Seit Juli sind die Ölpreise um neun Euro pro Barrel gesunken, was jedem Dieselfahrer eigentlich 7,5 Cent pro Liter ersparen müsste. Trotzdem sind die Benzinpreise nicht gesunken und auch der Staat hat nicht weniger Steuern genommen (immerhin nicht mehr – fair bleiben!). Die wahrscheinlichste Lösung dieses Rätsels ist, dass sich die Republik und die Mineralölwirtschaft die Kohle brüderlich geteilt haben. Also Reinhold Mitterlehner und Gerhard Roiss, die hier stellvertretend für jene Teams abgebildet werden, für die sie antreten.
Vor drei Monaten, am 11. Juli , wurde für ein Fass Brent noch etwas mehr als 78 Euro gezahlt, wie sich der Datenbank von Finanzen.at entnehmen lässt. Hier ist der Screenshot:
Drei Monate später, am 10. Oktober, berichtet die Nachrichtenagentur AFP, dass der Ölpreis auf ein neues Vierjahrestief gefallen sei, das Fass koste in Euro nur mehr 69 Euro. AFP leitet die Meldung salopp mit “Gute Nachrichten für Autofahrer” ein.
Das bedeutet, dass in den drei Monaten der Ölpreis um etwa neun Euro pro Fass oder elf Prozent gesunken ist (in Dollar um einiges mehr.)
Aber haben die Autofahrer wirklich etwas von diesem durch und durch manipulierten Ölpreisrückgang gehabt, wie die französische Agentur das nahelegt ?
Mal nachrechnen….
Meine Quelle für die Konsumentenpreise sind die Daten aus dem Spritpreismonitor, den das Wirtschaftsministerium jede Woche veröffentlicht. Ich habe zwar den Verdacht, dass mit derlei Daten ständig gelogen wird, aber wenn das hier der Fall ist, hat sich der Staat sicher nicht schlechtergerechnet. Wenn an den Daten herumgedoktert worden ist, dann sind die echten Konsumentenpreise und Steuern eher gestiegen, was in einer Zeit stark fallender Ölpreise natürlich peinlich wäre.
Aber nehmen wir doch das Wirtschaftsministerium beim Wort. Offiziellere Angaben wie diese gibt’s wirklich nicht. Folgend eine Tabelle mit den Bruttopreisen, den Nettopreisen (ohne Steuern) und den Steuern und Abgaben für den Kraftstoff Diesel am 11. Juli und vom 10. Oktober 2014 (selbst gerechnet). Die Quellen sind OTS 140 vom 11. Juli und OTS 194 vom 10.Okt. Die Daten werden europaweit erhoben.
Bruttopreis | Nettopreis | Steueranteil | |
11. Juli | 1,309 | 0,681 | 0,628 |
10, Oktober | 1.303 | 0,676 | 0,627 |
Der erhobene Bruttopreis ist das, was der Autofahrer an der Tankstelle zahlt, also inklusive aller Steuern und Abgaben (MöSt., USt.) und der Nettopreis deckt das Rohöl, die Raffineriekosten, den Transport sowie die Marge des Tankstellenbesitzers ab.
Zunächst einmal fällt auf, dass der Staat fast die Hälfte in die eigene Tasche steckt und dass er Teile des Verkaufspreises zweifach belastet, mit MöSt. und Umsatzsteuer Man nennt das Doppelbesteuerung. Ist aaangeblich verfassungswidrig.
Fazit: Die Bruttopreise sind in den drei Monaten um 0,6 Cent pro Liter oder 0,5 Prozent gefallen, die Nettopreise um 0,5 Cent pro Liter oder 0,7 Prozent und die Steuer pro Liter ist um einen Zehntel-Cent zurückgegangen – den Prozentsatz rechne ich nicht aus. Das ist mir ehrlich gesagt zu blöd.
Wie war das mit dem Ölpreis-Benchmark noch einmal? Ach ja, jetzt erinnere ich mich: das Rohöl ist um elf Prozent billiger geworden…
Nun ist die Herumrechnerei um Cents und Margen tatsächlich eine Sache, in der es etliche falsche Schlüsse und Fallstricke gibt und als spezielles Problem kommt dazu, dass Privatpersonen keinen Zugang zu den echten Großhandelspreisen ab Rotterdam haben. Diesen haben nur die Einkäufer und die wollen sich lieber nicht in die Karten schauen lassen.
Man kann aber getrost davon ausgehen, dass sich diese Großhandelspreise analog zu den Öl-Benchmarks entwickelt haben. Es ist vernünftig anzunehmen, dass die Großhandelspreise in gleichem Ausmaß gefallen sind wie die Benchmarks. Sonst hätten die Benchmarks keinen Sinn.
Der ÖAMTC, dessen Hobby es früher war, mit ständiger Herumrechnerei Mineralölwirtschaft und Politiker zu quälen, hat vor zwei Wochen schüchtern eingeworfen, dass die Preise an den Tankstellen eigentlich längst um drei Cent pro Liter hätten sinken müssen. Das hat damals größenordnungsmäßig sicher gestimmt. Wie wir weiter unten sehen werden, müssten es heute schon mehr als sieben Cents sein.
Der Lobbyist der Tankstellenpächter versetzte daraufhin, er könne diese Rechnung „nicht nachvollziehen“. (APA 235, 1.10.2014) “Ein Gleichsetzen des Rohölpreises mit den noch dazu versteuerten Produktpreisen an den Zapfsäulen ist 1:1 nicht möglich.” (Das hat der ÖAMTC sowieso nicht gemacht, weil sonst wäre er schon damals auf acht oder neun Cents gekommen.)
„Zwischen dem Rohöl und den Produkten bei den Zapfsäulen an den Tankstellen seien noch ganz viele verschiedene Schritte, wie der sehr aufwendige Veredelungsprozess oder der Transport“, gab der Wirtschaftskämmerer zu bedenken.
Wo er recht hat, hat er recht.
Die Treibstoffpreise bestehen nur zu vielleicht 40 Prozent aus den Kosten für Rohöl. Folgend eine Grafik, die zeigt, wie sich der Preis für einen Liter Diesel zusammensetzt. Es sind die offiziellen Werte von oben. Leider weiß ich nicht, in welchem Verhältnis die Kosten für Rohöl und der Deckungsbeitrag für die Mineralölkonzerne (downstream) sowie der Anteil für die Pächter stehen. Die letzten zwei Items machen kaum mehr als vielleicht 20, höchstens 25 Prozent des Rohölpreises aus. Das lässt sich aus einer im Frühling in der Süddeutschen erschienenen Geschichte erschließen.
Hier ist eine selbstgemachte “Torte” des Konsumentenpreises für Diesel am 10. Oktober 2014.
Die Zahlen gehen sich nicht ganz aus. Das liegt daran, dass es noch eine Mini-Abgabe gibt, die einen Cent-Betrag ausmacht, die ich der Einfachheit halber zur Umsatzsteuer dazugeschlagen habe.
Als nächsten Schritt versuchen wir die Basis zu bestimmen, die sich mit den Rohölkosten ändert.
Das kann nur annäherungsweise geschehen. Die plausibelste Annahme ist, den Nettopreis für Diesel des Treibstoffmonitors vom 11. Juli herzunehmen, also 68,1 Cent. Dieser Betrag enthält zwar ein Element, das sich nicht mit dem Rohölpreis verändert, aber dieses Element macht kaum mehr als vielleicht ein Fünftel aus, das man subtrahieren müsste. Andererseits müsste man aber einen Teil der Mehrwertsteuer wieder zum Nettopreis addieren, weil sich dieser Anteil proportional zum Rohölpreis verändert. Die Mehrwertsteuer muss sinken, wenn die Steuerbasis kleiner wird (anders als die MöSt.).
Der Einfachheit halber nehme ich an, dass die beiden Faktoren einander aufheben. Das kommt ungefähr hin. Es geht mir ja nur um Größenordnungen.
Überschlagsmäßig ergibt sich daher folgende Rechnung:
68,1 Euro-Cents (Nettopreis) * 0,11 (Prozentwert)= 7,5 Cents.
130,9 Euro-Cents (Bruttopreis) – 7,5 Euro-Cents (rechnerische Verbilligung durch Ölpreisrückgang) = 1,234.
Man kann also sagen: Wären die am veränderlichen Rohöl hängenden Bestandteile des Endkundenpreises proportional um elf Prozent verringert worden, müsste der im Treibstoffmonitor ausgewiesene Bruttopreis heute bei 1,23 liegen. Dieselfahrer müssten um gut 7 Cent pro Liter weniger zahlen.
Wie am 10. Oktober bekanntgegeben, muss an der Tanke aber noch immer über 1,30 geblecht werden. Für den Konsumenten hat sich der Liter Diesel um lächerliche 0,6 Cent verbilligt. Und auch der Fiskus kassiert gleich viel wie damals, als das Rohöl noch viel teurer war.
Wer sich also fragt, wo die sieben Cent pro Liter geblieben sind, die den Autofahrern vorenthalten wurden, sollte an jenes dynamische Duo denken, das sich die Knete immer schon brüderlich geteilt hat: Die Mineralölkonzerne und der Staat – sowie vielleicht in geringem Umfang die Tankstellenpächter. Diese zwei Parteien haben sich die sieben Cent unter den Nagel gerissen. Um es in Anlehnung an die Kampagne einer früheren Frauenministerin auszudrücken: „Ganze Männer machen halbe-halbe.“
PS: Mir persönlich ist diese Sache eigentlich egal. Sie ist ein winziger Aspekt eines beispielllosen welthistorischen Experiments, von dem ich glaube, dass es darin enden wird, dass wir Erdöl mit Gold bezahlen. Siehe meinen Blogeintrag dazu. Aber vielleicht gibt es Leute, denen die sieben Cent pro Liter Diesel wichtiger sind.
Foto: Manfred Werner/Tsui, Wikimedia Commons und OMV Aktiengesellschaft
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