Meine letzte Analyse zu Brexit liegt schon mehr als ein Monat zurück. Damals habe ich geschrieben, solange die pro-EU Mehrheit im britischen Parlament und die Regierung nicht überstimmen können, solange wird der Countdown zu Brexit ungestört weitergehen. Vergangene Woche sind aber neun pro-EU Parlamentarier aus der Labour Partei ausgetreten und haben mit zwei konservativen Rebellen eine neue parteilose Fraktion im Unterhaus gebildet: The Independent Group (TIG). Damit hat sich eine entscheidende Wendung in dieser unendlichen Geschichte ereignet. Von John James
Um der Labour-Führung den Ernst dieser Entwicklung zu signalisieren, haben sie nicht nur die Brexit-Frage, sondern auch den von ihnen wahrgenommenen Antisemitismus der Labour Party unter Jeremy Corbyns Führung als Grund für ihren Austritt genannt. (“This is no longer the Labour Party I used to know and love”).
Obwohl zahlenmäßig nur eine Hand voll, ist ihre Botschaft klar: “Nachdem es uns nicht gelungen ist, innerhalb unserer Parteien genug Druck auf unsere Parteiführungen auszuüben um sie zu einem Anti-Brexit Kurswechsel zu bewegen, und nachdem wir als Mitglieder dieser Parteien keine Mehrheit im Parlament gegen Brexit mobilisieren können, drohen wir, die zwei staatstragenden Parteien Grossbritanniens in die Luft zu sprengen, oder zumindest zu spalten, um einen Kurswechsel zu erzwingen.”
Zweimal hatten die Brexit Gegner im britischen Parlament diverse Anträge gegen die Regierung eingebracht: Ablehnung eines NoDeal Brexit, Verlängerung der Austrittsfrist, Zurücknahme des Austrittsansuchens uvm – und beide Male war es ihnen nicht gelungen, eine parlamentarische Mehrheit gegen die Regierung zu organisieren.
Es ist fraglich, ob die Wähler in den Wahlkreisen dieser Parlamentarier dieses Verhalten unterstützen. Einige dieser Abgeordnete müssen in Kauf nehmen, dass sie bei der nächsten Parlamentswahl nicht wiedergewählt werden.
Wie dem auch sei – sie sind vermutlich nur die Vorhut einer größeren Bewegung innerhalb der Labour- und der Conservative Party, denn die Wirkung ihrer Austritte war explosiv.
Am Montag den 25. Februar erklärte Jeremy Corbyn, dass er und Labour ab sofort eine zweite Volksabstimmung fordern. Anwesende beim Treffen der Labour Führung, wo dieser Kurswechsel bekanntgegeben wurde, berichteten, dass Corbyn diese Erklärung höchst widerwillig abgab.
Angeblich wirkte es so, als ob er einen Text vorlas, der ihm von seinem Stellvertreter Sir Keir Starmer (Mitglied der Trilateral Commission) diktiert wurde.
Gestern gab Theresa May eine bemerkenswerte Erklärung in Parlament ab. Wieder einmal klaffen ihre Ankündigungen und ihre Taten auseinander, um die eleganten Worte von Jacob Rees Mogg zu zitieren.
Am 12.03 darf das Parlament zum dritten Mal über Theresa Mayˋs Withdrawal Agreement abstimmen und dieses zum dritten Mal ablehnen.
Am 13.03 darf das Parlament zum zweiten Mal erklären, das es einen No Deal Brexit nicht wünscht.
Aber, und dies ist neu, diesmal wird May am darauf folgenden Tag, dem 14.03.2019 das Parlament fragen, ob es wünscht, dass sie in Brüssel um eine Verlängerung der Austrittsfrist nach Artikel 50 ansucht. Die Antwort ist und wird ja sein.
Vielleicht wird die Länge der vereinbarten Frist dann mit der Zeit korrespondieren, die die britische Regierung brauchen wird, um eine zweite Volksabstimmung zu organisieren.
Wie die 17 Millionen Briten, die für einen Austritt aus der EU gestimmt haben (und ja, die Frage wurde 2016 so einfach gestellt), auf diese Verarschung ihres Wählerwillens durch ihre gewählten Vertreter reagieren werden, ist derzeit nicht vorhersehbar.
Nigel Farage hat jedenfalls schon eine neue Hard-Brexit Partei gegründet.
Vielleicht war Dienstag der 26.02.2019 der Startschuss für eine neue Battle for Britain. Die Ereignisse in Großbritannien sind jedenfalls keine Bagatelle. Hier geht es um existenielle Fragen betreffend Souvernität, Demokratie und den Zugang zu politischer Macht.
(DerText erschien zuerst bei bachheimer.com)
Edit: Text wurde beim Editieren verstümmelt und ist jetzt ausgebessert (hoffentlich). Tut mir leid. AvdK
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