Techno-Junkie vs. Kollapsniks: Gegen die Steinzeit-Ideologen

westergard_coverRune Westergard ist der Ansicht, dass Technologie die Welt retten kann und es dafür gar nicht der Ressourcen mehrerer Planeten bedarf (entgegen allen Zivilisationskritikern). Ein verdienstvolles Buch, führt es doch vor Augen, was menschliche Ingenuität alles bewerkstelligen kann (und dies noch wird). Es ist ein Plädoyer für Optimismus, der in vieler Hinsicht berechtigt sein mag. In Sachen Energie nervt Westergards hochgemutes Geplapper aber nur. NB zum Klima.

Die meisten Zeitgenossen hätten eine düstere Sicht auf die Welt, obwohl sich der Stand der Dinge von Jahrzehnt zu Jahrzehnt verbessere, meint Westergard in seinem One Planet is Enough.

Ja – es gebe Probleme. Die Antwort auf diese könne aber nicht die Rückkehr zum primitiven Leben sein, sondern mehr und effizientere Technologie.

Netto gesehen, also nach Abzug der zusätzlich entstandenen Schwierigkeiten, habe der wissenschaftlich-technische Fortschritt der vergangenen Jahrhunderte den Menschen enormen Wohlstand gebracht

- auch wenn der Weg lang sei und zahlreiche Windungen habe (“long and winding road”).

Analog zur biologischen Evolution des Charles Darwin sieht der Autor eine Techno-Evolution am Werk, in der auch ein Ausleseprozess wirkt (nämlich für Maschinen/Technologie).

Diese Selektion werde vom Konsum (“a primordial force”), also den Präferenzen von Abermillionen Verbrauchern angetrieben (“buy a new fridge – save the planet”).

Die viel geschmähte Technosphäre (im weiteren Sinn) sei primär nicht Brutstätte von Umweltproblemen, sondern die eines besseren Lebens.

Westergard tut, wofür sich 99 Prozent der grünen Ideologen zu gut sind (vielleicht sind sie such nur zu faul):

Er lässt die Erfindungen und Innovationen speziell der vergangenen 400 Jahre kurz Revue passieren um zu zeigen, was für ein enormer Weg in diesem Zeitraum durchmessen wurde.

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Schwindende Ressourcen?

Ressourcen, schreibt W. anhand von Beispielen, würden dank Recycling, neuen Verfahren und besserer Abbautechnik eigentlich immer mehr – und oft würden alte einfach durch neue, bessere Materialien ersetzt.

Speziell das Humankapital, das soziale Kapital und das technische Wissen würden immer größer.

Klima?

Die Dekarbonisierung des Energiewesens sei nicht nur möglich, sondern bereits unterwegs – mit Erdgas und weil sich die industrielle Produktion vom CO2-Ausstoß entkoppelt habe.

Thomas Malthus und die ihm nachfolgenden Malthusianer begingen den Fehler, dass sie (eigene Übersetzung)

nicht in Rechnung stellen, dass wir in einer ständig sich ändernden Zivilisation leben (…) Er (“ein Malthusianer”) behandelte Wissen und Technologie, als wären sie statische Phänomene.”

Der Autor arbeitet sich durch die weithin bekannte Liste nicht eingetroffener “Kassandra-Rufe” (z.B. Waldsterben) und kommt danach zum Schluss, dass

wir und unsere Gesellschaft in den meisten Fällen auf bedrohliche Situationen ziemlich gut reagieren.Wenn Alarmzeichen auftreten, rufen wir Wissenschafter und andere Experten zusammen und agieren gemäß ihren Empfehlungen.”

Endgültig werde alles gut werden, sobald

billige, emissionsfreie Energie allgemein verfügbar wird. Dann kann auch reines Wasser von der Liste der kritischen, finiten natürlichen Ressourcen gestrichen werden. Kostengünstige und im Überfluss vorhandene Energie erlaubt ein Wachstum innerhalb der ökologischen Grenzen unseres Planeten. Sie kann die meisten der heutigen Herausforderungen der Zivilisation lösen.”

Dass es soweit kommen wird, daran hat Westergard keinerlei Zweifel.

Roslings Fakten

Einem ähnlichen, prinzipiell “aufklärerischen Ansatz” folgt der im vergangenen Jahr verstorbene Hans Rosling in einem mit seinen Kindern verfassten, soeben erschienenen Buch: Factfulness. Ten Reasons we are Wrong about the World and Why Things are better Than You Think.

rosling_coverRosling, ein Landsmann Westergards, Mitbegründer der Gapminder-Foundation und langjähriger UNICEF-Berater, zeigt mit (scheinbar) schlagenden Beispielen den negativen bias seiner Zeitgenossen auf.

Dieser drückt sich u.a. darin aus, dass nur wenige wissen, dass sich während der vergangenen 20 Jahre der Anteil der Menschen, die in “extremer Armut” leben, (angeblich) halbiert hat.

Zweifellos legt der Schwede seinen metaphorischen Finger in epistemische Wunden, wenn er die Trug- und Kurzschlüsse auflistet, die dem Erkenntnisprozess gemeinhin im Weg stehen

- vom Lineardenken (“lines might bend”) über die unzulässige Generalisierung bis hin zum (bewussten?) Verzicht auf jegliche Proportion.

Unwissen und fallacies nach dem geschilderten Muster führen zu einer “überdramatischen Weltsicht”, meint Rosling.

Der Autor verspricht:

Ich werde sie lehren, überdramatische Geschichten zu erkennen und ihnen Denkwerkzeuge geben um ihre dramatischen Instinkte zu kontrollieren. Dann können sie ihre Fehlvorstellungen verändern und eine faktenbasierte Weltsicht entwickeln.”

Solch rationale, faktenbasierte Sicht ist die “factfulness” des Titels, eine ein bisschen gewagte Ableitung vom Adjektiv factful.

Zur Kritik Westergards und Roslings

Vieles davon ist durchaus sympathisch, sympathischer jedenfalls als eine gewisse, heute moderne Technikfeindlichkeit und Dunkelmännerei.

Denn gerade den Nachfahren von James Watt, Louis Pasteur, Thomas Edison und Robert Bosch stehen Bärenhaut & Keule der Steinzeitmenschen schlecht zu Gesicht (abgesehen davon, dass auf diese Weise gerade mal ein paar Millionen Menschen leben konnten).

Aber -

vielleicht wäre es doch angebracht z.B. in Sachen Energie ein bisschen tiefer zu graben als bis zum “Faktum”, dass die die Erde erreichende Sonnenstrahlung genügend Energie für 70.000 Milliarden Menschen bereit stellt, theoretisch.

Tiefer graben beispielsweise bis zum Konzept der Nettoenergie oder bis zur Einsicht des Vaclav Smil, dass der Konzentrationsgrad der der Zivilisation zur Verfügung stehenden Treibstoffe von besonderer Bedeutung ist.

Dann würde man zum Beispiel darüber nachdenken anfangen, was in dieser Hinsicht zu biofuels und Solarenergie zu sagen ist und man würde sich zu fragen beginnen, was es bedeuten könnte, wenn aktuelle Simulationen einer zu 100 Prozent erneuerbaren Stromzukunft mit Hohlspiegeln und Wasserdampf arbeiten.

Dann kann man ja noch immer “optimistisch” sein, nach dem Motto: “Bisher is´ jedenfalls noch immer was g’funden worden.”

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Und Rosling (bzw. seine geistigen Erben) sollten sich die Frage vorlegen, was Fakten sind, und ob es ihnen nicht auch um die Auswahl der ihrer Meinung nach richtigen Fakten geht.

Das ist ein laaaanger Diskurs, der einen Seitenausläufer bis in die heutige USA hat, bis hin zum berühmten Sager einer Trump-Sprecherin, es gehe ihr um “alternative Fakten”.

Das löst im Mainstream bis heute ein belustigtes Bruhaha aus, weil es “alternative Fakten” im strengen Sinn nicht wirklich geben kann -

und die Conway damit den Umstand wegdiskutieren wollte, dass zu DJTs Angelobung 2017 sichtbar weniger Leute gekommen sind als zur ersten Angelobung Obamas im Jahr 2009.

Die eigentliche Frage ist freilich, ob das angesichts der Umstände (das “schwarze” Washington wählt traditionell zu 90% demokratisch) besonders relevant war und ob dieses Faktum einen speziellen Nachrichtenwert hatte (und à tout prix bestritten werden musste).

Die Mainstream-Journos und ihre Nach-dem-Mund-Reder interpretierten den Sager der Conway jedenfalls flugs in Richtung postfaktisch (wobei sie zu erwähnen vergaßen, dass schon bisher große Teile des politischen Diskurses postfaktisch waren).

Eigentlich ging es ihnen aber darum, dass sie – und nicht die Präsidentensprecherin - zu bestimmen hätten, was ein relevantes Faktum ist.

Das Problem mit der Auswahl der “richtigen Fakten” gilt auch für den Buchautor Rosling.

Nachbemerkung, 5. Juli, 2018, 14.00 Uhr: Ich habe für die Klimaideologie des CO2-Warmisten Westergard wenig übrig – aber ich kann nicht immer auf demselben, letztlich nicht zweifelsfrei entscheidbaren Punkt herumhacken und dabei an anderen wichtigen Dingen vorübergehen.

Westergard ist der Ansicht, dass anthropogenic global warming (AGW) bewiesen ist, weil 180 Regierungen und ein paar tausend von diesen alimentierte Wissenschafter das behaupten – und dieser Blogger glaubt das nicht.

Dieser Blogger ist sogar der Ansicht, dass es sehr gute Gründe dafür gibt, dass die Korrelation zwischen atmosphärischem CO2 und Erdtemperatur generell keine Kausailität ist bzw. konkret eine “umgekehrte”: dass nämlich höhere Temperaturen zu mehr Wasserdampf und daher mehr CO2 führen – aber das ist eine andere Geschichte, auf die ich mich ein andermal gerne einlasse.

Unabhängiger Journalist

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