Die Eurozone ist ein Lehrbeispiel dafür, welches Desaster droht, wenn heterogene Wirtschaftsräume über den Kamm einer gemeinsamen Währung geschoren werden sollen. Hans-Werner Sinn erklärt in diesem listig geführten YT-Interview das Problem der innereuropäisch verzerrten relativen Preise, die Nachteile, die eine unterbewertete Währung mit sich bringt und auf welche Art die Zone an der Enteignung der deutschen Sparer genesen will:
Der “deutsche Euro”, sagt Sinn (= der in Deutschland verdiente Euro), ist gleich zweifach unterbewertet: einmal innerhalb des Währungsraums selbst und ein zweites Mal gegenüber den Staaten, die im Dollarraum agieren.
Daraus resultierten zwar großartige Konjunktur für die und viele Jobs in den exportierenden Betrieben – dies aber zum Nachteil der Konsumenten, die für eingeführte Waren unverhältnismäßig viel zahlen müssten. .
Deutschland ist dramatisch unterbewertet.Wenn wir aufwerten würden, wären zwar die Exporte ein bisschen kleiner. Das heißt, es würden nicht mehr so viele Menschen im Export beschäftigt. Die könnten aber andere Dinge in der Binnenwirtschaft tun. Wir würden für usere Exportgüter mehr Importgüter einkaufen, weil diese dann relativ zu unseren Einkommen billiger würden (…)´” (ab 13:23)
Denn dieser Außenhandels-Überschuss führt im Moment dazu, dass wir Vermögenstitel in gleichem Umfang akkumulieren – wir sind sogar das Land mit dem größten Nettoauslandsvermögen auf der ganzen Welt nach Japan -, dass diese Vermögenstitel aber nicht so richtig werthaltig sind.
Dazu komme, dass deutsche Mittelständler für Aufkäufer aus dem Dollar-Raum derzeit um “einen Appel,und ein Ei” zu haben seien.
Sinn ziert sich zwar ostentativ, die Wortwahl des Interviewers zu übernehmen, aber er urteilt haargenau wie Tichy (wie wär’s mit ein paar Schauspielstunden, Herr Professor?).
Nachteile der Unterbewertung
Die Forderung der deutschen Gewerkschaften nach höheren Löhnen ist für den als arbeitgebernah geltenden Sinn “gar nicht so falsch” – er ziehe, sagt er, trotzdem eine Abwertung bzw. äquivalente Anpassung vor (überschießende Lohnerhöhungen produzierten Arbeitslosigkeit).
Der Euro sei, gemessen an seiner Kaufkraft, international um ein Fünftel unterbewertet, was auch ungefähr der Unterbewertung des “deutschen Euro” innerhalb der Währungszone entspreche, sagt Sinn.
Auf einer solchen verzerrten Basis, ist zu ergänzen, und mit Hilfe der Austeritätspolitik im Süden, haben die EZB und ihre Helfer in der Politik die Ungleichgewichte bei den Leistungsbilanzen wieder ins Lot gebracht – wenigstens dem Augenschein nach
Weder die politisch verordnete Austerität im Süden noch die Unterbewertung des “deutschen Euro” wird von den betroffenen Völkern freilich akzeptiert (siehe zu Ersterem z.B.”Matteo Renzi”, “Cinque Stelle” und “Spaltung der italienischen Sozialdemokraten”).
Was die relativen Preise angehe, sei
innerhalb des Euroraums Deutschland viel zu billig, weil die Südländer viel zu teuer sind (…) Es besteht Konsens, dass die Preise geändert werden müssen, nur wer macht das? Inflationieren wir (= Deutschland) oder gehen die Südländer in die Deflation? Oder machen wir’s durch temporäre Austritte mit offener Abwertung. Der Weg ist noch unklar.”
Der Interviewer, der Blogger Roland Tichy, wirft daraufhin ein, dass in der EZB die Entscheidung über das Wie ja bereits gefallen sei, nämlich über eine Verbraucherpreisinflation in Deutschland bei null Prozent Habenzinsen, und der Sinn lässt das unwidersprochen stehen.
Der pensionierte IFO-Chef, für den der Währungsraum das höchste Gut zu sein scheint, argumentiert an dieser Stelle, dass eine starke innere Abwertung bzw. Deflationierung einen höchst toxischen fall out haben könnte.
Dabei bemüht er Brüning und Hitler.
Damit macht Sinn klar, dass er sowohl gegen die Inflationierung seines Vaterlands als auch gegen einen Deflationskurs für die Südperipherie ist.
Sinn will eigentlich einen “dritten Weg” einschlagen, nämlich die Möglichkeit für einen zeitlich begrenzten Austritt aus dem Euroraum samt offener Währungsabwertung vor dem Wiederbeitritt eröffnen.
Preisbereinigung durch Inflationierung Deutschlands
Der Interviewer lenkt die Rede entschlossen auf die bereits in Umsetzung befindliche Inflationierung Deutschlands zurück und Sinn gibt zu Protokoll, dass diese
eben zu massiven Vermögensverlusten bei Leuten (führt), die eigentlich gar nicht betroffen sind (…) Die Sparer verlieren Vermögen und die Gewinner, die Kreditnehmer, gewinnen ungerechtfertigterweise (…) Deswegen bin ich der Meinung, man soll nicht diesen Weg gehen, Deutschland zu inflationieren, obwohl er eine bessere Möglichkeit ist als den Süden zu deflationieren.
Ab diesem Punkt – also nach einem halbstündigen Vorgeplänkel -, wird die Wechselrede ziemlich eindeutig.
Interviewer: Würden sie sagen, Deutschland ist bereits in einem inflationären Prozess?” (30:00)
Sinn: Ja, natürlich. Zumal die Zinsen ja fast null sind. Das heißt die Realzinsen sind extrem negativ im Moment in Deutschland und sie werden noch stärker negativ (werden). Es kommt also zu einer zunehmenden Enteignung der Sparer durch diesen Prozess.”
Sinn macht mithilfe Tichys übrigens auch deutlich, wie die stille Expropriation so hergerichtet werden kann, dass die Zentralbank in der Lage ist zu behaupten, sie halte ihr Preisstabilitäts-Mandat ein - über eine “mittelfristige” Berechnungsweise des Inflationszielwerts von knapp unter zwei Prozent:
Das heißt, wenn man für x Jahre um einen Prozent- unter zwei Prozentpunkten war, dann darf man auch für x Jahre um ein(en) Prozent(punkt) drüber sein (…)Wir hatten auch mal null Prozent (…) Das heißt, ich dürfte für mein Inflationsziel auf bis zu vier Prozent gehen. Nach dieser Logik, die die EZB verkündet hat, darf ich bis zu vier Prozent gehen für einen gewissen Zeitraum.”
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Ohne jeden Zweifel hat Prof. Sinn in diesem Gespräch eine Agenda – nämlich die, den Deutschen zu erklären, dass und wie ihr Eigentum aus Frankfurt und Brüssel ins Visier genommen wird.
Gleichzeitig ist der Ökonom penibel bemüht alles zu vermeiden, was ihm als ungesichert bzw. Spekulation ausgelegt werden könnte.
Darüber vergisst er zu erwähnen, dass die von den Abgezockten gewählten Politicos im Berliner Kanzleramt der EZB die Daumen drücken.
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