Der Verzicht aud fossile Energiesklaven ist langfristig unvermeidlich. Der Abschied von ihnen wird dem Westen aber massive Wohlstandsverluste bescheren. Nicht nur unter den Bessergestellten.
“Die umfangreiche Verwendung von fossilen Brennstoffen in den Vereinigten Staaten bedeutet, dass jeder das Äquivalent von 60 bis 80 hart arbeitenden Arbeitern zur Verfügung hat, die ‘unsere Bäume fällen und unser Wasser tragen’ und unser Essen anbauen,transportieren und kochen; die uns mit einem ausgefeilten Gesundheitsdienstleistungen versorgen; die es uns ermöglichen, unsereVerwandten zu besuchen und unsere Urlaube in entfernten Ländern zu verbringen. Allein um unsere Nahrungsmittel anzubauen wird eine Gallone Öl (3,8 Liter) pro Person und Tag verbraucht. Wenn ein Nordamerikaner in der Früh heiß duscht, haben er oder sie mehr Energie verbraucht als zwei Drittel der Erdbevölkerung in einem ganzen Tag konsumieren.”
(Charles A.S. Hall, Kent A. Klitgaard, Energy and the Wealth of Nations. Understanding the Biophysical Economy, 2012, S.323)
Das hier ist der gute alte Energiesklave – eine Maßeinheit, die von den Vordenkern der Ökologiebewegung ersonnen wurde um zu verbildlichen, dass der heutige Reichtum der “entwickelten Welt” (inklusive der dortigen Paupers) etwas historisch Einmaliges ist. Er zeigt, dass dieses Wohlergehen etwas mit der reichlich zur Verfügung stehenden Primärenergie zu tun hat, die von einem kleinen Teil der Weltbevölkerung in den Industrieländern monopolisiert und übernutzt wird. Das Sprachbild ist gut und dass die Europäer nur die Hälfte oder zwei Drittel der geschilderten Energie verbrauchen, tut hier nichts zur Sache.
Wie fast überall gibt es auch bei diesem Konzept kein Schwarz und Weiß, kein ganz Richtiges ohne ein bisschen Falsches. Eine Schwachstelle des Mems vom Energiesklaven besteht darin, dass grün orientierte Denker dazu tendieren, ein wesentliches Scharnier zwischen Primärenergie und Produktion unter den Tisch fallen zu lassen: die Technologie. Man könnte auch von Energieproduktivität sprechen. Einwände dieser Art werden schnell als “Technikgläubigkeit” kritisiert.
Ein zweites Problem besteht in meinen Augen darin, dass das Konzept dazu verwendet wird, über politische Kurzschlüsse die Leute auf den ideologisch “richtigen Pfad” zu führen. Dabei geht es oft ausschließlich darum, die Folgen dieser Kurzschlüsse – u.a. für die eigeneWählerbasis – zu verschleiern bzw. nicht zu thematisieren. Ein Beispiel dafür ist die Forderung nach einem zeitnahen – im großen Gang der Dinge: sofortigen – Verzicht auf nicht-erneuerbare Energien, notfalls auch im Alleingang. Der Verzicht betrifft auch Energieträger, die als vergleichsweise sauber und emissionsarm gelten und deren Peak noch ein oder zwei Generationen entfernt ist.
Von der Erkenntnis, dass es “Grenzen des Wachstums” gibt und dass die nicht erneuerbaren Energien Ressourcen sind, die früher oder später zu Ende gehen bis zu radikalen Aussteiger-Konzepten (minus 40 Prozent CO2 bis 2030 – EU-Kommission) ist der Weg aber sehr weit.
Die Emission von Co2 ist (und bleibt wohl auch künftig) eng mit dem Verbrauch fossiler Energien verbunden. 40 Prozent weniger CO2 mögen also z.B. mit einer 30-prozentigen Senkung des Verbrauchs von fossilen Energien erkauft werden.
Der Pferdefuß dabei ist, dass Erdöl, Erdgas und Kohle Energieträger sind, die über beispiellos vorteilhafte Eigenschaften verfügen und dass diese erst möglich gemacht haben, was manchmal der “Reichtum des Nordens/Westens” genannt wird.
Sie können zwar ersetzt werden, aber bei weitem nicht vollwertig. Konventionelles Öl und Gas haben sozusagen einen “Multiplikator” eingebaut – Biotreibstoffe, die diese z.B. beim Transport ersetzen können, verfügen aber nicht über einen solchen.
Dass in den nächsten Jahrzehnten Ersatz für Erdöl gefunden werden muss, steht außer Zweifel. Das bedeutet aber weder, dass es sinnvoll ist, ohne Not auf Erdgas zu verzichten, noch dass es im besten Interesse der Europäer (und anderer Nettoimporteure) ist, Avantgarde für den Ausstieg aus dem Erdöl zu spielen. Das wäre höchstens dann der Fall, wenn es in absehbarer Zukunft einen adäquaten und universell einsetzbaren Ersatz für das Erdöl gäbe. (Oder wenn die absehbare Peak Oil-Krise tatsächlich zu einem technologischen Durchbruch in Sachen Energie führen würde.)
Das ist aber nicht der Fall bzw. scheint wenig wahrscheinlich. Es zeichnet sich ab, dass der Ersatz von Erdöl durch diverse Erneuerbare eine problematische Behelfslösung ist, die massive negative Auswirkungen auf den Wohlstand der industrialisierten Gesellschaften zeitigen wird.
Noch ein China-Syndrom
Genau ein solcher einseitiger Rückzug von, eine Verdrängung aus den internationalen Erdölmärkten scheint sich aber seit geraumer Zeit zu vollziehen, wie der amerikanische Öl-Experte Jeffrey Brown zeigt. Er hat einen Index entwickelt, der demonstriert, wie rasant sich die Menge des “auf den Weltmärkten” zur Verfügung stehenden Öls verringert (wenn man den Verbrauch der Volksrepublik China und Indiens abzieht). Dieser Index ist in den vergangenen 11 Jahren von 12 auf 5 gesunken. Die folgende Grafik macht das deutlich. Sie findet sich hier.
Bei stagnierender internationaler Produktion und stärker werdender Exportunwilligkeit haben China und Indien ihren Ölkonsum massiv gesteigert (wobei China eine substanzielle Ausweitung seiner Produktion gelungen ist.) Die Importe beider Länder sind jedenfalls stark gewachsen – ungeachtet der Krise von 2008.
Der Chinindia-Boom hat zur Folge, dass den restlichen Nettoimporteuren (Europa, Japan, Dritte Welt) immer weniger Öl zur Verfügung steht.
“Given an inevitable ongoing decline in GNE, unless the Chindia region cuts their GNE consumption at the same rate as the rate of decline in GNE, or at a faster rate, the resulting ANE decline rate will exceed the GNE decline rate, and the ANE decline rate will accelerate with time. It’s a mathematical certainty.”
Der theoretische Endpunkt ist erreicht, wenn die Ratio auf 1 gefallen ist. Dann werden die zur Verfügung stehenden Exporte ausschließlich durch China und Indien aufgesaugt.
Noch hat die sich verengende Schlinge keine Auswirkungen auf die Versorgung des „alten Kontinents” gehabt. Effizienzgewinne und Nachfragezerstörung („demand destruction“) durch die europäische Dauerkrise scheinen dies verhindert zu haben.
Findet der Trend aber seine Fortsetzung, sind entweder Bieterkriege zwischen den Importeuren und eine Explosion des Preises oder aber Versorgungsengpässe unvermeidlich. Letzteres vor allem dann, wenn der Preismechanismus, der spätestens 2010/2011 weitgehend außer Kraft gesetzt wurde, nicht wieder zugelassen wird.
Dann wird es zu Rationierungen kommen, auch wenn z.B. die Europäer bereit wären, einen (viel) höheren als den offiziellen (offenbar zwischenstaatlich regulierten) Preis zu bezahlen. Das wird wie ein volkswirtschaftliches Rätsel erscheinen, das allen Erklärungen widersteht. Zumindest allen Erklärungen, die Öl als weltweit fungibles Gut ansehen und die die Existenz einer freien Preisbildung für offenkundig und selbstverständlich halten.
Vielleicht gibt es mehr oder weniger stichhaltige oder auch nur gut klingende Argumente für das Agieren jenes Klüngels, das (auch) für das Preismanagement bei Öl verantwortlich ist. Für das Handeln jener „demokratisch legitimierten“ Politiker, die gerade dabei sind, künftigen Generationen den Energie-Teppich unter deren Füßen wegzuziehen (Kalte Krieger und Gasverzichts-Politiker), gibt es aber keine Entschuldigung.
Foto: Daderot, Wikimedia Commons
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