Katar-Krise: Eine alternative Lesart, jetzt neu mit Erwähnung Ankaras

Die arabischen Hofdamen im Tross der saudischen Royals haben jeden Kontakt mit Katar abgebrochen, das sie der Iranfreundlichkeit sowie der Unterstützung sunnitischer Terroristen beschuldigen (was meist einander entgegengesetzte Dinge sind). Vorübergehend scheinen die Fronten wieder übersichtlicher: Trump-Amerika bildet mit Russen, Saudis und Persern eine Mannschaft, das Team Moslembruderschaft setzt sich aus Türkei, Katar, ISIS, Netanjahu-Israel, Clinton-Amerika und Merkel-Europa zusammen. NB zur FT-Räuberpistole.

Teheran, mit mehrtausendjährigem Wissen um amoralische Staatskunst gesegnet, wusste gleich, woher der Wind weht und kommentierte zynisch: “Das war wohl der erste Riss in der (Anti-Iran-)Koalition und auch das erste Ergebnis des Schwerttanzes in Riad.”

Mit dem Schwerttanz war jene folkloristische Darbietung gemeint, die man in Riad dem amerikanischen Präsidenten bei dessen Saudiarabien-Reise geboten hat.

Das Video zeigt den breit grinsenden Donald, wie er zusammen mit den lokalen Beduinen-Darstellern ein Tänzchen wagt (sogar der hinfällige König Salman ließ es sich nicht nehmen mit zu tun).

Die (natürlich nicht anwesenden) Iraner waren bei dieser Gelegenheit der rhetorische Prügelknabe vom Dienst – wie sich’s halt gehört unter Wahhabiten-Freunden aus der Region;

was freilich nicht unbedingt ernst zu nehmen ist. Iran-Bashing ist nämlich nur ein protokollarisches must für Staatsgäste in Riad.

Ernst nehmen tun das höchstens mit den ortsüblichen Gepflogenheiten Unverstraute.

Wichtiger war, dass Trump seine regionalen Bündnispartner auf den Kampf gegen den sunnitischen Terrorismus eingeschworen hat.

Was der zynische Zwitscherer aus Teheran konkret meinte, ist:

Die oben beschriebene Koalition der Iran-Feinde kann spätestens seit dem Staatsbesuch Trumps auch nicht mehr auf die Saudis und ihr arabisches Gefolge rechnen (was in der Öffentlichkeit natürlich verschwurbelt werden muss).

Nix mehr ist’s offenbar auch mit der geplanten Gasleitung vom Nordfeld in Katar, über Israel, Syrien und die Türkei nach Europa.

Katar kann sich das abschminken. Wenn künftig Gas aus dem Nord-Feld nach Europa fließt, kommt es aus demselben, aber anders benamsten Vorkommen im Iran.

Es sei denn, das Team Moslembruderschaft gewinnt in Syrien doch noch oder hat ein spezielles As im Ärmel, mit dem der Lückenschluss zwischen Israel und der Türkei bewerkstelligt werden kann.

Diese beiden Staaten sind auch die Kapitäne der Spielgemeinschaft B, wobei Israel dafür formal gar nicht qualifiziert ist.

Dafür gibt’s die Erdogan-Türkei mit ihrer glorreichen Imperial- und Kalifatsvergangenheit. Die könnte mal wieder einen Kalifen stellen, hundert Jahre sind ein ganz schöner Zeitraum.

In die Außenpolitik von Erdo und Davutoglu(-Nachfolgern) tät’s schon passen und historische Erfahrung als Beherrscher des arabischen Raums hätten die Türken auch.

Das ist natürlich eine frontales Konkurrenzprojekt zu den Saudis, die sich als Hüter der Heiligen Stätten als Numero Uno der islamischen Welt verstehen.

In so einer  Position reagiert man gar nicht amüsiert, wenn der kleine Bruder aus Doha einen Deal nach dem anderen mit Ankara schließt, siehe hier, hier und hier.

Edit, 5.6.2017, 23.45 Uhr: Dubai wurde Doha, die Städte zu Stätten.

NB, 6.6.2017, 10.00 Uhr. Die FT bringt uns zur Katar-Causa  die 1002. Geschichte Scheherazades (ja klar, das war keine Araberin).

Die FT-Story ist so gut erfunden, dass sie prinzipiell wahr sein könnte (und in Teilen wohl auch ist) – weil nämlich alle Aristo-Familien aus der Golfregion horrende Lösegeldsummen für Angehörige bezahlen. Der Teufel der FT-Geschichte steckt freilich im Detail, siehe unten.

Die originale FT-Saga befindet sich hinter ihrer paywall hier, kann aber auch bei zerohedge nachgelesen werden.

Sie geht so: 26 Mitglieder der fürstlichen Familie von Katar sind bei einer Falkenjagd im Süd-Irak von proiranischen Milizen entführt worden, damit sie als “Bezahlung” für 50 schiitische Milizionäre dienen konnten, die in Syrien von islamistischen Jihadis gefangen genommen wurden.

Wie sich herausstellte, war freilich noch eine Zuzahlung von 1 Mrd. Dollar nötig, von der  700 Millionen Richtung Iran & Co.  und 300 Millionen an sunnitische Terrorgruppen flossen (wie man sieht, haben die Kataris hauptsächlich die Hisbollah finanziert   :mrgreen:   ).

Das erbitterte die restlichen Golf-Fürsten derart, dass sie die diplomatischen Kontakte mit Katar abbrachen und dabei ein paar nordafrikanische Staaten wie Ägyptren mitnahmen.

Erzählt wurde die Geschichte der FT von anonymen Regierungsquellen aus der Region, und bestätigt wurde sie ihr – “check und doublecheck” – von den entführenden schiitischen Milizionären, die es echt unfair finden, dass vom Lösegeld 400 Mille nach Teheran gingen, wogegen nur 300 Mille bei ihnen verblieben.

Herr im Himmel!

Unabhängiger Journalist

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