Klima: Party der CO2-Trickser

Emissionsziele_2030_4
Basisjahr 2013 (2012 bei Russland)

Heute beginnt ein Klimagipfel, an dem Politiker aus 190 Ländern teilnehmen. In Paris werden sich blauäugige Dummbeutel ebenso wie zynische Rechenkünstler vergnügen, die nur gekommen sind, das Beste aus dem größten Mythos aller Zeiten herauszuschlagen: dass durch menschliche Aktivität entstandenes CO2 der alles überragende Treiber des Klimawandels ist.

Die Europäische Kommission und deren Kollaborateure in den Nationalstaaten gehören günstigstenfalls zur Kategorie der Dummbeutel.

Das ist speziell für die jungen Europäer schade, die im Namen des Umweltbewusstseins angeschmiert werden. Die Verräter sind ironischerweise Leute, die den Anpruch erheben, mit ihren Machinationen deren Lebensgrundlagen zu sichern.

Passieren tut das Gegenteil. Im Zentrum stehen weit in die Zukunft reichende Versprechungen, die die Europäer in die Energiearmut stürzen werden – als erste und ohne Not.

Es sind angeblich freiwillige Promessen, die zunächst nur die Versprechenden binden – z.B. im EU-Beitrag, der im Fachchinesisch INDC genannt wird. Dabei versprechen die 28 Staaten der Union, ihren Ausstoß von Treibhausgasen (GHG) bis 2030 um 40 Prozent zu senken – und zwar gegenüber dem Wert von 1990.

Das entspricht einem Minus von knapp 24 Prozent gegenüber dem heutigen status quo.

Dass ist tatsächlich ein ehrgeiziges Ziel, vor allem angesichts zweier Tatsachen – dass Europa

  • die einzige große Weltregion ist, die bisher tatsächlich Treibhausgase reduziert hat, und zwar um etwa 21 Prozent, siehe hier. Sowie
  • dass es dazu eines industriellen Zusammenbruchs (Osteuropa) und einer Megakrise bedurft hat (2008 ff).

Die Tabelle dazu sieht so aus:

Treibhausgase in Mio Tonnen CO2E
1990 2013  Δ %
EU-28 5680 4477 - 21

Die Volksrepublik China hat im Basisjahr 1990 gerade mal angefangen, diese Gase auszustoßen und die USA produzieren heute (d.h. 2013) 6 Prozent mehr davon. Nur wenn man die Russen dazu zählt, stößt man auf einen anderen GHG-Reduzierer – aber wie gesagt: siehe oben, Punkt 2.

Das heißt, dass die EU in den nächsten 15 Jahren noch einmal das Gleiche drauflegen muss, wenn’s geht, ohne kreative Klimabuchhaltung. Das geht nur, wenn es entweder noch einmal einen größeren Kollaps gibt, oder wenn die individuelle Mobilität mit staatlichen Zwangsmaßnahmen abgewürgt wird.

Die unausgesprochene Haltung dazu ist hier: Wenn’s der Rettung der Welt dient – bitteschön, her damit !

Das Problem ist halt nur, dass die AGW-Prämisse ziemlich fragwürdig ist und dass die EU die Welt auch dann nicht retten könnte, wenn die AGW-Prämisse stimmte. Europa stößt nämlich nur 10 Prozent des weltweiten Kohlendioxid aus.

***

Lassen wir zunächst die USA außen vor und fragen wir uns, was der Rest der Welt zur Rettung der letzteren beitragen will. Die kurze Antwort ist: Nichts, was man in der Art und Weise messen könnte wie den EU-Beitrag.

Eine etwas längere Antwort kann man sich z.B. aus der Analyse der INDCs erarbeiten, die die BRICS-Länder für Paris vorgelegt haben. Die genannten Schwellenländer geben entweder überhaupt kein konkretes GHG-Ziel bekannt (China) oder sie knüpfen es an haarsträubende Rechenkunststückchen (Brasilien). Eine dritte BRICS-Gruppe lässt erkennen, dass sie ihre Emissionen grosso modo konstant halten wird, pfeift, trötet und trommelt aber lautstark – so laut, dass man meinen könnte, dass diese Länder ihren Ausstoß tatsächlich reduzieren werden (Russland, Südafrika).

Besonders nett ist die Haltung Chinas, das nur versprochen hat, nach dem Jahr 2030 seine Emissionen nicht mehr zu steigern – was hierzulande als “Kehrtwende in der Klimapolitik” gefeiert wird (kaum zu glauben, aber wahr). Das Sahnehäubchen ist die Forderung Pekings, die in Paris vereinbarten Ziele bitteschön auch regelmäßig zu  kontrollieren.

Brasilien wiederum verspricht, seine Emissionen bis 2025 um 37 Prozent zu kürzen (gegenüber 2005). Das ist beeindruckend – bis man das Kleingedruckte gelesen hat. Dort steht, dass natürlich die errechneten, nicht die realen Emissionen gemeint sind – jene, die sich daraus ergeben, wenn man den Amazonas-Urwald und dessen künftiges Forstmanagement in Rechnung stellt. Das nennt sich LULUCF oder LUCF (es gibt Unterschiede, aber das wird zu technisch).

Welchen Anteil das Lulu an der brasilianischen Emissionsbilanz hat, lässt sich erahnen, wenn man sich das emissions summary des UN-Klimawandel-Sekretariats ansieht, siehe hier.

Screenshot LULUCF_BRazilBei den letztverfügbaren Zahlen 2005 hat Brasilien pro Jahr “regulär” 863.000 Mio. t GHG emittiert und durch seine Flächennutzung weitere 1.329 Millionen Tonnen, rechnerische Tonnen.

Das war 2005 zwar ein Plus, aber das fällt unter das Kapitel früherer Raubbau. Das ist ferne Vergangenheit und ab sofort schützt Brasilien seinen Regenwald und kann dadurch Hunderttausende Tonnen CO2 einsparen.     ;-)

Was mit diesen (erlaubten, aber kaum überprüfbaren) Rechenkunststückchen alles geht, führen die Russen, aber auch die USA in Perfektion vor. Bereinigt man LUCF, steigen Brasiliens Treibhausgasemissionen jedes Jahr um durchschnittlich 2,7 Prozent.

Und was die Brasilianer können, können die Russen schon lange. Sie haben vor zehn Jahren angefangen, Klimamanagement by Lulu in die Tat umzusetzen, siehe hier.

screenshot Lulu_RussiaDie Russen haben sich zu einem Emissionsziel 2030 verpflichtet, das zwischen 25 und 30 Prozent unterhalb des GHG-Niveaus von 1990 liegt. Es ist nicht ganz klar, welche Berechnung der Treibhausgase damit gemeint ist. Im für sie schlechteren Fall dürfen die Russen ihre Emissionen nur um 6 Prozent (145.000 Mio. Tonnen), im besseren Fall um 45 Prozent oder 800.000 Mio. Tonnen steigern….

***

Das Gesagte ist nicht als spezielle Kritik an der Klimaposition der BRICS zu werten. Es soll hier nur demonstriert werden, dass die Regierungen der BRICS nicht bereit sind, die Interessen ihrer Bürger zu schädigen. Sie spielen “nur” das Spiel des Westens mit und versuchen, dabei das Optimum für sich rauszuholen.

Die Offset-Mechanismen vergangener Perioden sind tot, aber die Industrieländer haben jährlich 100 Milliarden Dollar für Klimahilfen in den Raum gestellt. Da hätten die potenziellen Empfängerländer verständlicherweise gern konkrete Vereinbarungen.    :mrgreen:

***

Zum Schluss noch ein paar Worte zu den USA. Es ist wahr, dass Obama versprochen hat, die US-Emissionen bis 2025 um 26 bis 28 Prozent zu senken (gegenüber dem Basisjahr 2005). Das ist eine Reduktionsverpflichtung, die für die nächsten 10, 15 Jahre durchaus an die Versprechungen der EU heranzukommen scheint – aber:

  • Es ist zweifelhaft, ob dem INDC auch Taten folgen. Das Ganze ist schon einmal durchexerziert worden. In der ursprünglichen Kyotorunde hat Bill Clinton eine Vereinbarung unterschrieben, die nie ratifiziert worden ist.
  • Möglicherweise betrifft der pledge die GHGs inklusive LULUCF, also die rechnerischen Emissionen, und das würde die Sachlage wesentlich ändern – zugunsten Amerikas.
  • Selbst wenn sich der INDC der USA auf die hier abrufbaren echten Emissionen bezieht, würden die Amerikaner “nachhüpfen, was ihnen die EU von 1990 bis 2013 vorgehüpft ist”. Die EU möchte jetzt aber aufdoppeln. Geht alles ehrlich zu und kommt die kreative Klimabuchhaltung nicht zum Zug, vollziehen die Amerikaner die erste, leichtere Etappe des EU-Wegs nach. Man darf dann trotzdem gespannt sein, wie die Amis in den nächsten zehn Jahren 20 Prozent ihrer Emissionen einsparen werden…..

Persönliche Nachbemerkung

Die EU-Verhandler sind Kanaillen, die die oben angerissenen Sachverhalte sehr wohl verstehen – und trotzdem zum Schaden ihrer politischen Basis agieren.

Der einzige Entschuldigungsgrund, der mir für ihr Verhalten einfällt, ist, dass es in Wirklichkeit um die künftige Verfügbarkeit von Erdöl, Erdgas und Kohle gehen könnte und dass Europa in diesem Rennen extrem schlechte Karten hat. Man könnte in einem solchen Fall die Meinung vertreten, dass der eingeschlagene Crash-Kurs die beste Vorbereitung auf eine unweigerlich eintretende Realität ist.

 Nur: Mit gefälschten Narrativen lässt sich eine solche Situation nicht bewältigen, nicht im Rahmen von freiheitlichen Polit-Ordnungen.

In einem solchen Fall müssten die Vorbereitungshandlungen auf die Krise auch ganz anders ausfallen. Man dürfte sich nicht darauf beschränken, den energetischen Strukturwandel voranzutreiben. Man müsste auch dafür Sorge tragen, sicheren Nachschub für fossile Energie zu organisieren – auf Sicht von ein, zwei, drei Jahrzehnten. Vorzeitige Verzichtspolitik bringt nur Nachteile für die eigene Bevölkerung.

Unabhängiger Journalist

Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.