Euda Schwede! Auch “Wickie & die starken Männer” handelten Sklaven

Viking-Age Trade.inddEin neuer Sammelband von Mittelalter-Archäologen nimmt die nordeuropäischen Silber-Horte der Wikinger-Zeit unter die Lupe, speziell die Gotlands. Dabei wird ein Bild entworfen, das uns Fans der 1970er-Fernsehserie “Wickie und die starken Männer” (und heutigen Schweden) nicht so toll vorkommen mag: Die Wikinger waren in Gefangennnahme von und im Handel mit Sklaven groß im  Geschäft – das sie auch überregional betrieben, wovon die Menge arabischer Dirhams in den Horten Zeugnis ablegt.

Folgend eine kurze Zusammenfassung, wie dieser Blogger die rund 20 Beiträge des soeben erschienenen Readers Viking-Age Trade. Silver, Slaves and Gotland versteht.

Er benutzt dabei eine nicht-technische Sprache, fügt Erläuterungen nach bestem Wissen und Gewissen ein, geht auf Meinungsunterschiede zwischen den einzelnen Autoren nicht ein und füllt eventuelle Lücken der “Erzählung” mit eigenen Vermutungen (kommt kaum vor).

“Horte”, also Ansammlungen von gemünztem und geschmiedetem Edelmetall bzw. “Edelmetall-Schrott” sind unter Spezialisten des Zeitalters der Wikinger (ca. 800 – 1100) bekannt & beliebt. Sie werden als Anhaltspunkt zur Klärung unterschiedlichster Fragen heran gezogen, beginnend mit Datierungsaufgaben.

Es gibt diese Schätze vom Baltikum bis nach Irland, und sie können von unterschiedlichsten Aktivitäten unterschiedlichster Akteure stammen.

So gab es etwa schon zur Völkerwanderungszeit um 400 nach Chr. Goldflüsse ins heutige Schweden, die aus (dem früheren) West-oder aus Ostrom (Byzanz) kamen.

Die im Erdreich verbuddelten Schätze der Wikinger sind um etwa 500 Jahre jünger und dürften allen möglichen Quellen entstammen:

Raub, Schutzgelderpressung, Handel, Lösegeld und vielleicht auch Steuern (es klebt kein schriftlicher Herkunftsnachweis an den Münzen).

Die Wikinger-Horte haben idR einen höheren Silberanteil und beinhalten auch Münzen von außerhalb des von diesem Germanenstamm besiedelten Gebiets,

z.B. aus dem karolingischen Frankreich oder aus angelsächsischen Königreichen Englands.

Die ausgewiesene Währungseinheit und der aufgeprägte Herrscherkopf waren egal – wichtig war nur das (Fein)Gewicht in Silber.

Nun haben Horte von südschwedischen Inseln, aus dem Osten Englands und in Teilen Irlands hohe Anteile von muslimischen Silbermünzen, die aus Bagdad oder aus Zentralasien stammen,

was sie z.B. von westschwedischen Schätzen unterscheidet, die mehr Münzen aus dem nordwesteuropäischen Ausland aufweisen.

Warum das so ist, variiert von Enzelfall zu Einzelfall

(es stellt sich jeweils auch die Frage, warum das Silber nach Schweden geflossen ist, wenn die Krieger, die das Metall zuerst in die Hand bekamen, die früher geplünderten Gebiete besiedelt haben

- diese Überlegung spricht dafür, dass die Mehrzahl der Wikinger-Schätze dem überregionalen Handel entstammt).

Dirhams oder nicht, das ist die Frage

Nun haben die gotländischen Horte, um die sich das besprochene Buch hauptsächlich dreht, einen erstaunlich hohen Anteil an Ag-Dirhams

und die Beiträger des Bandes vertreten die Meinung, dass die Erlöse mit Sklaven erzielt wurden, die man z.B. ins Abbasiden-Kalifat verkaufte.

Auf Basis einer Reihe von Überlegungen wird weiter davon ausgegangen, dass vermutlich westschwedische Wikinger die menschliche Ware versklavt,

diese allerdings schnell an “spezialisierte Landsleute” in Gotland weiter verkauft haben.

Die haben dann den Transport über die “Kiewer Rus” nach Süden organisiert, wo die Sklaven an arabische oder zentralasiatische Zwischenhändler gingen.

Je jünger und schöner das gekidnappte Mädchen, je kräftiger der junge Mann und je blonder beide waren, desto teurer war die “Ware”.

Wahrscheinlich stammte ein guter Teil der Sklaven aus den Küstenregionen des heutigen Polen und des Baltikums, viele von ihnen Slawen.

Die gotländischen Händler waren ebenfalls Wikinger, aber relativ egalitär lebende Freie, die auch mit anderen Waren handelten.

Nach Meinung der besprochenen Gruppe von Mediävisten waren aber z.B. Pelze zu wenig teuer, um die Akkumulation so vieler ausländischer Silbermünzen zu ermöglichen.

Die “Wertschöpfung mit guten Sklaven” war dagegen viel höher (sofern diese lebend ihren Bestimmungsort erreichten).

Das Silber wurde schon zu diesem frühen Zeitpunkt an einigen Märkten Gotlands als Zahlungsmittel akzeptiert (während am schwedischen Festland noch der Barter dominierte.)

Die Monetisierung des “Mondmetalls”, die schließlich auch das europäische Festland erfasste, war jedenfalls eine Entwicklung, die erst später zu voller Blüte kam.

Jacek Gruszczynski, Marek Jankowiak, Jonathan Shepard (Hg.), Viking-Age Trade: Silver, Slaves and Gotland (Routledge Archaeologies of the Viking World). 2020

Unabhängiger Journalist

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