MH-17: Falsches Sat-Foto soll Abschuss aus Luft diskreditieren

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Killshot vor Google Earth-Kulisse

Ein gefälschtes Beweisstück, das am Samstag über einen russischen Nachrichtensender an die Öffentlichkeit “gespielt wurde”, zeigt das Ausmaß des Informationskriegs, der um die Ukraine tobt. Eigentlich ist es schon ein Weltkrieg. Der Fall zeigt die Macht der Geheimdienste und Blogger und die Hilflosigkeit des traditionellen Journalismus.

In den Abendnachrichten des größten russischen TV-Senders wurde eine Satellitenaufnahme veröffentlicht, die den Moment dokumentieren soll, in dem am 17. Juli ein Militärjet die MH-17 abgeschossen hat – mit allem drum und dran, inklusive “Kondensstreifen” der abgeschossenen Rakete.

Russen-Präsident Putin weilte zu dem Zeitpunkt beim  G-20-Gipfel in Brisbane, wo er von den dort versammelten Politikern der Weltgemeinschaft, äh, ich meine: der USA und ihrer Verbündeten aufgefordert wurde, sich für den von ihm ermöglichten Abschuss der malaysischen Boeing zu entschuldigen.

Der Gedanke, dass Putin über “sein” staatliches Fernsehen nun (echtes) Beweismaterial aus dem “Giftschrank” der russsischen Militäraufklärung verbreitete, lag für viele zum Greifen nahe. Für Tausende schien der sehnsüchtig erwartete Moment gekommen zu sein; der Moment, an dem Russland sein wahres Blatt aufdeckte.

Es war eine Illusion.

Die Story fiel binnen Stunden in sich zusammen wie ein Soufflé. Sie war im Prinzip bereits erledigt, bevor die meisten russischen Medien sowie die dissidenten Blogs im Westen auf die scheinbare Sensation aufspringen konnten.

Sputnik (ehemals Ria Novosti), TASS and RT, alle staatlich oder staatsnahe, hielten sich demonstrativ von der Story fern, ebenso ein Teil der traditionellen westlichen Medien, die darin eine Fabrikation des FSB vermuteten.

Interessanterweise wurde sie trotzdem von einer großen Zahl traditioneller West-Medien übernommen, auch welchen, die zuvor an den vom russischen Verteidigungsministerium vorgelegten Radaraufnahmen nicht/kaum interessiert gewesen waren.

Die Detektivarbeit, die den Bericht unterminierte und nahezu in real time zusammenbrechen ließ, erledigten Hunderte Blogger auf der ganzen Welt, Russland inklusive – und fast sieht es so aus, als wären diese Leute weitgehend ohne das Know-how bzw. die Irreführung durch die militärisch-industriellen Apparate ausgekommen. Das gesammelte Wissen um (zivile) Luftfahrt, Fotografie, Bildbearbeitung sowie physikalische Grundkenntnisse und der “gesunde Hausverstand” waren völlig ausreichend. Für dieses Mal.

So musste von Anfang an jedem klar sein, dass es sich nicht um ein Foto aus dem Orbit handeln konnte, schon deswegen, weil die gezeigte Boeing viel zu groß war. Irgendein anonymer Poster hat die angebliche MH 17 mit einer 10.000 Meter darunter liegenden Landebahn verglichen und geulkt: “Wenn die Aufnahme von einem Satelliten gemacht wurde, dann muss das dieser Flugzeugtyp mit dem vier Kilometer langen Rumpf gewesen sein.”

Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, warum dies nicht schon den Channel One-Journalisten und einem von diesen befragten russischen Techniker aufgefallen ist.

Das Bild war offenbar aber auch keine Aufnahme aus einem höher fliegenden Aufklärungsflugzeug, wie sich bald herausstellte (zumindest nicht von einem am 17.7.2014 absolvierten Flug). Die Erdoberfläche ist offenbar aus (historischen) Google Earth-Aufnahmen zusammengestoppelt, wie sich an charakteristischen Wolkenformationen erkennen lässt und die “Hauptakteure” waren per Photoshop eingepasst. Die Ansicht von der angeblichen 777 stammt aus einer Bildgalerie des Herstellers, zeigt in Wirklichkeit aber eine 767.

Einer der schnellsten und besten Analysten war der französische Blogger Olivier Berruyer. “Ist CNN inkompetent, oder handelt es sich um bewusste Desinformation?” fragte Berruyer schon früh und war damit schon im Herz der zwingend folgenden Debatte angelangt.

Diese kreist um die Frage: “Wer hat diese (relativ) leicht zu erkennende Fälschung verfertigt und wer hat sie aus welchen Gründen verbreitet ?”

Darüber lässt sich stundenlang diskutieren und ich habe hier nicht die Zeit und die Lust, die Frage erschöpfend zu diskutieren.

Fragt man danach, wer die verbreitete Botschaft am liebsten gehört hätte, landet man zuerst bei Gruppen, die die konventionelle Theorie nicht glauben können oder wollen – dass nämlich die neurussischen Milizen die Boeing mit einer SAM vom Himmel geholt haben: bei den “Russen”, NATO- und Ukraine-Kritikern und sonstigen abweichlerischen Westlern. Auch das offizielle Russland favorisiert unterschwellig einen Abschuss aus der Luft und daher könnte es auch einer der vielen russischen Geheimdienste gewesen sein. Theoretisch.

Das erscheint mir aus zwei Gründen aber ziemlich unwahrscheinlich:

  1. Wenn hinter dem Foto eine tatsächliche, nachhaltige Täuschungsabsicht steht, dann würde es sich um die schlechteste staatliche Fälschung seit langem handeln, zurückreichend bis ins 14. Jahrhundert. Einen derartigen Schnitzer traue ich dem FSB ehrlich gesagt nicht zu.
  2. würde es bedeuten, dass der FSB seinen Desinformations-Coup über einen russischen Staatssender lanciert hätte – so simplistisch sind nicht einmal mehr seine Vorgänger in den 1960er-Jahren vorgegangen.

Nein, die Operation sieht eher nach einer mit einem leckeren Köder versehenen Falle aus, nach dem Motto: Lock’ die Anhänger der Theorie vom Abschuss aus der Luft zu dir und hole vor allem die russische Öffentlichkeit an Bord (die dieser Version sowieso mehrheitlich anhängt). Lass sie drei Tage triumphieren und rufen: “Wir haben es schon immer gesagt !” So vernehmlich, dass es wirklich jeder mitkriegt.

Zieh ihnen dann aber den Teppich unter den Füßen weg – ansatzlos und brutal. Lass die dir gewogenen Blogger die Fälschung “debunken”. Lass sie genüsslich ausbreiten, “wie dämlich man sein muss, um auf so einen Schwindel hereinzufallen.”

Wetten, dass dann nur mehr wenige Lust haben, die Theorie vom Abschuss der MH 17 aus der Luft zu verteidigen ?

Foto: www.1tv.ru, Internet

 

Unabhängiger Journalist

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