Brüssel will Hellas behalten, Tsipras loswerden – Moskau vice versa

Letzteres soll natürlich heißen, dass die Russen nicht besonders interessiert sind, den griechischen Staat (vor) zu finanzieren – dass sie aber sehr wohl ein pipelinestrategisches Interesse an Griechenland haben, genauer: daran, wer in den nächsten Jahren die Athener Regierung stellt. Denn davon wird abhängen, ob die nächste Erdgasleitung nach Westeuropa über Mazedonien und Serbien oder über NATO-Gebiet und Bulgarien/Rumänien führen wird. Ersteres sähe das russische Team gerne, Zweiteres wäre dem Team Amerika und dessen Handlangern in Brüssel lieber.

Diese Situation hat eine lange Vorgeschichte, die hier nicht erörtert werden kann – ebensowenig wie das energiestrategische große Bild, in das die Frage einbettet ist. Hier soll der Hinweis genügen, dass die Wendung, durch die diese Frage erst aktuell wurde, in den Jahren 2013/14 passierte:

Zuerst musste die Nabucco abgeblasen werden, nachdem klar geworden war, dass sie nur hohe Kosten, aber nicht die gewünschte alternative Versorgungsquelle für Erdgas gebracht hätte (ein mehr als legitimes “europäisches” Anliegen).

Im Jahr danach brach der offene Konflikt um die Ukraine aus, in dem die Union primär den Verbündeten Washingtons spielte (spielen musste), was – im Verein mit heftigen energiepolitisch-ideologischen Illusionen – zu einem stark irrationalen, ja irren energiepolitischen Handeln führte.

Zunächst brach das Irresein in der Kommission aus, damals noch unter Barroso. Der selbstgefährliche Wahnsinn fraß sich dann bis in die Peripherie der Junta vor, beispielsweise ins Europäische Parlament, dessen Abgeordnete sich in den Dienst der strategischen Interessen des amerikanischen Imperiums stellten. Die Resolution vom 17. September hatte zwar keine reale, sehr wohl aber eine symbolische Bedeutung.

Den Chefeuropäern ging es damals darum, die Erdgaspipeline South Stream maximal zu verzögern, weil diese, sobald in Betrieb, die Position der Ukraine untergraben würde, deren strategische Raubritter-Position entlang einer stark frequentierten Handelsstraße zwischen Ost und West.

Mit ziemlich durchsichtigen wettbewerbspolitischen Vorwänden wurde ein bürokratischer Klotz nach dem anderen in die Speichen des South Stream-Projekts geworfen, in unverbrüchlicher Solidarität mit “der Ukraine”, d.h. den Amerikanern. Brüssel zwang Bulgarien, das sich schon Hoffnung auf hunderte Millionen an Durchleitungsgebühren gemacht hatte, die Vorbereitungsarbeiten zu stoppen.

Anfang Dezember 2014 tat Putin dann etwas, was die Europäer ihrer Obstruktionspolitik zum Trotz nicht erwartet hätten – er trat das Projekt, für das in Russland schon einige hundert Millionen Kosten angefallen waren, in den Mistkübel und kündigte an, stattdessen eine Pipeline in die Türkei zu bauen, die dann bis in deren europäischen Teil bzw. an die griechische Grenze gezogen werden solle. Von dort könne das russische Erdgas dann ins südliche (südosteuropäische) Gebiet geleitet werden.

Der zuständige neue Vizepräsident der EU-Kommission schaute zunächst dumm-verdutzt in die Kameras und gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass Putin sich die Sache noch einmal überlegen werde. Schließlich gab die Kommission hinter vorgehaltener Hand zu verstehen,  dass man dieses Erdgas ohnedies nicht brauche.

Brüssel hatte sich klassisch verzockt. Statt das durch das Schwarze Meer geleitete Gas direkt von den Russen zu beziehen, sahen sich die Europäer plötztlich einem weiteren Mittelsmann in einer potenziellen Raubritter-Position gegenüber. Die Türken hatten sich dazwischen geschoben. Blöd aber auch !

Noch dümmer wurde die Situation, als Anfang 2015 die Syriza- und ANEL-Regierung in Athen an die Macht kam, die wenig Lust zeigte, die Suppe auszulöffeln, die von den griechischen Volksparteien sowie den westeuropäischen Dumpfbacken-Rettungspolitikern (ab 2010) eingebrockt worden war. Plötzlich standen zwei Mittelsmänner zwischen den Europäern und dem russischen Gas. Zwei unsichere Kantonisten, von denen wenigstens einer eine Spielernatur par excellence ist.

Inzwischen hatte man sich in Brüssel wenigstens zur Einsicht durchgerungen, dass ein leistungsfähiges südliches Pendant zur North Stream vielleicht doch nicht so schlecht wäre – und wenn es nur wegen der Versorgungssicherheit wäre. Italien und die südosteuropäischen EU-Staaten (inklusive Österreich) wollen jedenfalls eine solche Anbindung..

Doch noch ist eine wichtige Entscheidung nicht gefallen – die über die Streckenführung der Pipeline.

Sicher ist nur, dass die Leitung über die Türkei nach Griechenland gehen wird. Danach kann sie zwei Wege nehmen: einen direkt nach Norden nach Bulgarien – was die EU-Kommission, die Amerikaner und natürlich die Bulgaren gerne hätten. Die Route ist fest in NATO-Hand. Der zweite Weg führt über Mazedonien und Serbien nach Ungarn/Österreich.

Welche Streckenführung kommt, wird stark davon abhängen, wer in den nächsten zwei Jahren die Regierung in Athen stellt (neben anderen Faktoren wie zum Beispiel dem – den USA gelegen kommenden - albanischen Terrorismus in der Region).

Moskau, erklärt ein Beobachter aus Russland, bevorzugt klar die Streckenführung über Serbien (obwohl immer wieder die politisch-taktische Karotte einer Strecke über Bulgarien vorgehalten wird).

Eine Regierung Tsipras würde diesem Wunsch jedenfalls eher nachkommen als ein Brüssel-höriges Kabinett etwa nach dem Muster der Koalition von ND und PASOK zwischen 2012 und 2015. Für eine solche Gefälligkeit würden die Russen sicher noch ein wenig Fakelaki springen lassen.

Unabhängiger Journalist

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