Eine Zuarbeiterin der NSA hat einen Bericht geleakt, der zeigen soll, dass sich ein russischer Dienst bemüht hat, Material zur Beeinflussung der US-Wahlen 2016 zu stehlen. Der Bericht ist wenig aufschlussreich, die Umstände seiner Publikation aber schon. Es dürfte sich um einen Fall von sheep dipping handeln, einer seit langem gebräuchlichen militärisch-geheimdienstlichen Praxis. Mit ihr lassen sich u.a. “Gesinnungstäter” fabrizieren, im Extremfall Präsidentenmörder.
Sheep dipping bedeutet, sinnngemäß übersetzt, eigentlich Eintunken von Schafsköpfen - was den Vorgang in jenen Fällen, in denen die “menschlichen Ressourcen” gebraucht und zerstört werden, recht gut beschreibt.
Das trifft freilich auf einen Großteil der Fälle nicht zu.
Im Regelfall wird damit die (scheinbare) Verwandlung von Soldaten in Zivilisten bewerkstelligt, die in ihrem “neuen Leben” alles Mögliche anstellen können.
Werden sie geschnappt – nun, dann hat es sich eben um einen Ex-Soldaten gehandelt, der auf Abwege geraten ist: “Wir haben nichts mehr mit ihm/ihr zu tun.”
Fletcher Prouty, ein pensionierter Air Force-Offizier, hat den Mechanismus in seinem Buch Secret Team recht gut beschrieben, beispielsweise anhand untergetauchter und als “Zivilisten” wieder erscheinander US-Militärs in Laos.
It is an intricate Army-devised process by which a man, who is in the service as a full career soldier or officer, agrees to go through all the legal and official motions of resigning from the service. Then, rather than actually being released, his records are pulled from the Army personnel files and transferred to a special Army intelligence file. Substitute but nonetheless real-appearing records are then processed, and the man “leaves” the service.” (Prouty, S. 181)
Das alles ist in einschlägigen Kreisen bekannt und auch weltweit so verbreitet, dass es nur einen Gähnreiz auslöst.
Starker Tobak und lediglich für “echte Verschwörungstheoretiker” geeignet sind freilich jene Einzelfälle, in denen ausgeschiedene Militärangehörige plötzlich auf Präsidenten schießen wie Lee Harvey Oswald oder Amtsgebäude in die Luft jagen wie Timothy McVeigh.
Solche Leute zeichnen sich dadurch aus, dass sie für radikale Ideen linker oder rechter Art ein offenes Ohr und auch einen diesbezüglichen “record” haben.
Diese Verbrecher werden über Führungsoffiziere einer politischen Tat “zugeführt”, die sie aufgrund ihrer Überzeugungen ohnedies auszuführen bereit sind – und dann allein gelassen (notfalls hilft der agierende Dienst nach, um die gewünschte Wirkung zu erzielen).
Die “Täter” werden von den zivilen Sicherheitsbehörden in Windeseile geschnappt und an die Justiz übergeben.
Die für die Öffentlichkeit bestimmte Legende, die sie selbst – ohne sich dessen bewusst zu sein – gestrickt haben, sitzt eben deswegen wie angegossen.
In besonders schweren Fällen wartet der elektrische Stuhl auf diese Leute. Der bringt sie auf immer zum Schweigen.
Ein eingetunkter Schafskopf scheint auch Reality – vormals Sarah – Winner zu sein, die den jüngsten NSA-Report über die “russischen Hackerangriffe” auf VR Systems in Florida weitergegeben hat.
Auch dieser Bericht ist inhaltlich ein nothing burger und könnte sogar eine komplette Fabrikation sein (das Dokument stammt vom März 2017, die in ihm enthaltenen angeblich entscheidenden Informationen erst aus dem April).
Jedenfalls ist er selbst unter den günstigsten Annahmen politisch nicht operationalisierbar. Das spricht nicht eben dafür, dass der Text aus der “demokratisch-liberalen” Ecke kommt.
Sarah-Reality Winner hält den neuen Präsidenten für “ein Stück Scheiße” und sammelt Autographen von liberalen CNN-Journalisten, wie ihrer facebook-Seite zu entnehmen war. Sie ist, so gesehen, eine geradezu perfekte Verräterin von Staatsgeheimnissen der Ära Trump.
Bis vor kurzem war sie Angehörige der Air Force, für die sie Übersetzungen aus westasiatischen Sprachen gemacht hat. Dann hat sie dort den Abschied genommen und für einen privaten Vertragspartner in einer NSA-Einrichtung in Augusta, Georgia, zu arbeiten begonnen.
Dort bekam sie den Report über die “russischen Hacker” in die Finger, den sie kopierte und an die online erscheinende Aufdeckungsplattform Intercept schickte.
Das ist die erste krasse Fehlleistung, die einer speziellen Erklärung bedarf.
Es seit seit Jahrzehnten bekannt, dass Kopierer mithilfe von mit freiem Aug nicht sichtbaren Bildpunkten in den Kopien eine ID weitergeben, die für Informierte entschlüsselbar ist. Das macht die Identifizierung der Geräte, mit denen Kopien angefertigt wurden, kinderleicht.
Reality ignorierte das (oder wusste es nicht). Wenn sie es wusste, muss sie davon ausgegangen sein, dass jemand eine schützende Hand über sie halten würde.
Die zweite Seltsamkeit ist der Umstand, dass Intercept im Zug seiner Recherche die Behörden in den USA kontaktiert hat und dabei Information über die Quelle weitergegeben bzw. möglicherweise sogar ein Faksimile veröffentlicht hat.
Das ist “geheimhaltungstechnisch” ein derartiger Anfängerfehler, dass nur schwer zu glauben ist, dass er unabsichtlich erfolgt ist. Schon gar in einem Medium, das zu den ständigen Begleitern von Edward Snowden zählt.
Nur Stunden nach der Veröffentlichung der Intercept-Geschichte wurden Realitys Wohnung durchsucht und Anklage gegen sie erhoben. Ihr drohen jetzt zehn Jahre Haft.
Im Kongress – aber auch in den mit Reality “sympathisierenden Medien” – zeichnet sich immer stärker der Konsens ab, dass solchen Praktiken endlich ein Riegel vorgeschoben werden müsse und Leaker in Handschellen bzw. hinter Gitter gehörten.
Das ist etwas, dem sich auch die veröffentlichte Meinung und der Trump feindlich gesinnte Geheimdienst-Komplex nicht verschließen können.
Bild: Twitter-Account Julian Assange.
Literatur: Fletcher Prouty, The Secret Team. The CIA and its Allies in Control of the United States and the World. 1997
Für Englisch-Leser ein paar weiterführende Links zu der Geschichte:
How The Intercept Outed Reality Winner
NSA Leaker ‘Reality Winner’ Already Feels Like A Ham-Handed PsyOp
Schrödinger’s Hack: The NSA’s Report on Russia Hacking the US Election
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