Eine Schweizer Tochter der HSBC hat reichen Kunden geholfen, Steuern zu vermeiden/zu hinterziehen und dabei Vorschriften zur Verhinderung von Geldwäsche verletzt. Die Berichterstattung darüber ist aber noch dubioser als die Affäre selbst. Es ist eine sensationsgeile Mischung aus Spin, Klischees und einem halben Dutzend emotionsgeladener wirtschaftspolitischer Themen – von Bankerboni bis zu public private partnerships..
Der politisch gewünschte, aber fragwürdigste Aspekt ist eine falsche Schlussfolgerung, die nicht offen ausgeprochen, die dem Leser aber geradezu aufgedrängt wird. Diese lautet: Wenn die öffentlichen Budgets diese hinterzogenen Summen hätten, wären sie saniert. Das ist Unsinn, auch wenn alle entgangenen Steuereinnahmen auf eine scheinbar riesige Summe, jährlich 200 Milliarden Dollar geschätzt werden.
Das klingt nach viel, ist es aber nicht. Es sind 0,27 Prozent des weltweiten BIP. Zum Vergleich: Allein die (bis vor kurzem) 18 Staaten der Eurozone kassieren pro Jahr etwa 4000 Milliarden Euro Steuern (ca. 40 % ihres GDP).
Und die zusätzlichen (weltweiten) Staatseinahmen aufgrund der geleakten Kundenliste belaufen sich seit 2010 auf 1,36 Mrd. Dollar.
Das ist praktisch nichts. Einzelne Steuerverwaltungen mögen sich über unerwartete Einkünfte freuen, im großen Bild ist der Kampf gegen die Steueroasen aber kein Gamechanger bei Budgetdefiziten und Staatsverschuldung. Das wäre nicht einmal dann der Fall, wenn die weltweit 7,6 Billionen, die in den tax haven lagern sollen, mit einem Schlag enteignet würden. Und hier sind wir an einem springenden Punkt angelangt.
Dubiose Rechtsansprüche
Die Rede ist (jedenfalls bisher) immer von privaten Vermögen, für die teilweise gesetzwidrig keine Steuern gezahlt wurden und die im Einzelfall kriminellen Ursprungs sein mögen – aber sie sind nicht Eigentum der Vereinigten Finanzminister des Erdballs. Es besteht kein Zweifel daran, dass der weitaus größte Teil des in Guernsey & auf Cayman verwalteten Kapitals legaler Herkunft ist. Und dass es bereits einmal, beim Erwerb, besteuert wurde.
Die tax campaigner machen geltend, dass ein Teil davon aus Organisierter Kriminalität und von Diktatoren der Dritten Welt stammt. Sie machen sich aber nicht die Mühe, wenigstens grob einzuschätzen, um welchen Anteil es dabei geht. In der schlampigen, vereinfachenden Berichterstattung wird dann mit Drogenhandel oder Waffengeschäften verdientes Geld draus.
Dass das wirklich schwarze Schwarzgeld eher spärlich gesät ist, lässt sich im konkreten Fall nur erschließen – nämlich aus den bisher 1,36 Mrd. Dollar Nachzahlungen auf Basis der geleakten Liste.
Die USA, Großbritannien und die großen kontinentaleuropäischen Länder hatten seit mehr als vier Jahren Zugang zu dieser Liste und sind auch tätig geworden. Strafen und Beschlagnahmungen in ihrem Hoheitsgebiet sind bereits in den 1.36 Milliarden enthalten. Mit dem Kriminalitätsfaktor dürfte es bei den Milliarden under HSBC management daher nicht weit her sein.
Drittens, und das ist eigentlich nur ein handwerklicher Vorbehalt: Aus journalistischer Sicht ist das Material ein so alter Hut, dass ihn die 45 Journalisten der internationalen Recherchegruppe in wohl keinem anderen Zusammenhang aufgreifen würden. Die ersten Daten stammen aus dem Jahr 1988 und die letzten aus dem dem Jahr vor der Krise, 2007 (was bedeutet, dass inzwischen praktisch jeder fragwürdige Steuertatbestand verjährt ist.)
Auch bestehen Zweifel, dass allgemeinere Rückschlüsse auf heute bzw. echte Erkenntnisse über die Steuerflucht gezogen werden konnten. Zu letzteren würde man höchstens gelangen, wenn sinnvolle Vergleiche angestellt und valide Maßstäbe angelegt würden. Das fand aber kaum statt. Stattdessen ließen sich selbst die seriösesten Blätter vom Trommelfeuer aus Promi-Namen und der Magie der großen Zahlen ablenken (100 Milliarden assets under managment, 1000000 involvierte Personen, etc.)
Sinnvolle Sub-Diskussionen wie z.B. die britische über die private Finanzierung öffentlicher Einrichtungen waren/blieben die Ausnahme (wobei dort geflissentlich über die Tatsache hinweggesehen wurde, dass es Labor unter Tony Blair war, das PFI eingeführt hat).
Ein erratischer Gedanke zum Schluss
Wenn unsere finanzmaroden Regierungen in einem globalen Schulterschluss dieses Fluchtkapital verstaatlichen, wird es effizientere Wege finden, um sich den strengen Steuerherren zu entziehen. Dass das Lösungen sind, die den heutigen Politikern schmecken, darf bezweifelt werden.
Nachbemerkung: Der Schreiber dieser Zeilen ist der Ansicht, dass sich auch Staaten im Rahmen der ihnen zur Verfügung stehenden, “offen und ehrlich erworbenen” Mttel/Einnahmen finanzieren müssen. Er hält das Thema Steuer und Steuergerechtigkeit daher für sehr wichtig. Genauso wichtig wie die Großthemen Staatsausgaben oder verdeckte Staatsfinanzierung über Zentralbanken/Inflation”.
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