Ibiza & Straßburg: Cui bono?

Die EU-Wahlen sind geschlagen und der Einzige, der von den Ibiza-Aufnahmen politisch profitiert hat, war Kanzler Kurz. Das ist natürlich kein Beweis, aber ein interessanter Begleitumstand – wie auch das Faktum, dass das Material der SPÖ 2017 am meisten genutzt hätte, hätte sie es damals besessen. Die Spur zu den Auftraggebern hat mittlerweile in eine Sackgasse geführt, an deren Ende eine Trutzburg namens Anwaltsgeheimnis/Schweigerecht steht. Sollte sich keine überraschende Wendung mehr ergeben, wird sie dort auch zur letzten Ruhe gebettet werden.

Es ist weiters  offensichtlich, welche Seite hier dem Koalitionspartner den Stuhl vor die Türe gestellt hat – nämlich Kurz der FPÖ.

Es war der Regierungschef, der auf die Entlassung des Innenministers bestanden hat, jenes Herbert Kickl, der mit “Ibiza” nicht das Geringste zu tun hatte -

das, obwohl Strache, der FPÖ-Chef und unfreiwillige Ibiza-Hauptdarsteller, wie gefordert sein Amt bis Samstag 12.00 Uhr zurückgelegt hat.

Bisher hat es bei Koalitionen “zum guten Ton gehört”, sich nach der Aufteilung der Zuständigkeiten in den anfänglichen Koalitionsverhandlungen nicht mehr in Personalentscheidungen der anderen Seite einzumischen.

Kurz hat mit dieser Tradition gebrochen und dabei den Rücktritt aller FPÖ-Minister in Kauf genommen.

Es gibt auch keinen Hinweis, dass der Kanzler eine ähnlich sentimentale Anhänglichkeit an das “patriotische Reformprojekt” seiner Regierung entwickelt hat, wie das in der FPÖ, in anderen Teilen der ÖVP sowie “im rechten Ausland” gang und gäbe war.

Kurz ist wie ein Schauspieler, der jede Rolle annimmt, die der Prinzipal anbietet – der sonst aber jener Seite zuneigt, die über die “stärkeren persuasiven Instrumente” verfügt.

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Der Ibiza-Effekt hat jedenfalls seine Schuldigkeit getan und kann nun gehen.

(dass es den Effekt gar nicht bzw. nur schwach gegeben hätte, ist jedenfalls ein Missverständnis von Leuten wie Johannes Voggenhuber, der der Meinung anzuhängen scheint, das primäre Ziel sei eine Stärkung der Linken gewesen).

Schon wahr, die Beschädigung der FPÖ ist nicht so stark ausgefallen wie erhofft (und geplant) – aber dass SPÖ und die Liste JETZT profitieren sollten, war wohl nie “im Sinn des Erfinders”.

Heute geht es darum, die Spur, die zum ursprünglichen Auftraggeber führt, zu verwischen – und da muss eigentlich nicht mehr viel getan werden.

Dank einem engagierten alternativen Medium und einem MSM-Boulevardier hat sich die Erzählung etabliert, halbseidene Private hätten das Ding auf Vermittlung eines City-Anwalts gedreht und im Auftrag eines “zivilgesellschaftlich motivierten Projekts gehandelt, bei dem investigativ-journalistische Wege beschritten wurden“.

Der Rest ist anwaltliche Schweigepflicht (Schweigerecht) – da hilft es auch nicht, wenn Emittlungen ostentativ aufgenommen werden - und nicht, wenn ein anderer Jurist all dies als “Scheinerledigung mit Bauernopfer” wertet (H-D Schimanko auf bachheimer.com)

Für Schimanko ist die Sache jedenfalls noch nicht erledigt, weil noch keine Hintermänner ausfindig gemacht worden sind.

Der Anwalt geht davon aus, dass sich Ramin Mirfakhrai strafbar gemacht hat (was dieser in Abrede stellen lässt) – er scheint aber höchstens noch mit standesrechtlichen Disziplinarmaßnahmen zu rechnen.

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In Deutschland verfolgt man die Entwicklung um die Aufarbeitung der Lauschattacke mit Interesse.

Ein staatsstreich.at-Zusender urteilte, dass sich Mirfakhrai nach im Naschbarland geltenden Recht nicht auf das Anwaltsgeheimnis zurückziehen könne, “weil er selbst in diesen Vorgang involviert ist und darüber hinaus nach eigenen Angaben auch aktiv geworden ist”.

Allenfalls habe Dr. M. das “Schweigerecht des Beschuldigten” -  “beim Anwaltsgeheimnis läuft da (aber) gar nichts!”

Unabhängiger Journalist

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