Ö: Die Raucher in den Wirtshäusern und die direkte Demokratie

Man lighting his pipe, by Abraham Teniers (1629-1670)
Zurück in die Zukunft?

In Österreich gehen die Wogen rund um ein Rauchverbot hoch, das die neue Regierung angeblich abschaffen ( d.h. abmildern) will. Ziel ist es, speziell die kleinere Regierungspartei zu treffen, weswegen nach jedem verfügbaren Wurfgeschoß gegriffen wird – bis hin zu arkanen Details (“Initiativantrag”). Der größte Witz ist aber, dass “Volksabstimmung nicht geht”,  weil Referenden aus europapolitischen Gründen bis 2021 verschoben wurden.

Man müsste Tränen lachen, wäre es nicht so ernst.

Das totale Rauchverbot in Wirtshäusern ist ein Thema, das die hiesige Bevölkerung wirklich spaltet.

Man braucht in Wien nur einmal die Ohren aufzumachen:

Da kochen neue Schwarzblau-Wähler vor Zorn auf die Regierung – und Immerschon-Sozialdemokraten geben sich pötzlich ganz versöhnlich und altersmild.

Jede(r) hat eine Meinung.

Es ist, als ginge es um Sein oder Nichtsein von Staat & Nation – und nicht darum, ob die einen “ihrem schädlichen Laster frönen dürfen” während sich die anderen “schädigen lassen müssen”, an Orten, die sie selbst aufsuchen, zu 90 Prozent freiwillig.

Dass es ein paar wichtigere Fragen geben könnte als das Rauchen in der Gastronomie scheint freilich auch an vielen Politicos und ihren Medien-Schoßhündchen vorbei gegangen zu sein.

Es wird auf Teufel komm raus emotionalisiert und aus der Perspektive gerissenwas dem Vorgehen entspricht, dessen sich eigentlich nur die bösen Rechtspopulisten befleißigen.

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Mindestens – wird von den Rauchverbotsabmilderungskritikern jetzt verlangt – müsse sofort eine Volksabstimmung angesetzt werden (etwas, das üblicherweise als “politisch kulturfremd” abgelehnt wurde, bisher wenigstens).

Speziell die FPÖ habe die direkte Demokratie ja immer vor sich hergetragen, erklärten die Kritiker (zu Recht).

Die österreichischen Rechtspopulisten haben freilich – Schneider, Schneider leih’ ma d’Scherauch die Seite gewechselt und wollen nun super-seriös und repräsentativ-demokratisch sein.

Weswegen der zum Vizekanzler mutierte HC hinter seriöser Vizekanzler-Brille etc. zu Protokoll gibt:

Keine Volksabstimmung vor 2021.”

Dabei scheint ihn nicht zu stören, dass die größten Befürworter der Rauchverbotsabmilderung, die Wirtschaftskammer-Wirte, eigentlich Protegés seines unsichtbar bleibenden Regierungspartners sind (die dummen Journos wollen das nicht bemerken).

Strache begründet sein Nein – faktisch ebenfalls korrekt – mit dem Koalitionspakt, den er mit den Schwarzen (‘tschuldigen: den Türkisen) geschlossen hat, verzichtet aber drauf, den zentralen Grund zu nennen, warum vor 2021 keine Volksabstimmung möglich ist, nämlich:

dass Kanzler Basti keinesfalls eine VA über eine EU-Mitgliedschaft haben möchte (es wurde übrigens ein “zweiter Sicherheitsmechanismus” gegen eine solche Eventualität eingebaut – sicher ist sicher).

Strache ist auch nicht ins Detail gegangen, was ihn letztlich bewogen hat “die Krot zu schlucken” und damit speziell “seinen” früheren Präsidentschaftskandidaten (und heutigen Minister) zu desavouieren.

Siehe dazu diesen meinen Eintrag über den Total-Umfaller der FPÖ re Referenden & Co.

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Direkte Demokratie scheint jedenfalls bis 2021 vertagt zu sein (auf dem Begriff “Volksbegehren” steht – wie jeder weiß – ohnedies ganz groß “Salzamt” geschrieben).

Das gilt für auch für offen Petition genannte Petitionen wie die von der Wiener Ärztekammer initiierte laufende Online-Aktion “Don’t smoke”,

die bislang erfolgreichste (Online-Petition) der österreichischen Geschichte.”

Bumsti, das war jetzt aber kreativ.

Dieser Blogger muss gestehen, dass er keine aktuelle Hitliste der Online-Petitionen zur Hand hat (das sind die, bei denen man pro IP-Adresse fünf “Unterschriften” leisten kann).

Aber er hat sich auf Wikipedia die Liste der österreichischen Volksbegehren angeschaut und ist zum Schluss gekommen, dass das bisher populärste  schubladisierte Volksbegehren der Zweiten Republik das gegen den Bau eines Konferenzzentrums in Wien gewesen ist, das von knapp 1,4 Millionen Bürgern (wirklich) unterschrieben wurde.

Bis diese Marke erreicht ist, müssen nur noch 900.000 Mausklick-Unterschriften geleistet werden.

Bild: Abraham Teniers [Public domain], via Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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