Klima: Die Kids suchen verlorenen Schlüssel unter der Straßenlaterne

Es gibt einen alten Witz von einem Betrunkenen, der (verbotenerweise) mit dem Auto nachhause fahren möchte, aber bemerkt, dass er die Schlüssel seines Wagens verloren hat.Um sie wiederzufinden geht er zur nächsten Straßenlaterne und beginnt zu suchen. Gefragt, ob er sie dort wohl verloren hat, antwortet er: “Nein, ich bin dort nie vorbeigekommen, aber es ist so schön hell!” Das ist ähnlich dumm wie zu glauben, der Schlüssel in Sachen CO2 sei in Europa zu finden. Eine leider etwas komplizierte Überschlagsrechnung.

Wie die Medien berichten, sind am Freitag in Wien 35.000 Kids jeden Alters auf die Straße gegangen, um von ihren Regierungen (der in Wien und der in Brüssel) mehr Klimaschutz zu verlangen – siehe YT oben.

Auch Nobelpreisanwärterin Greta T. war anwesend. Die Campaigner nennen die Proteste “Klimastreik”.

Klimaschutz besteht, wie in der Schule gelehrt wird, hauptsächlich darin weniger Kohlendioxid auszustoßen.

Das Hauptproblem der Fridays for Future-Veranstaltungen dagegen ist, dass die heutige EU nicht einmal mehr 10 Prozent aller Treibhausgase ausstößt, dass aber gut 90 Prozent aller FFF-Teilnehmer aus Europa kommen

(siehe dazu die Schülerstreiks Mitte März 2019, an denen weltweit 1 Million Schüler teilgenommen haben, wovon 300.000 allein aus Deutschland stammen – siehe hier. In China ist derlei generell verboten und in Indiens Hauptstadt New Delhi gingen ganze 300 Demonstranten auf die Straße).

Ganz allgemein ist, wie Wikipredia schreibt, die Bewegung im sogenannten “globalen Süden”

eine Randerscheinung, ebenso gibt es kaum Zuspruch in China, Südostasien, Korea, Russland und Japan.”

FridaysforFuture_wiki
Screenshot Wikipedia

Im Gegensatz eben zu Europa, wo angebliche Wissenschaftler und echte Lehrer die Demonstranten sozusagen auf die Straße bitten (es gab am Freitag in Wien freilich auch eine Menge ältere Kundgebungsteilnehmer, die über ein ähnlich lausiges Informationsniveau verfügen wie die jungen).

Was stellen die Staaten, aus denen unsere FFF-Demonstranten kommen, in Sachen CO2-Ausstoß nun an?

Ziemlich wenig, um es kurz zu sagen.

10%-Anteil auf zwei Rechenarten

Es gibt unterschiedliche Arten, in denen “dieses Anstellen” ausgedrückt werden kann (die internationale “Treibhausgas-Buchhaltung” ist eine relativ komplizierte Geschichte).

Erstens kann man sagen, dass die 28 EU-Staaten 9,6 Prozent aller CO2-Emissionen ausgestoßen haben, die weltweit durch die Verbrennung fossiler Treibstoffe entstanden sind – siehe z.B. hier oder den Jahresreport 2018 von “EDGAR”.

Das unterschätzt den tatsächlichen Anteil der EU geringfügig, weil in den 3,5 Gigatonnen CO2, die die EU 2017 in die Luft geblasen hat, ihr Anteil an der internationalen Luftfahrt und am internationalen Schiffsverkehr nicht mitgerechnet ist.

Bezieht man den mit ein, kommt man auf rund 10 Prozent der 37,1 Gt CO2, die der Union zuzurechnen sind.

Zweitens kann man die Sache etwas anders kalkulieren, nämlich mit Treibhausgasen rechnen und dabei kommt man auf eher weniger, rund 9,5 Prozent.

Über europäische GHG kann man sich hier, bei Eurostat, informieren.(“env_air_gge”).

Dort liegen heute zwar nur die Zahlen von 2016 vor – dafür sind diese aber umso genauer.    :mrgreen:

Die GHG beinhalten z.B. auch Methan, das aus lecken Erdgas-Pipelines oder von Rinder- (und Menschen-)Fürzen stammt. Um es mit dem wichtigsten Treibhausgas vereinbar zu machen, werden die anderen Treibhausgase in CO2-Äquivalente umgerechnet.

Dazu kommen – buchhalterisch gesehen -. GHG-Emissionen aus der Landnutzung bzw. aus Veränderungen der Landnutzung, auch bei den Wäldern (was im Jargon LULUCF heißt). Das muss dazu- bzw. weggerechnet werden.

Laut Eurostat hat die EU 2016 nun 4.439,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente Treibhausgase produziert, wobei LULUCF und einige andere größere Posten nicht enthalten sind – sehr wohl aber der EU-Anteil an der internationalen Luftfahrt.

Um hier auf eine richtige Größe zu gelangen, muss man ein paar Posten addieren (Schiffsdiesel für Meerestransport, Personen-Schiffahrt und vor allem für die Verbrennung von Biomasse, also Holz) und andere abziehen (LULUCF in diesem Fall).

In Summe und überschlagsmäßig gerechnet, haben die EU-Staaten 2016 damit ungefähr 5.000 Millionen Tonnen CO2e an Treibhausgasen ausgestoßen ( = 5,0 GtCo2e).

Insgesamt wurden auf der ganzen Welt aber 52.800 Millionen Tonnen CO2e ( = 52,8 Gt CO2e) ausgestoßen – siehe dazu z,B. die Emission Gap-Berechnung der UNEP, Folie 5.

Das ergibt an allen Treibhausgasen einen EU-Anteil von 9,5 Prozent – was größenordnungsmäßig der ersten Berechnung zu “menschengemachtem CO2″ entspricht.

55%-Senkung des heutigen CO2-Ausstoßes wäre aber nötig

Wie viel müsste nun aber CO2 “eingespart” werden, um (angeblich) “nur” so viel Kohlendioxid  freizusetzen, dass die Erderwärmung bis 2100 nicht höher ausfällt als durchschnittlich 1,5 Grad C – Greta hat das soeben wieder gefordert (die ganze Rechnung ist wahrscheinlich sowieso Unsinn) ?

Nach den Berechnungen der UNEP wären das 29 bis 35 Gigatonnen CO2e bis 2030, je nach Szenario.

Das wären 55 Prozent weniger CO2-Äquivalente als heute weltweit ausgestoßen werden (UNEP, Emission Gap 2018, Folie 5).

29.000 bis 35.000 Millionen Tonnen sind etwa das Sechsfache des gesamten GHG-Ausstoßes der EU, inklusive der Atemtätigkeit der europäischen FFF-Demonstranten vom Freitag. Helau!

Unabhängiger Journalist

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