FPÖ schließt Augen vor Elefanten im demokratischen Wohnzimmer

Die FPÖ demonstriert über ihre Anfechtung der österreichischen Urnengangs zum Bundespräsidenten, dass auch sie den Wahlschwindel-Elefanten im Wohnzimmer unseres Medial-Politischen Komplexes nicht sehen will und dass ihr Ziel ein rein taktisches, nämlich die Abschaffung der Briefwahl ist. In Wirklichkeit vollendet sich gerade die Selbstausschaltung unseres Medial-Politischen Komplexes als demokratische Einrichtung. NB: Die Blauen haben sich mit zwei Tagen Verspätung zu Transparenz durchgerungen.

Die Freiheitlichen könnten aus dieser ihrer Anfechtung vor dem Verfassungsgericht ihre demokratiepolitisch größte Stunde machen, würden sie dem Wahlschwindel des Rests der politischen Klasse die Maske vom Gesicht reißen.

Eigentlich wäre das die vornehmste Aufgabe der größten Oppositionspartei und sie könnte dadurch das jämmerliche Versagen der Medien in ihrer Rolle als Hüter von Rechtsstaat und Gewaltenteilung kompensieren, vorübergehend.

Genau das wollen die FPÖ und ihr Obmann aus mir unbekannten Gründen aber nicht – obwohl es eigentlich ziemlich leicht zu bewerkstelligen wäre.

Selten noch war Lorbeer billiger zu erringen.

Der gerichtsfeste Nachweis der Einschleusung von fast 70.000 Wahlkartenstimmen wäre mithilfe der Übermittlungsprotokolle der Landeswahlbehörden vom 22. Mai problemlos zu erbringen.

Die neun Schriftstücke, die für einen Apparat wie den freiheitlichen eigentlich leicht zu beschaffen wären, würden ohne Zweifel beweisen, was der amtierende Chef der Bundeswahlbehörde am Wahlabend bereits öffentlich gesagt und danach wieder abgestritten hat: dass sich nämlich die Zahl der gesetzeskonform eingelangten Wahlkarten auf (rund) 740.000 inklusive nichtiger Stimmen belaufen hat.

Das wäre noch immer keine offizielle Verlautbarung, aber wenigstens ein behördliches Schriftstück, das den Herrschaften im Hermelin Respekt einflößen könnte. Und: Selbst dem flüchtigsten-Laien-Beobachter würde klar, dass das offizielle Endergebnis der Präsidentenwahlen (mindestens) 70.000 illegitime Stimmen enthält.

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Die gesetzliche Sachlage ist eigentlich ziemlich einfach und es ist ermüdend, sie dauernd zu wiederholen:

Die Zahl der eingelangten Stimmen musste von den Bezirkswahlbehörden noch am Wahltag, jedenfalls aber so schnell wie möglich, den Landesbehörden überrmittelt werden – siehe hier – und nur theoretisch könnte sich dieser Vorgang bis zum Montag hingezogen haben, siehe hier.

Die Pflicht zur Übermittlung dieses Wahlergebnisses steht im Gesetz, in diesem Fall in der aktuellen Nationalratswahlordnung (sic).

Hier Screenshots aus dem Wahlkalender des Innenministeriums, denen die Zeitachse und die vorgeschriebene legale Prozedur entnommen werden können.

Wahlkalender_Header

Wahlkalender_2Die “etlichen tausend” Stimmen, um die sich Wahlleiter Stein “verschätzt” haben will (O-Ton 25. Mai) waren eigentlich 70.000 Voten – und mit großer Wahrscheinlichkeit hat sich diese Person auch nicht einfach verschätzt.

Übertragungsprotokolle der Länderbehörden könnten jeden Zweifel ausräumen, dass Steins ursprüngliche Zahlenangabe aus der ZiB2 vom 22. Mai keine Schätzung war, sondern auf Meldungen der Bezirks- und Landesbehörden beruhte.

Statt die paar Dokumente zu beschaffen und damit eine historische Tat zu setzen, überbieten sich die FP-Advokaten Böhmdorfer und Schender aber lieber in Nichtigkeiten und Nebenaspekten, siehe die FP-eigene Pressemeldung.

Dabei scheinen z.B. die angeführten Fälle von Auszählungen vor Eintreffen der Kommissionen oder Auszählungen durch nicht autorisierte Personen noch ziemlich valide. Sind diese Fälle sauber dokumentiert, könnten sie wirklich (indirekt) dazu beitragen die Briefwahl zu kippen.

An der Vorsortierung der Wahlkarten durch Beamte, die laut HC Strache 31.814 nichtige erbracht haben soll, scheint aber wenig “Fleisch” zu hängen.

Die geschilderte Praxis reflektiert wohl nur den Umstand, dass so viele Wahlkarten eingetroffen sind, die nach Meinung der (nicht wahlbehördlichen) Helfer auf Anhieb einen Nichtigkeitsgrund erkennen ließen (z.B. fehlende Unterschrift des Wählers). Die Beurteilung selbst blieb aber der Bezirkswahlbehörde überlassen – und nicht einmal die FPÖ selbst scheint Gegenteiliges zu behaupten.

Blaue verdunkeln ihr juristisches Vorgehen

Die Freiheitlichen, die öffentlichkeitswirksam auch eine Wahlanfechtung “für einen Bürger” eingebracht haben wollen (yaddayadda), sind jedenfalls fest entschlossen, ihr juristisches Vorgehen unter der Tuchent zu halten.

Die zuvor angekündigte Veröffentlichung des “Klagstexts” findet nicht statt.

Parteianwalt Böhmdorfer hat jedenfalls um “Verständnis dafür (ersucht), dass wir nicht alles sagen können” und begründete das damit, dass man laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungen nicht behindern (und verdächtigten Personen keine zusätzlichen Informationen geben) wolle – eine Ausrede, mit der eine vollmundige Ankündigung von Transparenz gleich wieder rückgängig gemacht wurde.

Keine zehn Minuten vorher, in der 17. oder 18. Minute, hatte Parteiobmann Strache noch behauptet:“Wir werden die Wahlanfechtung in den nächsten Stunden auch auf unserer HP für alle nachvollziehbar online stellen.”

Diese Ankündigung kann – noch – jede(r ) nachhören.

Nachbemerkung, 12.6. 8.15 Uhr: Die FPÖ hat sich mit zwei Tagen Verspätung zu Transparenz durchgerungen. Ehre, wem Ehre gebührt.

Unabhängiger Journalist

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