in den ersten 40 Jahren der Zweiten Republik hatte).
Aus den soeben angerissenen Gründen ist auch die aktuelle Haltung des alten und wahrscheinlich neuen Landeshauptmannes von Oberösterreich so fragwürdig. Der Pühringer tut so, als gäbe es weder die vergangenen 30 Jahre ÖVP-Geschichte noch den Umstand, dass die Partei, in deren Vorstand er sitzt, in der Asylkrise weder willens noch in der Lage ist, ihre (potenzielle) politische Basis zu schützen.
Pühringer tut so, als wäre er unschuldig zum Handkuss gekommen und als hätten ihm die oberösterreichischen Wähler aus Gründen, die gar nichts mit Oberösterreich zu tun haben, eins übergebraten.
Das ist insofern richtig, als die Malaise unserer repräsentative Demokratie-Darsteller bundesländerübergreifend überall die gleiche ist. Insofern mussten Niessl, Voves und jetzt Pühringer sehr wohl etwas auslöffeln, was ihnen das regierende Parteienkartell eingebrockt hat.
Die Sache ist halt nur, dass die Genannten schon die ganze Zeit zu diesem Gesocks gehört haben. Sie sind bzw. waren ein zentraler Bestandteil jenes parteipolitischen Zusammenschlusses, von dem die Österreicher die Nase voll haben.
Die Hälfte von diesen, um genau zu sein. Die andere Hälfte kommt auch noch in diese Gasse.
Foto: Dein Freund der Baum, Wikimedia Commons
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