Der Fabrikation von Gründen für den zweiten Irak-Krieg bietet ein interessantes Beispiel für den unheilbaren Schwachsinn der polit-medialen Klasse des Westens – sowie der Skrupellosigkeit von weitgehend außer Kontrolle geratenen Geheimdienstapparaten. Der deutsche SWR hat jetzt ein langes Feature über Curveball ausgestrahlt, jenen Mann, dessen Erzählungen als Vorwand für den Krieg hergehalten haben. Dabei wird klar, dass der Informant nur die Nachfrage nach politischen Lügen gedeckt hat.

“Al Hakam war ja schon enttarnt, und (aber) ich spürte, dass es bei Al Hakam etwas gab, das mich zu einem Ergebnis bringen würde. Kennen Sie das Spiel: Du brauchst was und ich brauch’ was. Also wir beide benötigen was Bestimmtes.” Curveball alias Rafed Ahmed Alwa

Die TV-Doku Krieg der Lügen wurde vor zwei Tagen spät in der Nacht vom SWR ausgestrahlt. Sie ist derzeit noch in der Mediathek zu sehen, auf Youtube findet sich ein Teaser (Screenshot oben)..

Beim Sehen der Doku des ARD-Senders drängt sich eine Erkenntnis auf: Hier hat jemand – aus welchen Gründen immer – schon zu einem seltsam frühen Zeitpunkt eine politische Nachfrage erfüllt, die real eigentlich erst Jahre später entstanden ist.

Der Mann mit dem Decknamen Curveball diente sozusagen als Kronzeuge des damaligen amerikanischen Außenministers Colin Powell, als dieser im Februar 2003 im UNO-Sicherheitsrat beteuerte, es gebe gesicherte Fakten über ein irakisches Programm zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen.

Die “Beweise”. die Powell damals anführte, waren drei Jahre vorher unter Anleitung des deutschen Bundesnachrichtendiensts (BND) entstanden.

“Dr. Paul meinte, Du hast doch jetzt 2 Zimmer. Mach doch eines zum Arbeitsplatz! Er kaufte mir ein Zeichenset für geometrische Zwecke. Er wollte, dass ich für ihn etwas entwerfe. Er hat mir schwierige Aufgaben gegeben. Es gab einiges, was ich noch nicht kannte und was ich, ehrlich gesagt, erst durch die Bücher (die er mir gegeben hat) gelernt habe.

Dr. Paul meinte: ‘Wenn Du für Al Hakam verantwortlich wärst und die UNO-Inspektoren kommen und du willst es verstecken, wie würdest Du es machen? Ich nahm den Entwurf von Al Hakam und habe ihn auf drei LKW übertragen (…) Er war überzeugt und zufrieden. Er wusste, dass alles nur ein Fantasieprodukt ist, das auf der Anlage von Al Hakam basiert.”

Die Art, wie dieses Fantasieprodukt in die Hände der Bushs-Neocons kam, ist eine eigene Geschichte, die der SWR nicht berichtet. Curveballs Erzählungen flogen schon 2000 auf und der Informant wurde vom BND mehr oder minder abgeschaltet.

Dann gab es eine zweijährige Ruhepause, in der 9/11 “passierte”.

Danach bemühte sich die Bush-Administration fast ein Jahr lang ebenso intensiv wie vergeblich, einen Grund für den zweiten Irak-Krieg zu finden (“Kooperation mit islamistischen Terrorgruppen”, “Yellowcake aus Niger”).

Der dritte “Versuch”, der dann notgedrungen klappte, war das Entmotten und Aufmotzen von Curveballs Erzählungen – was offenbar gegen den passiven Widerstand des BND und der deutschen Regierung (Schröder/Fischer) passierte.

Es muss seitens der CIA ein Akt der Verzweiflung gewesen sein – denn der Mann war alles andere als ein leidlich  präsentabler Zeuge. Er war zwar in Saddams militärisch-industriellem Komplex angestellt gewesen, hatte aber nicht zu den Geheimnisträgern gehört.

Doch in der Not frisst der Teufel Fliegen. Rafed muss der vergleichsweise noch bestaussehende Kronzeuge gewesen sein.

Die Schoßhündchen-Medien (“vierte Gewalt”), die offensichtlich bereits damals keinen Tau hatten (und auch nicht versuchten, einen solchen zu kriegen), schluckten den im Nordirak aufgetauchten Nachbau der erfundenen Curveball-Skizzen aus dem Jahr 2000 aber anstandslos.