Die österreichischen Kanzlers, Faylegger und Spindelmann, machen großes Tätterä aus ihrem Wunsch, ein Zehntel der Hypo-Gläubiger an den Kosten zur Abwicklung der Pleitebank zu beteiligen. Gleichzeitig stellen sie die Weichen, weitere sieben Milliarden Euro Steuergeld in die Banken zu leeren und der Bayerischen Landesbank 1,5 Mrd. Euro zurückzuerstatten.
Wie überall berichtet, hat der Ministerrat am Mitwoch beschlossen, nachrangige, von Kärnten garantierte Hypo-Schulden in Höhe von 890 Millionen Euro für erloschen zu erklären. Damit ist das Bundesland vorerst aus dem Wasser – wenigstens für die nächsten zwei, drei Jahre. Öffentlich begründet wurde das Vorgehen mit dem Wunsch, “die Steuerzahler zu schonen” sowie damit, dass man damit eine für 2016 angestrebte Beteiligung der Gläubiger an EU-Bankpleiten vorwegnehme. In der selbstgefälligen Sprache der hiesigen Politiker hört sich das so an: “Wir machen es der EU vor.”
Nun kann schon sein, dass das, was in Österreich praktiziert werden soll, ein früher Prototyp dessen ist, was die Eurozone als “Bail in” verkaufen will. Dann wäre auch die künftige EU-Regel nichts anderes als eine riesige Mogelpackung, die mitnichten “die Budgets schützen oder die Investoren in die Verantwortung nehmen will”, und was der großartigen Eurogruppen-Worte mehr waren; dann ist der Wiener Steuerzahler-Beschiss tatsächlich der legitime Vorfahre des kommenden Euro-Beschisses. (Um in ein – angeblich - technisches Detail abzugleiten: es geht um die Gestaltung der künftigen “Haftungskaskade”. Wenn man 95 Prozent der Gläubiger aus dem Risiko heraushält, bleiben am Ende wieder nur die Budgets/Steuerzahler über).
Ich konnte mir auf die Schnelle leider keinen Zugang zur jüngsten Hypo-Bilanz verschaffen, daher möchte ich hier auf eine – eher vorsichtige – Grobschätzung zurückgreifen: Die besagten 890 Millionen stellen etwa zehn Prozent der Hypo-Verbindlichkeiten gegenüber Finanzinvestoren (exklusive den Einlegern) dar. Sollte dieses Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof halten – was nicht gesagt ist -, beläuft sich die Rechnung, die die Politiker “dem Finanzmarkt” ausstellen, auf ein Zehntel des Schadens. “Das Haus”, die Republik, der österreichische Steuerzahler kommen für den Rest auf. Hält das Gesetz nicht, dann wird’s eher noch teurer, weil dann braucht das Land Kärnten Hilfe vom Bund.
Gut gemacht, Regierung ! Weiter so !
Doch halt, das ist noch nicht alles!
Der österreichische Steuerzahler ist doch nicht ganz und vollkommen allein wie oben nahegelegt. Er hat einen Hypo Alpe Adria-Leidensgenossen, den bayerischen Steuerzahler. Der muss im Prinzip dasselbe machen wie sein südbairisches Pendant: Für die Dummheit und Skrupellosigkeit seiner Politiker und Bankmanager den Kopf hinhalten.
Das weist die gleiche Qualität von Gerechtigkeit auf wie im österreichischen Fall.
Die Bayerische Landesbank (alt) ist am Absturz der Hypo Kärnten wahrlich nicht unschuldig und die Pleite hat die BayernLB schon bisher vier oder fünf Milliarden Euro gekostet. Die BayernLB (neues Management) ist aber der Meinung, dass es damit sein Bewenden haben sollte und verlangt vor Gericht 2,3 Milliarden von der Hypo Alpe Adria bzw. von dessen Alleineigentümer zurück.
Ihrer Rechtsansicht nach hat sie dieses Geld als Darlehen an die Hypo vergeben, weswegen sie berechtigt ist, es zurückzuverlangen. Die Österreicher antworten, dass sie in einer Krise von Gesetz wegen diese Fremdmittel in Eigenkapital umzuwandeln dürfen und dass sie daher nichts zurückgeben werden.
Um die 2,3 Milliarden wird nun öffentlichkeitswirksam prozessiert, weil beide Seiten dem eigenen Publikum zeigen müssen, dass sie wie die Löwen um die Knete kämpfen. Dass sie dabei Anwaltskosten in dreistelliger Millionenhöhe produzieren, tut offenbar nichts zur Sache.
Es ist beiden Seiten aber klar, dass sie in der Frage der 2,3 Milliarden einen Kompromiss finden wollen und werden – Spindelegger kündigt ja selbst immer wieder sehnsüchtig an, man werde einen “Generalvergleich” schließen.
Die Öffentlichkeit weiß nur wenig über den in München stattfindenden Prozess, aber noch viel weniger über die Verhandlungen über den Vergleich – nämlich genau nichts.
Daher kann das Folgende nicht gesichertes Wissen, sondern muss Spekulation sein: Das neue Hypo-Gesetz, das noch im Juli im Parlament beschlossen wird, legt das Fundament für diesen Generalvergleich. Dieser sieht so aus: 800 Millionen bleiben in Österreich, bei der künftigen Hypo-Abbaugesellschaft, 1,5 Milliarden werden an die BayernLB zurückgezahlt. Das ist zwar nicht ganz halbe-halbe, 35 Prozent sind aber auch nicht schlecht.
Die BayernLB hat zwar angekündigt, juristisch gegen das neue Hypogesetz vorzugehen, mit dem Österreich ein bayerisches Darlehen in Höhe von 800 Millionen “enteignen” werde – das passiert aber nur zum Schein, denn auch das Management der BayernLB muss in der Arena “wie ein Löwe kämpfen”. “Das wird man schon noch verlangen dürfen – die Bankmanager kriegen mehr als genug dafür bezahlt”, ist die allgemeine Erwartungshaltung.
Um das österreichische Gesetz wegzubekommen müsste sich die BayernLB auf einen langen Gerichtsweg begeben, der sie letztlich vor den österreichischen Verfassungsgerichtshof führen würde. Dort hätte sie eindeutig schlechtere Karten als beliebige Zeichner von nachrangigen, Kärnten-garantierten Anleihen. Warum ? Weil die BayernLB kein beliebiger Finanzinvestor ist, sondern Alteigentümer mit einer besonderen Verantwortung für das Debakel. Außerdem kann der VfGH das österreichische EKEG (Eigenkapitalersetzgesetz) nicht ganz unberücksichtigt lassen.
Gleichzeitig hat die 800 Millionen-”Enteignung” aber die Grundlagen gelegt, dass die Hypo/Republik Österreich den laufenden Zivilprozess um die 2,3 Milliarden verlieren würde. Die BayernLB hat diese Linie ja bereits am Mittwoch in einer Stellungnahme gegenüber der APA angetönt: “Österreich gestehe nun nämlich ein, dass es die 2,3 Mrd. Euro, die die Bayern in die Hypo pumpten, eigentlich an die Bayern zurückführen müssten – da es sich eben wie in München immer betont nicht um Eigenkapital handle. ” (APA 508, 11.6.2014)
Dieses juristische Argument der BayernLB ist mindestens ebensogut wie bayerischen Argumente vor dem österreichischen Verfassungsgericht schlecht sein würden. Das BayernLB-Argument ist jedenfalls so, dass sich Wien “zähneknirschend” in den Sachverhalt fügen könnte/”müsste”.
Die beiden Causen müssen dafür weder in Deutschland noch in Österreich bis in die letzte Instanz durchjudiziert werden – dafür sorgt schon der Generalvergleich, der nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.
Bei einem solchen werden üblicherweise sämtliche historischen Ansprüche gegeneinander bereinigt sowie künftige Ansprüche (aus derselben Sache) für immer und ewig beerdigt. Sämtliche offenen Gerichtsverfahren werden eingestellt.
Der österreichisch-bayerische Generalvergleich wird daher voraussichtlich folgendermaßen aussehen: Die Österreicher erkennen den Großteil der Forderungen der BayernLB aus dem Zivilprozess an, den die Bayern gegen sie angestrengt haben. Die Bayern stellen im Gegenzug ihre Rechtsschritte gegen die 800 Millionen-”Enteignung” in Österreich ein. 2,3 Mrd. minus 0,8 Mrd, = 1,5 Mrd. Euro (plus Anwaltskosten).
Wenn Spindelegger in naher Zukunft eine Pressekonferenz zum Generalvergleich geben wird (z.B. im Spätsommer/Herbst) und die österreichischen Journalisten draufkommen, dass demnächst eine Milliardensumme nach Bayern zurückfließt, wird der gute Mann mit den Achseln zucken und sagen: “Was wollt ihr, das ist ein Kompromiss! Die Bayern hatten auch gute juristische Argumente!”
Dabei wird Spindelegger geflissentlich darauf vergessen, dass jenes Gesetz, das am Mittwoch den Ministerrat passiert hat, der BayernLB die besten juristischen Argumente in die Hand gegeben hat.
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