Ende der Öl-Ära 4 – Uncle Sam päppelte “Energie-Wunder” auf

586px-DomenichinounicornPalFarnese
Fabelwesen existieren auch in der Energiewirtschaft. Domenichino, Jungfrau mit Einhorn.

Der Shale-Boom ist eine Illusion, die den Eindruck grenzenloser Ressourcen erwecken soll. Ein Branchenbeobachter erläutert die realen wirtschaftlichen Grundlagen: Kostenloses Kapital über Börse und Anleihen, Nullzinspolitik der Fed sowie staatliche Subventionen über Forschungsbudgets und Steuergesetze.

Doch selbst unter den heutigen extrem günstigen Bedingungen kann  bei einem Barrelpreis von 100 Dollar nur ein kleiner Teil der buchhalterisch vorhandenen Ressourcen produziert werden.

Der Blogger Steve alias SRSrocco beschreibt in einem kürzlich erschienenen Posting im Detail, wie die Shale-Fata Morgana beschaffen ist. Er stützt sich dabei auf Berichte von Bankenanalysten, Geologen und sachkundigen anderen Bloggern. Seine Quellen befinden z.B. hier, hier und hier.

SRSrocco hat zwei große Stärken: Zum einen versteht er Geisteswelt und Sprache der Finanzindustrie. Er verbindet das,  zweitens, mit einem bemerkenswerten Verständnis von Peak Oil. Das ist eine seltene, intellektuell fruchtbare Kombination.

Seine Erkenntnisse, warum “Fracking die Bilanzen der Shale Öl- und Gasgesellschaften zerstört”:

  • Die Firmen haben einen dreistelligen Milliarden-Finanzbedarf, den sie nicht über ihre normalen Umsätze abdecken können (“permanent negative cash flows”).
  • Um ihr Hamsterrad-Modell zu finanzieren, sind sie auf eine laufende Aufschuldung und auf den Verkauf von Unternehmens-Aktiva angewiesen. “Das ist kein Business-Modell, das aufrecht erhalten werden kann – ebensowenig wie der Unsinn, der gerade auf den breiteren Aktienmärkten stattfindet (…)” Eine Analyse des Oxford Institute of Energy Studies geht davon aus, dass 60 Prozent der Mittel, die die Firmen zurAufrechterhaltung ihrer Produktion brauchen, aus dem sogenannten “nicht operativen Cash Flow” stammen. Das kann man z.B  hier nachlesen.

SRSrocco erwähnt es zwar nicht ausdrücklich, es gehört aber dazu wie die sprichwörtliche Jacke zur Hose: die Zinspolitik. Weil die US-Zentralbank die Zinsen extrem niedrig – bei Null – hält, sind die “Investoren” gezwungen, nach alternativen Anlagemöglichkeiten Ausschau zu halten. Sie sind deshalb bereit, den Shale-Produzenten Equity/Eigenkapital (fast) zum Nulltarif zu geben.

Aber auch Fremdkapital, riskante Junk-Bonds sind heute billig wie noch nie.

Das bedeutet, dass die Produktion von Schieferöl und -gas von anderen querfinanziert wird, die eigentlich nichts mit dieser Aktivität zu tun haben und die auch nicht wissen, dass sie diese subventionieren. Sie werden von der  Zentralbank zu diesem Verhalten praktisch gezwungen bzw. verführt. (Es ist die gleiche Sorte von “Zwang”, mit der auch kleine Sparer zum Zocken verleitet werden, weil sie glauben, damit den Wettlauf gegen die Geldentwertung gewinnen zu können. Mehr dazu in einem späteren Post)

  • Auch die Steuergesetzgebung hilft mit, die Shale-Bubble über neue Sonderregelungen aufzublasen. Letztere erlauben es den Firmen, die Begleichung von vielen Milliarden an Steuern in die Zukunft zu verschieben – “deferal” (was faktisch auf deren ersatzlose Streichung dieser Schulden hinausläuft). SRSrocco: “Die Firmen (…) haben nicht das Cash, ihre Steuern zu bezahlen.”

Gratis-Kapital und Steuervergünstigungen sind aber nur das Schlagobershäubchen.Washington hat das Fabelwesen anfangs mit anderem Kraftfutter aufgepäppelt, z.B. bei der Entwicklung der heute verwendeten Technologie. Dies geschah mit dem Einsatz beträchtlicher Steuermittel.

Was Fracking wirklich kann, wird sich aber erst zeigen, wenn die “sweet spots” (relativ leicht förderbare Reserven) ausgebeutet sind und die Mühen der Ebene beginnen.

Zu diesem Zeitpunkt kann wohl nur ein weiterer massiver Anstieg des Ölpreises ein Aussterben des Energie-Einhorns verhindern. Das wird mit Sicherheit auch passieren. Wäre doch schade, wenn das sympathische Fabeltier gleich wieder verenden müsste. ;-) 

An diesem Punkt muss auch beantwortet werden, ob (besser: wie)

  • die Volkswirtschaft den höheren Ölpreis aushält und ob es
  • geologisch geeignete Regionen gibt, in denen Shale wenigstens unter diesen “nachgebesserten Bedingungen” erzeugt werden kann.

Die Fähigkeit des Staats, unbeteiligte Zuseher unter irgendwelchen Vorwänden zur Kasse zu bitten, ist zwar enorm - aber irgendwo, weit draußen, gibt es auch hier “Grenzen des Wachstums”; Grenzen der staatlichen (und privaten) Gefräßigkeit. Irgendwann, irgendwo werden selbst super-konformistische Geldmanager auf die Idee kommen, vielleicht doch in physisches Öl statt in überteuerte Shale-Aktien zu investieren.

Solange Kredit verfügbar ist, wird sich das Hamsterrad aber noch weiterdrehen – je mehr Umstehende sich dafür ausnehmen lassen desto länger. Jedoch: “If something cannot go on forever, it will stop”, wie das ein US-Präsidentenberater in den 1970ern formuliert hat.

Danach wird auch dem Westen wohl nichts anderes übrigbleiben als Bittprozessionen in den Mittleren Osten und nach Moskau zu organisieren und die Öl- und Gasindustrie selbst zu verstaatlichen um die Defizite besser auf die Steuerbürger überzuwälzen zu können.

Foto: Public Domain, Wikimedia Commons.

 

 

 

 

Unabhängiger Journalist

Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.