weiß ich natürlich auch nicht. Dass es die prorussischen Separatisten waren, ist aber keine ausgemachte Sache. Primär geht es darum, Russland verantwortlich zu machen – weil der Kreml den (möglichen) Tätern die Tatwaffen verschafft haben soll. Nach dieser Logik müssten freilich die USA u.a. für die Gräuel der ISIS (DAISH) verantwortlich gemacht werden.
Im Folgenden ein paar Orientierungsfragen mitsamt den dazugehörigen, möglichst kurzen Antworten. In der militärisch-politischen Beurteilung der möglichen Tatwerkzeuge folgt diese Einschätzung zu großen Teilen dem Vineyardsaker, einem englischsprachigen Blogger, den man als “russophil” bezeichnen kann.
Der Autor ist sich allerdings sehr deutlich der Gefahr bewusst, Opfer bewusster oder unbewusster Täuschungshandlungen zu werden (um den Abschuss tobt seit Tagen eine regelrechte <Des>Informationsschlacht).
Der “Falke” verfügt über einschlägige militärische Fachkenntnisse und er schätzt die Wahrscheinlichkeit, dass die Urheber des Massakers in Kiew saßen, auf 90 Prozent und jene, dass die Separatisten die Täter waren , auf 10 Prozent.
Sein vielleicht bestes Argument ist nicht-militärischer Natur: Die Anschläge seien definitiv nachteilig für die russische Seite, meint er. Kiew könne von einem “False Flag” massiv profitieren, wenn es gelinge, die Verantwortung für den Anschlag der anderen Seite “umzuhängen”.
Was war die Tatwaffe?
Wahrscheinlich ein Boden-Luft-Raketensystem von mittlerer Reichweite, ein in Russland produziertes System namens Buk (ältere Version). Wenigstens gehen die westlichen Staaten (und Medien) davon aus. Über solche Raketen verfügen sowohl die reguläre ukrainische Armee als auch die Separatisten.
Die Ukraine hat nach dem aktuellen Survey des International Institute for Strategic Studies über 60 solche Systeme in ihrem Arsenal, 27 davon hat das ukrainische Militär nordwestlich von Donetsk stationiert . Das sagt zumindest das russische Verteidugungsministerium.
Die Frage, warum diese Systeme dort – an einem sehr riskanten Ort – stationiert waren, ist interessant, weil die Separatisten über keine Luftwaffe verfügen (mit Ausnahme eines Abfangjägers).
Auch die Rebellen haben solche Raketen, aber
1.) ungleich weniger und
2.) sind diese in kein großräumiges System der Luftfahrtkontrolle/-überwachung integriert. Das macht ihre Bedienung natürlich wesentlich fehleranfälliger.
Die Raketen der Separatisten stammen entweder direkt von den Russen (Version Kiew/westliche Staaten) oder sie wurden von den “Ukies” erbeutet (Version Neurussland).
Militärisch macht dieses System für die Separatisten insofern Sinn, als sie mit ihm höher fliegende Transport- und Aufklärungsflugzeuge erreichen können, die sie mit ihren Kurzstrecken-SAMs nicht erreichen können.
Ist das die einzige mögliche Tatwaffe?
Nein. Eine (außen angebrachte) Bombe kommt ebenso in Frage wie der Abschuss durch eine Luft-Luft-Rakete. In diesem Fall scheiden die Rebellen als Täter aus.
Eine Minderheitsmeinung, die sich auf einen aus Spanien stammenden, aber in Kiew arbeitenden Air Controller beruft, argumentiert, dass es eine Luft-zu-Luft-Rakete war, die von ukrainischen Abfangjägern abgeschossen wurde, die – über Radar sichtbar – den Airliner knapp vor seinem Abschuss begleitet haben sollen. Von außen ist der Wert dieser Zeugenaussage aber unmöglich zu beurteilen
Aber der Abschuss erfolgte über dem Territorium der Aufständischen. Ist das nicht Beweis genug?
Nein. Die “Rebellenzone” ist ein Kriegsgebiet, in dem die Bodentruppen zweier Kriegsparteien operieren. Der Luftraum wird ausschließlich vom ukrainischen Militär kontrolliert.
Ist das verdächtig unkooperative Verhalten der Rebellen gegenüber der OSZE kein Anhaltspunkt ?
Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ihr Verhalten ist nicht verdächtiger als die Beschlagnahme des Funkverkehrs zwischen dem Tower in Kiew und MH17 durch die ukrainischen Sicherheitsbehörden.
Ist ein unabsichtlicher Abschuss eine mögliche Variante?
Ja, aber eine unwahrscheinliche. Der Ukraine ist ein solcher fataler Fehler schon einmal unterlaufen, 2001, als sie irrtümlich einen Flug von Tel Aviv nach Novosibirsk abgeschossen hat.
Die Rebellen wiederum verfügen nicht über die nötige Ausrüstung bzw. sie kontrollieren kein ausreichend großes Gebiet, um die einzelnen Flugobjekte verlässlich einordnen zu können. MH17 bewegte sich freilich auf einem Kurs und in einer Flughöhe, die für Passagiermaschinen charakteristisch ist und das hätte eigentlich selbst die unerfahrendsten Operateure von Fla-Raketen vorsichtig werden lassen müssen.
Möglich ist allerdings eine Täuschung der bedienenden Mannschaften durch eine nachrichtendienstliche Operation. Und zwar auf beiden Seiten.
Vielleicht hat man die Ukrainer Glauben gemacht, dass in der Maschine Wladimir Putin sitzt (der überquerte diesen Luftraum tatsächlich knapp danach). Auf der anderen Seite wurde bei den Neurussen vielleicht der Eindruck erweckt, dass es sich sehr wohl um ein besonders hoch fliegendes Flugzeug der ukrainischen Armee hadelt.
Wird die Wahrheit über die wirklich Schuldigen ans Licht kommen?
Das ist nicht besonders wahrscheinlich. Sowohl die Amerikaner als auch die Russen sind mit großer Sicherheit bereits darüber im Bild, wer was angestellt hat. Dass die Wahrheit (auf Erden) siegt, ist allerdings Wunschdenken. Wichtig ist, was politisch aus dem Anschlag gemacht wird.Und bei diesem Spiel ist nicht unbedingt ausschlaggebend, welches Mündel welcher Großmacht die Tat vollbracht hat.
Die Unglücksmaschine ist mit der spurlos verschwundenen MH370 der Malaysia Airlines baugleich. Was ist davon zu halten ?
Das ist tatsächlich ein seltsamer Zufall. Es gibt Stimmen, die sagen, dass die abgeschossene Maschine tatsächlich die MH370 war und dass die echte MH17 am Donnerstag gar nicht abgehoben ist bzw. umgeleitet wurde.
Das ist schwer plausibel zu machen.
Verwesende Passagiere
Ein interessantes Detail in diesem Zusammenhang ist aber eine Aussage des Kommandanten der prorussischen Rebellen, Igor Strelkow/Girkin, der nach dem Absturz zu Protokoll gab, dass eine große Zahl der Leichen, die auf das unglückselige, unterhalb der Absturzstelle liegende Dorf geregnet waren “nicht frisch waren und vor ein paar Tagen gestorben sind”.
Bewohner hätten ausgesagt, dass an diesen Körper(teile)n keinerlei Blut” mehr zu sehen gewesen wäre und dass die Leichen bereits einen “überwältigenden Fäulnisgeruch” ausgeströmt hätten.”
Wie wahrscheinlich das ist und was daraus zu schließen ist, soll sich jeder selbst beantworten. Der fortgeschrittene Verwesungszustand der Opfer spielte allerdings – unabhängig von Strelkow – von Anfang an eine Rolle auch für die (westlichen) Medien – und auch für die OSZE.
Der Schluss, dass es sich bei diesen Leichen nicht um die 300 Leute auf der Passagierliste der MH17 handelt, ist – allein von dieser Ausgangsbasis – freilich gewagt. Für eine Attacke unter falscher Flagge wie es MH17 vielleicht war, werden weder die Machine noch die Passagiere von MH370 benötigt.
Die Namen der Passagiere von MH17 – darunter knapp 200 Niederländer – sind veröffentlicht worden. Es würde wohl kaum einen Sinn machen, diese Leute zu entführen (und umzubringen) und dafür die vor Monaten in Asien gekaperte Maschine über Neurussland zum Absturz zu bringen. Wenn nicht noch ein anderes, bisher unbekanntes Kalkül dahintersteckt.
Ein False Flag-Anschlag ist per se ein Vabaque-Spiel, das durch ein solches Vorgehen noch um eine Zehnerpotenz riskanter gemacht würde.
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