Schreck gekriegt: Wiener Polit-Kartell begrenzt Präsidentenmacht

Alexander van der Bellen dürfte der erste Politiker der Weltgeschichte sein, der – noch gar nicht im Amt -, schon die Kompetenzen seiner künftigen Funktion einschränken will. Was zuerst skurril klingt, ist völlig logisch: Die nur um Haaresbreite gewonnene österreichische Bundespräsidentenwahl hat dem politischen Establishment gezeigt, welche Gefahr ihm von einem Präsidenten droht, den es nicht kontrolliert.

Unsere Politicos und ihre Hofberichterstatter versuchen, dieses Reformvorhaben” als demokratische Tat darzustellen – es ist freilich das genaue Gegenteil.

Man will verhindern, dass ein von den Mächtigen unabhängiger Präsident über Instrumente direkter Demokratie deren Kreise stört. Es geht darum auszuschließen, dass – sozusagen über die Hintertür - eine Schrumpfform von Gewaltenteilung entsteht – eine zwischen dem Präsidenten und den okkupierten restlichen politischen Institutionen.

Dabei wird getan, als müssten nun genuin antidemokratische Befugnisse entfernt werden, die dem Amt im Vorfeld von Ständestaat/Nationalsozialismus, 1929,  zugewachsen sind.

Eine Formal-, die zur Systemfrage würde

Naiven Menschen, die an den behaupteten “antifaschistischen Auftrag” der Machthaberer glauben, geht solches Zeug wie Öl die Kehle runter. Diese Leute wollen die wirklichen Absichten der Politicos gar nicht erst entziffern, zum Beispiel in diesem Fall:

Auch ob der Bundespräsident Gesetze beurkunden soll, stellt Lopatka zur Diskussion.”

Lopatkas rotes Pendant formuliert die gleiche Sache mit dem Vokablular der Haushaltsführung. Andreas Schieder will, sagt er,  eine

„Entrümplung der Kompetenzen“, die “nicht mehr zeitgemäß sind”.

Wie üblich halten die Politicos der früheren Großparteien das Publikum für ziemlich dumm.

Was sie wegsäubern wollen, könnte bei einer tatsächlich unabhängigen Person im Amt zu einer Frage von Leben und Tod ausarten (für das Kartell).

Das betrifft weniger die “Ermächtigung zur Auflösung des Parlaments” (die 1933 NICHT zum Ende der parlamentarischen Demokratie geführt hat).

“Nicht mehr zeitgemäß” ist für Schiepatka vor allem die Beurteilung, ob ein Gesetz korrekt zustandegekommen ist.

Diese obliegt bis jetzt dem Präsidenten, der seine Unterschrift unter die Akte des Parlaments setzen muss. Das darf/muss der Bundespräsident auch bei internationalen Verträgen und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Das Machtkartell will niemandem, den es nicht unter der Knute hat, ein (verbindliches) Urteil darüber zugestehen.

Zum Beispiel im Fall des Transatlantischen Handels- und Investitionsvertrags TTIP.

Der gescheiterte Kandidat Hofer hätte die Kompetenz, die nun abgeschafft werden soll, dafür “zweckentfremdet” die Staatsbürger über den Vertrag abstimmen zu lassen. Das geht natürlich gar nicht.

Oder beim vom Parlament durchgewunkenen EU-Fiskalpakt sowie dem Eurorettungsvehikel.

Wie erinnerlich, wurden die beiden unpopulären Gesetze im Sommer 2012 durch den Nationalrat gepeitscht (das ESM-Verfassungsgesetz mithilfe der Grünen) und es kann keinerlei Zweifel darüber bestehen, dass “ein Präsident Hofer” auch damals eine Volksabstimmung angesetzt hätte (während unser jetzt abgehender Bundes-Heinzi brav beurkundet hat).

Einen “aktiven Präsidenten” hindern zu wollen, die direkte Entscheidung durch das Volk zu suchen, wäre à la longue vielleicht juristisch erfolgreich (nach langen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof), politisch aber ein Desaster. Die Machthaberer von Wien müssten offen zeigen, dass sie gar keine Entscheidung durch den “Souverän” wünschen.

Spätestens an diesem Punkt wird klar, warum

  • ein vom Kartell unabhängiger Kandidat unter keinen Umständen Präsident werden durfte und
  • was mit dem Vorwurf, jemand sei antieuropäisch, wirklich gemeint ist. Für unsere Glühenden Europäer bedeutet europäisch, dass umgesetzt wird, was sie selbst (und ihre Führungsoffiziere) für europäisch halten – ohne sich scheren zu müssen, was der Demos dazu meint.

Nachholen, g’schwind  !

Nun kann man aus guten demokratiepolitischen Gründen die Meinung vertreten, dass es einer Einzelperson nicht gestattet sein soll, Gesetze zu verzögern, die rechtmäßig gewählte Parlamentarier beschlossen haben.

Es gibt freilich ein noch besseres demokratiepolitisches Argument. Es lautet: Warum sollte es 183 “Volksvertretern” gestattet sein, in zentralen Fragen des Staats nicht auf die Meinung des Volks zu hören ?

Nun hat bereits vor der Stichwahl zum Bundespräsidenten eine Debatte über die Befugnisse eingesetzt, die ein Bundespräsident Hofer hätte nutzen können, um die Macht von Regierung und Parlament einzuschränken.

Christian Ortner hat über diese Diskussion hier geschrieben und seine Analyse lässt sich so zusammenfassen:

Wenn die Machtfülle des Präsidenten tatsächlich so eine Bedrohung darstellt – warum haben SPÖ und ÖVP daran jahrzehntelang nichts geändert?”

Die Antwort darauf (die Ortner natürlich weiß) lautet: Weil das Kartell bisher sicher sein konnte, dass kein von ihm unabhängiger Kandidat in’s Amt kommen würde.

Diese Gewissheit wurde in den vergangenen Bundespräsidentenwahlen nachhaltig erschüttert.

Doch – “Glück gehabt” – der Kandidat des Establishments hat in einem unglaublichen Fotofinish noch einmal das “Ruder herumgerissen” ( = die Wahl wurde entsprechend manipuliert).

Hofers Fast-Durchmarsch war der “Weckruf” für unsere Kartellanten, die jetzt rasch ändern wollen, was sie über Jahrzehnte verabsäumt haben.

Eine solche Verfassungsänderung ist problemlos möglich, solange es eine Zweidrittelmehrheit dafür gibt. Und SPOVP verfügen derzeit noch über diese Majorität – mithilfe der “oppositionellen” grünen Fraktion.  

Unabhängiger Journalist

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