Rückläufige Ölpreise haben dem Westen in den 1980ern sieben fette Jahre beschert und die Pleite der Sowjetunion ausgelöst. Sollte es in den nächsten 12 Monaten gelingen, die Ölpreise ähnlich stark zum Sinken zu bringen, wird das wahrscheinlich den Schleier zerreißen, der bisher den Blick auf die echte Versorgungssituation, die unter der Erdoberfläche, verstellt hat. Das Bild, das dabei zu erwarten ist, wird für alle Seiten schlimm. Richtig schlimm wird es aber für Japaner und Europäer.
Die Ölpreise sind jetzt auf den niedrigsten Stand seit 27 Monaten gesunken und es sieht so aus, als würde der Preisrückgang weitergehen. Nicht “im freien Fall”, sondern jeden Tag um ein Prozenterl oder ein bisschen mehr oder weniger. Es ist selbst für Laien mit Händen zu greifen, dass das keine natürliche Entwicklung ist.
So unglaubwürdig dies klingen mag – aber der bisher beobachtete Rückgang könnte nicht einmal die erste Hälfte des Wegs sein. 50 bis 60 Dollar pro Barrel liegen im Bereich des Möglichen, wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum.
Aber nicht, weil die Welt tatsächlich in Öl ertrinken würde,wie der Economist schon einmal -1999 – insinuiert hat.
Sondern weil “die Investoren” sehnlich auf eine solche Story warten. “Die Anleger” sind ein großteils blauäugiger Haufen, der gerne glaubt, worauf er hofft.
Hauptfaktor für den ins Bodenlose fallenden Preis wären aber die um ihre Existenz ringenden Produzentenländer, die ohne Rücksicht auf Verluste alles auf den Markt werfen müssten um ihre Rechnungen bezahlen zu können. Diese Staaten würden in einem solchen Fall wie Firmen agieren, die vor dem Konkurs stehen: jeden Auftrag annehmen um Cashflow zu generieren und nicht sofort zahlungsunfähig zu werden. Besser übermorgen pleite als morgen illiquid.
Das war schon schon vor 30 Jahren ähnlich. In der Reagan-Ära war allerdings die objektive, wenn man so will: natürliche, geologische Situation eine andere, viel bessere.
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Was war noch einmal in den 1980ern passiert und in welcher Hinsicht bzw. für wen war das “gut” bzw. “schlecht”?
Nun, der amerikanische Notenbankpräsident Paul Volcker rettete der damaligen und heutigen Weltreservewährung das Leben – mit einer Rosskur, die die Zinsen in lichte Höhen trieb.
Das hatte zunächst negative Auswirkungen für die Weltkonjunktur. Die wurden aber schon nach nur kurzer Zeit durch einen stark sinkenden Ölpreis wieder wettgemacht. Das billige Öl verpasste der Wirtschaft einen Turbo.
Folgend eine Tabelle zu den Barrelpreisen in Dollar, von 1979 bis 1990. Sie stammt von dieser Seite, die sich inflationData.com nennt. Die Daten zeigen die durchschnittlichen nominalen in der zweiten Spalte, sowie die inflationsbereinigten Jahrespreise auf Basis eines 2014-Dollars in der dritten Spalte.
1979 | 25,10 | 80,14 |
1980 | 37,42 | 106,4 |
1981 | 35,75 | 92,1 |
1982 | 31,83 | 77,21 |
1983 | 29,08 | 68,32 |
1984 | 28,75 | 64,75 |
1985 | 26,92 | 58,54 |
1986 | 14,44 | 30,80 |
1987 | 17,75 | 36,54 |
1988 | 14,87 | 29,45 |
1989 | 18,33 | 34,58 |
Nach der Revolution im Iran und dem Beginn des Kriegs zwischen Irak und dem Iran war der Barrelpreis auf ein Level geklettert, das etwa 110 US-Dollar von heute entspricht. Bis zur zweiten Hälfte des Jahrzehnts fiel der reale Preis auf weniger als ein Drittel davon (Extremwerte in rot).
In den ersten vier Jahren ging der Ölpreis um (nominal) etwa 25 Prozent zurück. Danach halbierte er sich noch einmal. Das wirkte wie ein Jungbrunnen auf die gestressten industriellen Volkswirtschaften, speziell auf die USA. Folgend deren reale Wachstumsraten laut der Datenbank der Weltbank. Spitzenjahre in rot.
1980 | - 0,2 |
1981 | + 2,6 |
1982 | -1,9 |
1983 | + 4,6 |
1984 | + 7,3 |
1985 | + 4,2 |
1986 | + 3,5 |
1987 | + 3,5 |
1988 | + 4,2 |
1989 | + 3,7 |
Die Angst hatte den Preis hochgetrieben, aber als sich herausstellte, dass die Ausfälle durch den Iran-Irak-Krieg durch andere Lieferanten kompensiert werden konnten, fiel der Preis. Zuerst relativ langsam, weil die OPEC versuchte, mit Förderkürzungen gegenzusteuern. Das gelang dem Kartell nur sehr unvollständig, weil sich nicht alle Mitglieder an die vereinbarten Quoten hielten.
Doch Ende 1985 war diese Phase zu Ende. Der bei weitem größte Ölproduzent begann den “Markt zu fluten”. Die Saudis banden ihre Verkaufspreise an den Spotmarkt und erhöhten ihre Produktion von zwei auf fünf Millionen Barrel pro Tag.
Sie konnten sich das leisten, weil sie auf scheinbar unerschöpflichen, leicht zu handelnden Superriesen-Ölfeldern saßen. Mit ihren unschlagbaren Produktionskosten war es relativ egal, ob sie zwei Millionen Fass zu einem etwas höheren oder fünf Millionen Faß zu einem echten Schnäppchenpreis verkauften. Vor allen anderen Dingen erwiesen die Saudis damit ihren Schutzherren über dem Atlantik einen großen Gefallen.
Für die anderen Ölproduzenten, die sich an die hohen Einkünfte gewöhnt hatten, war das Ganze eine echte Katastrophe. Der Preisverfall war der Auslöser für den Sturz des kommunistischen Imperiums, dessen Deviseneinnahmen zu einem hohen Grad aus den Ölverkäufen stammten.
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Die heutige wirtschaftliche Situation gleicht jener in den zu Ende gehenden 1970ern in mancherlei Hinsicht. Die industrialisierte Welt würde dringend kräftige “Wachstumsimpulse” brauchen. Es gibt aber keine Quelle, aus der diese kommen könnten.
- Das “Deficit spending” über das Budget (das ohnedies nie als Dauerlösung gedacht war) wurde damals erfunden. Heute wird es aber selbst von Politikern ausgeschlossen, die eigentlich in der Wolle gefärbte Keynesianer sind. Das einstige Allheilmittel scheint seine Placebo-Wirkung verloren zu haben. Nur in Teilen der (neo)keynesianischen Linken lebt der Mythos weiter.
- Die Notenbanken scheinen bei Zinspolitik und “Quantitative Easing” inzwischen ihr ganzes Pulver verschossen zu haben. Es ist ihnen zwar gelungen, einen plötzlichen Kollaps unseres fractional reserve systems abzuwenden, nicht aber, wieder Wachstum anzuleiern. Würden die Fed oder die EZB heute die Zinsen in einem Ausmaß erhöhen wie Volcker zwischen 1978 und 1981, wäre das das Ende des Finanzsystems. Es ist sogar fraglich, ob die Zentralbanken mit vertretbarem Risiko ganz aus dem “Gelddrucken” aussteigen und die Leitzinsen auch nur moderat anheben könnten.
Eine weltpolitische Ähnlichkeit besteht ferner darin, dass es heute wie damals eine Macht gibt, die dem Welthegemon auch militärisch Grenzen setzt. Man kann Russland heute zwar nicht als Systemkonkurrenz bezeichnen, es ist aber zweifellos eine Macht, die dem erklärten US-Ziel einer “full spectrum dominance” im Weg steht.
Es bedroht auch die monetären Grundlagen des westlichen Imperiums, den Petrodollar, wie hier ausgeführt wird. Und anders als kleine lokale Potentaten hat sie auch das Zeug dazu.
Russland ist eine Macht, die, wie sie selbst erklärt, für eine multi- statt für eine unipolare Weltordnung steht. Sie übt deswegen eine starke Anziehung auf alle jene aus, die des alten Welthegemons überdrüssig sind. Nicht zuletzt verfügt das Land über Energie- und Rohstoffressourcen, die langfristig von unschätzbarem Wert sind. Wer diese kontrolliert, hat wirklich den großen Preis gewonnen.
All das sind gute Gründe für den laufenden Versuch, das Land auf eine Rolle als dienstbare Regionalmacht zurückzustutzen.
Wenn das erreicht ist, muss auch nicht unbedingt eine V-Day-Parade auf dem Roten Platz abgehalten werden. Und ein Atomkrieg wäre ohnedies nicht auf eine Weise zu gewinnen, dass solches noch einen Sinn machen würde. Es würde schon reichen, “flexible” einheimische Politiker ins Amt zu bringen – welche, die bereit sind, einseitig abzurüsten und die staatliche Hand, die in der Putin-Ära (wieder) auf die Bodenschätze gelegt wurde, wieder wegzunehmen.
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Da trifft es sich gut, wenn Russland eine anscheinend expansionistische Außenpolitik führt. Noch besser ist es, wenn das Land noch immer zwei Drittel seiner Exporterlöse und die Hälfte seiner Budgeteinnahmen aus Öl und Gas bezieht. Das weiß nicht nur die ehemalige amerikanische Außenministerin, die erläutert:
“Die russische Wirtschaft ist verwundbar. 80 Prozent der russischen Exporte sind Öl, Gas und Mineralien. Die Leute sagen, dass den Europäern die Energie ausgehen wird. Nun, den Russen wird das Cash ausgehen ehe den Europäern die Energie ausgeht.”
Das ist das Kriegskalkül, dem sich Europa mittlerweile gebeugt hat. Auch Europa setzt die Kreditwaffe ein, um Putin die Energiewaffe aus der Hand zu schlagen. Die Kreditwaffe zielt darauf ab, jene Produktionanlagen stillzulegen, aus denen Europa gut ein Drittel seines Erdöls bezieht. Es ist schwer, dies nicht als Tat eines Wahnsinnigen anzusehen.
Es geht aber nicht nur um das Abdrehen des Kredithahns. Es geht auch darum, den Preis des Hauptexportguts zu drücken.Um es mit den Worten eines Forbes-Kolumnisten auszudrücken, liegt das Endziel in Folgendem: “It’s Time To Drive Russia Bankrupt — Again”.
Der Kommentator mit dem Namen Louis Woodhill zweifelt nicht daran, dass es möglich ist, “durch die Stabilisierung des Dollar Gold auf 550 Dollar pro Unze und Öl auf 40 Dollar pro Fass zu verbilligen.” Er schrieb das schon im vergangenen März und seither ist der Dollar tatsächlich um einiges stärker und Öl um einiges billiger geworden.
Zwar noch noch nicht in jenem Ausmaß, das Woodhill vorschwebt – aber bis zu den Präsidentenwahlen in den USA ist ja noch ein Jahr Zeit. Derzeit steht WTI bei 85 Dollar, um 20 Dollar tiefer als vor drei Monaten.
“Für Putin ist der Ölpreisverfall schlimmer als die Sanktionen”, frohlockte Forbes denn auch Ende vergangener Woche.
Auch Bloomberg weiß, dass der “Einsturz der Ölpreise die Sanktionsschmerzen der Russen vergrößert.”
Für die Autoren beider Artikel steht außer Frage, dass der rückläufige Ölpreis vom “freien Markt” verursacht worden ist, wo die schlechter werdenden globalen Wachstumsaussichten zu einem Rückgang der Nachfrage geführt haben, was zusammen mit diversen Überangeboten aus Europa und Amerika die Preise…..blablabla.
Die Headlines für derlei Berichte sehen zum Beispiel wie folgende in der FT aus:
Dass die Notierungen gemanagt sein könnten, scheint diesen Schreiberlingen nicht in den Sinn zu kommen (und zugegebenermaßen reichen im Fall eines Verbrauchsguts wie Erdöl Futures nicht aus, um den Preis in die gewünschte Richtung zu bewegen und dort zu halten; da müssen die “Papierbarrels” schon durch echte Lieferfähigkeit gedeckt sein. Mit Finanzinstrumenten lässt sich kein Auto volltanken.)
Damit die Preise glaubwürdig bleiben, müssen die Planungsbehörden dafür sorgen, dass für Kontrakte, für die geliefert werden muss, auch geliefert wird. Selbst dann, wenn eigentlich niemand mehr für Papiergeld verkaufen will.
Fakt bleibt in jedem Fall, dass sinkende Preise den Exporteuren Pein verursachen. Die Russen würden nächstes Jahr etwa 105 Dollar pro Barrel benötigen, um ausgeglichen budgetieren zu können. Bei 90 Dollar, wo der Preis heute ist (das russische Erdöl orientiert sich am teureren Brent-Benchmark), würde Russland ein Budgetdefizit von 1,2 Prozent machen, hat die Sberbank errechnet. Bei 60 Dollar wären es schon mehr als fünf Prozent.
Selbst dieser Prozentsatz entlockt einem hartgesottenen europäischen deficit spender nur ein abschätziges Lächeln, doch der zugrundeliegende Eindruck täuscht. In einem Land, das jetzt schon, bei einem ausgeglichenen Budget, unter einer Teuerung von acht Prozent leidet, könnte eine Monetisierung des Budgetdefizits massive “Inflation”, u.U. sogar Hyperinflation bedeuten.
Ein stark sinkender Ölpreis birgt also zweifellos Ungemach für die Exportnationen – und zwar prinzipiell für alle.
Reuters hat vor kurzem zusammengestellt, welche Exporteure welche Ölpreise benötigen würden, um ausgeglichen budgetieren zu können. Der Iran beispielsweise 136 Dollar, Katar nur 58. Sieben von 12 OPEC-Staaten können mit den heutigen (gestrigen) Ölpreisen nicht mehr ihr Auslangen finden.
Der 400 Kilo-Gorilla Saudiarabien benötigt einen etwas niedrigeren Barrelpreis als Russland. 2013 waren das laut Reuters 92 Dollar. Der Erhalt von ein paar Tausend Prinzen und Prinzessinen kostet schließlich etwas. Dafür dürfen sich heute auch die Saudis mit einem beachtlichen Defizit herumschlagen – um erst gar nicht vom hier geschilderten Szenario einer weiteren Halbierung der Ölpreise zu sprechen.
So nebenbei: Eigentlich müssten schon die aktuellen Preise Teile der Schieferölproduktion zum Erliegen bringen – man sollte aber nicht darauf wetten, dass das wirklich stattfindet. Es ist immer falsch, die Kreativität und Beharrlichkeit von entschlossenen Akteuren unterschätzen – vor allem wenn sie auf Hilfe von Staaten mit langfristigen strategischen Interessen zählen können. Der amerikanischen Schieferölindustrie ist die helfende Hand Uncle Sams ja sowieso nicht fremd.
Staatshilfe wird in einer solchen Situation überall auf dem Erdball das Zauberwort, das es ermöglicht weiterzuproduzieren – auch wenn der “freie Markt” auf mittlere Sicht keine rentablen Preise zulässt. Die Kosten für jene Produktion, die im slump aus strategischen Interessen nicht zugesperrt wird, können so auf alle Bürger umverteilt werden.
Die OPEC bleibt hart – gegen ihre Mitglieder
Würde heute alles mit rechten Dingen zugehen, müsste in der OPEC schon längst ein lautstarkes Geschnatter über Quotenkürzungen losgegangen sein. Am 27. November soll in Wien die nächste Sitzung stattfinden.
Doch das Stimmengewirr hört sich derzeit eher nach Maulen und Zähneknirschen unzufriedener Mitglieder an, die genau wissen, dass sie mit ihrem Wunsch nach einer Förderkürzung nicht durchdringen werden. Statt zu reduzieren wird das Angebot ausgeweitet. Wichtige einzelne Mitglieder wie Saudiarabien senken Preise unter die internationalen Benchmarks “um nicht Marktanteile zu verlieren”. Natürlich alles gegen ihren eigenen Willen.
Dort, auf dem “Markt”, macht sich „allmählich Panik breit“, stellte “Die Presse” jüngst unter Berufung auf eine aktuellen Analystenstimme fest. “Bei der Commerzbank ortet man darin die nächste Runde eines Preisunterbietungswettbewerbs um Marktanteile, der auch für die Außendarstellung der Opec schlecht sei.”
Branchenbeobachter stellen sich mittlerweile die Frage, ob die OPEC dabei nicht ganz auseinanderbricht, und das ist mehr als eine rhetorische Frage. Ein formelles Ende des eigentlich ohnedies nur mehr auf dem Papier existierenden Kartells würde der Situation einen kräftigen Schuss öffentlichkeitswirksamer Verzweiflung beimengen.
Wenn man sich die Positionen der Falken und der Tauben ansieht, ist es schwer, ein Zerbrechen des Kartells als unnmöglich von der Hand zu weisen. Hier ist das Beispiel einer kuwaitischen Taube (die leicht reden hat, weil auch dieses Emirat keine 60 Dollar braucht, um mit seinem Budget zurechtzukommen.)
Die bestimmenden Mitglieder des Rohstoffkartells wollen derzeit etwas, das auch wir im Westen lieben: dass der Ölpreis weiter fällt. Anders als “wir” können die Gulfies aber kein Eigeninteresse an niedrigen Ölpreisen haben, auch kein langfristiges. Allein schon deshalb, weil ihre eigenen Budgets darunter leiden und ihre Kinder und Kindeskinder die Heutigen eines Tages verfluchen werden, weil diese den dichtesten und “praktischsten” Energieträger der Menschheitsgeschichte verschleudert haben; um weniger Geld als Pfefferminztee im Suk von Riad kostet.
Die USA und das westliche Zentralbankenkartell verlangen das aber so, und wer nicht will, dass sein Geschäft verwüstet wird, entrichtet besser seinen Tribut. Speziell die Amerikaner haben prinzipiell ja gar nichts gegen die OPEC, weil ein höherer Ölpreis mehr Nachfrage nach dem Petrodollar bringt.
Derzeit glauben die Amis allerdings, ihren Coup aus den 1980er-Jahren wiederholen zu können/müssen. Der Rest-Westen hofft wiederum darauf, mit superbilligem Öl einen Weg aus der Krise zu finden.
Ist das eine realistische Erwartung ?
Nur dann, wenn es gelingt niedrige Preise zu fabrizieren ohne dass es zu Engpässen kommt. Zu diesem Behuf muss eine echt aussehende Ölschwemme organisiert/simuliert werden, denn die Nachfrage nach dem schwarzen Gold zu bremsen ist keine Option. Eine solche Strategie wäre kontraproduktiv. Diese Nachfrage soll ja gerade angekurbelt werden. Die Weltwirtschaft soll an billigem Öl genesen.
Dass Saudiarabien heute ein weiteres Mal seine Produktion verdoppeln kann, ist praktisch auszuschließen. Doch mit einer kollektiven Anstrengung könnte man vielleicht weiterkommen: ein bisschen was von der arabischen Halbinsel und ein wenig aus Libyen: ein Alzerl aus dem Irak oder vielleicht so gar dem Iran. Zudem sollte die kopflose Panik jener in Rechnung gestellt werden, die glauben, heute um jeden Preis verkaufen zu müssen, weil morgen das Öl noch billiger sein wird..
Ein solches Szenario liegt im Bereich des Möglichen. Die “Märkte” haben über Jahre bewiesen, dass für sie nur ein extrem eingeschränkter, kurzfristiger Versorgungsbegriff zählt; für sie zählt nur bereits produziertes, über der Erdoberfläche befindliches Erdöl. Solange es hier Überfluss gibt, ist alles ok. Dann mögen die Reservoire aussehen wie sie wollen. Es ist “dem Markt” egal.
Noch glaubt “der Markt” nicht an die Begrenzungen in der biophysischen Produktion, nicht an Nettoenergie/EROI und auch nicht an das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen. Es ist aber nur eine Frage der Zeit bis sich das ändert. Wenn nicht heute oder morgen, dann übermorgen.
Die Auszehrung der Lagerstätten ist unerbittlich – sie liegt bei reifen Feldern zwischen vier und sieben Prozent im Jahr. Um die tickende Zeitbombe für sagen wir: ein oder zwei Jahrzehnte zu entschärfen wäre eine echte Revolution in der Produktionstechnologie vonnöten. Dass Shale Oil etwas derartiges ist, scheint mehr als fraglich.
“For many years, technological changes may offset the effects of diminishing returns, but at some point, technological gains can no longer keep up”, meint eine, die schon seit langem in den Wind predigt.
Gail Tverberg hat nie zur Fraktion der naiven Lineardenker gehört, denen das Verhältnis der Ressourcen zum Produktionsapparat egal ist und die mit ihrer “falschen Weltsicht” Dinge antizipiert haben, die so nicht eingetroffen sind und auch nicht eintreffen können.
Zum Beispiel ein asymptotischer, nahezu unendlicher Anstieg der Ölpreise ohne dass dies zu einem negativen feedback loop führen würde, einer Reaktion, die den inflationären Run bremsen würde. Für Tverberg war und ist ein Peak bei sinkenden Ölpreisen und wirtschaftlicher Depression nicht nur eine mögliche, sondern sogar die wahrscheinlichste Variante. Diese Meinung hat sie schon vor fünf Jahren vertreten.
Es mag noch eine Weile dauern bis in der Öffentlichkeit der Groschen gefallen ist. Es gibt noch Zeit, in der man sich die Kontrolle über die letzten noch werthaltigen Lagerstätten sichern kann (sofern “man zu den Großen” gehört). Dies lohnt sich mit Sicherheit, denn die Lagerstätten des angeblich historisch überholten Energieträgers können nur wertvoller werden. Der Produktionsgipfel ist aus dieser Perspektive nicht der Beginn vom Ende des Ölzeitalters, sondern markiert den Übergang in dessen zweite, profitablere Hälfte.
Es ist jene Hälfte, die sich aus der Froschperspektive als “langer Notstand” ausnehmen wird. So wie der amerikanische Autor James Kunstler ein 2005 erschienenes Buch genannt hat.
Steven Kopits, Oil and exonomic growth – A supply constrained view. pdf, February 2014
Kjell Aleklett, Peeking at Peak Oil, 2012
Edit, 15.10.: Ich habe etwa ein Dutzend Fehler in Formulierung und Schreibweise ausgebessert – nichts, was sinnverändernd wäre. Entschuldigung.
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