Resilienz bezeichnet die Fähigkeit, Schocks zu bewältigen und nach einem solchen ein funktionierendes System wiederherzustellen. Mit dem Schlagwort wird den Leuten nahegelegt, sich auf Unterbrechnungen ihres Alltagslebens einzustellen. Diese Woche widmeten sich in Wien gleich zwei Veranstaltungen dem Thema.
Veranstaltungsort der einen war die Fachhochschule im zehnten Bezirk (FH Campus Wien), die andere wurde in der Landesverteidigungsakademie (Lavak) abgehalten. Bei der ersten wurde das Thema der “Zivilgesellschaft” zugeordnet.
Die zweite Veranstaltung war von Leuten aus dem Sicherheitsapparat dominiert. Es war ein Seminar, das die Lavak zusammen mit der Universität für Bodenkultur veranstaltete. Die Vorbereitung auf einen Ernstfall wurde dabei eher als “gesamtsstatliche Aufgabe” gesehen, etwas, das zuallererst die verschiedenen Sicherheitsbehörden etwas angehe.
Resilienz ist ein akademischer Modebegriff geworden, der das Zeug hat, das Erbe des schicken Schlagworts von der “Nachhaltigkeit” anzutreten. Er stammt eigentlich aus der Systemtheorie, hat sich aber über alle Disziplinen in Human- und Naturwissenschaft sowie in der Technik verbreitet. In der Psychologie kann der Begriff die Fähigkeit beschreiben, mit dem Tod Nahestehender zurechtzukommen, in der Architektur die Eigenschaft von Gebäuden, Erdbeben zu widerstehen und in der Ökologie die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel.
Vor ein paar Monaten ist um das Wiener Systemic Foresight Institue ein “Resilienz-Netzwerk”, entstanden, an dem inzwwischen mehrere hundert Freiwillige aus verschiedenen Organisationen mitarbeiten. An der aktuellen Veranstaltung nahmen 60 bis 70 Leute teil. Sie stand unter dem Motto “Plötzlich Blackout”. Endziel der Veranstaltungsreihe ist es, einen “Werkzeugkasten” zu entwickeln, der Individuen, Organisationen und Firmen bei der Bewältigung eines plötzlichen großflächigen Stromausfalls helfen soll.
Dass derlei passieren kann, war unter den teilnehmenden Freiwilligenorganisationen, Behördenmenschen, Technikern, Amateurfunkern und Medizinern unumstritten. Nur: Von welchem Blackout war eigentlich die Rede ? Wovon könnte ein solches verursacht werden ? Wie lange würde der Ausnahmezustand dauern ? Wie viele Betroffene würde es geben ?
Auf all das, wurde beschieden, könne es allgemein “keine seriösen Antworten” geben. Niemand könne in die Zukunft schauen. Es gehe darum, im Fall der Fälle vorbereitet zu sein.
Doch wenn man den Worten der Referenten folgte, wurde in Umrissen deutlich, wovon die Redner ausgingen – auch wenn das oft nur in Nebensätzen auftauchte:
- “Wenn der Strom von halb Wien ausfällt, ist das eine Netzstörung, erst wenn halb Österreich ausfällt, ist es ein Blackout.” (Techniker eines österreichischen Netzbetreibers)
- “Wir rechnen damit, dass in einer solchen Situation das Handy nach 15 Minuten nicht mehr verfügbar ist und das normale Festnetz höchstens noch zwei Stunden funktioniert.” (derselbe)
- “Die erste Stunde wird Golden Hour genannt. In dieser muss so viel wie möglich in die Wege geleitet werden, weil danach möglicherweise nichts mehr geht.” (Koordinator des Arbeitskreises “Plötzlich Blackout”)
- “Vielleicht ist es ja unseriös das zu sagen – aber unser technischer Geschäftsführer ging von sechs Tagen Minimum aus. Das ist auch die Annahme, mit der in den Notfallplänen gearbeitet wird. In einer Studie gibt es sogar ein Szenario mit bis zu sechs Wochen, aber das ist hoffentlich ein bisschen too much.” (Techniker eines Netzbetreibers in Deutschland)
- “Ich war angenehm überrascht, dass die Wasserversorgung unserer Bezirkshauptstadt zu 100 Prozent von einem Notstromaggregat übernommen werden kann und die Abwasserentsorgung zu 60 bis 70 Prozent – das ist gar kein so schlechter Wert (…) Das Krankenhaus kommt vier bis fünf Tage mit seinen Medikamenten aus. Auch das Spital hat ein Notstromaggregat, kann damit aber keinen Vollbetrieb aufechterhalten.” (Bezirkshauptmann aus Niederösterreich).
- “Es ist eine Illusion zu glauben, dass sich eine Behörde um alles kümmern könnte – und wenn sie noch so gut vorbereitet wäre (…) Die Bevölkerung wäre zu einem guten Teil auf sich selbst angewiesen. (…) Ich meine das nicht abwertend, aber die ländliche Bevölkerung ist noch nicht so in der Moderne angekommen. Das bedeutet umgekehrt, dass die Menschen im ländlichen Raum mit einer solchen Situation viel besser umgehen können als die in den Städten. Das hat man auch in Slowenien gesehen (großes Blackout zu Beginn 2014).” (derselbe)
Die Gesprächsgruppen, zu denen sich die Teilnehmer der Konferenz zusammensetzten, widmeten sich u.a. folgenden Themen: Alarmierung bei großflächigem Stromausfall (Beeinträchtigung der Kommunikationsinfrastruktur), dessen rechtliche Aspekte, “Resilienzvermittlung an nicht deutschsprachige Bevölkerung”, Kinderbetreuungseinrichtungen, “Resilienzmultiplikatoren”, Nichtverfügbarkeit wichtiger technischer Daten, Bargeldversorgung, Nahrungsmittel-/Wasserversorgung, Abwasser/Müll, dezentrale medizinische Versorgung, Vorbereitung von Unternehmen auf den Black Out, “Leuchtturmprojekte/Lichtinseln” (“Jedes beleuchtete Gebäude wird einen Ansturm von Hilfebedürftigen auslösen – wie kann man die Leute in diesen Lichtinseln auf diese Situation vorbereiten ?)
http://www.ploetzlichblackout.at/
http://www.systemicforesightinstitute.org/wordpress/
Foto: Wongx at de.wikipedia, WikiCommons
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