Von dünnen und dicken Suppen

Suppe, dick
Suppe, dick

Älteren Semestern mag der Spruch noch geläufig sein: 1985, als sich in Österreich ein monströser Fall von Versicherungsbetrug und Polit-Korruption zusammenbraute, bei dem ein Schiff versenkt und sechs Menschen zu Tode gebracht worden waren, meinte der damalige Justizminister, dass für eine Anklage zu wenig strafrechtlich relevantes Material vorliege. Er tat das mit einem Satz, der hierzulande zum geflügelten Wort wurde: “Die Suppe ist zu dünn.”

Ein paar Jahre später war die Suppe dick genug und der Täter wurde angeklagt und verurteilt.

Darum soll es hier aber nicht gehen. Es geht hier um den bildhaften Ausdruck, der sinnfällig macht, wie ein Strafverfolger eine Beweisführung aufbaut, oder allgemeiner: was die Voraussetzung für eine schlüssige Argumentation ist. Es ist das Vorhandensein eines gewissen Tatsachensubstrats. Ein Staatsanwalt benötigt ein solches, um eine Anklage erheben zu können.

Im Theater braucht eine glaubwürdige Story z.B. Akteure mit bestimmten Motiven, eine Kulisse, die die Einordnung der Handlung erlaubt, eventuell “verhängnisvolle Requisiten”, die an der Wand hängen und einen plausiblen dramatischen Konflikt. All diese Elemente sollten zu einem einigermaßen logischen, oder wenigstens zu einem widerspruchsfreien Ganzen verknüpft werden können. Das wäre dann ein Plot, eine Suppe, die man als “dick” bezeichnen könnte, auch wenn man mit einzelnen Zutaten nicht einverstanden wäre.

In den vergangenen Tagen habe ich ein paar Emails von Freunden und Bekannten bekommen, die mit der (vermeintlichen) Grundaussage dieses Blogs nicht einverstanden sind. Es handelt sich dabei um gängige Einwände wie: “Glaubst du im Ernst, dass ein Ministaat im 21. Jahrhundert auf sich allein gestellt bestehen kann?”

Die Einwände sind von unterschiedlichem Gewicht, einige davon würden eigentlich eine gesonderte Behandlung verdienen. Aber ich will es mir hier erst einmal einfach machen und pauschal und provokant antworten: Warum sollte ein kleiner Staat eigentlich nicht überlebensfähig sein, 21. Jahrhundert hin oder her?

Nun ist klar, dass eine solche Gegenfrage nicht wirklich befriedigend ist und weitere Erklärungen notwendig wären. Ohne diese würde die Antwort als schnoddrig empfunden werden, zu Recht.

Aber wie sind eigentlich die ursprünglichen Aussagen zu bewerten, Aussagen wie: “Wenn es keinen gemeinsamen europäischen Staat gibt, wird es immer wieder Krieg zwischen dem Land X und dem Land Y geben.” Das ist eine wuchtige Behauptung, die u.U. sogar stimmen kann, die aber höchst erklärungsbedürftig ist: Warum ist das der Fall ? Und unter welchen Umständen? Worum sollte es bei einem solchen künftigen Krieg gehen?

Das wurde und wird aber so gut wie nie beantwortet – was nicht akzeptabel ist. Einfach Dinge in den Raum stellen, sich umdrehen und gehen gilt nicht. Die Öffentlichkeit ersucht um eine etwas dickere Suppe !

Oder: “Wenn Europa nicht mit einer Stimme spricht (= als europäischer Staat) wird es seine Interessen international nicht mehr durchsetzen können.” Auch das ist möglich, aber: Von welchen Verhandlungen ist hier eigentlich die Rede? Doch nicht von Verhandlungen z.B. in der  WTO und  beim TTIP? Da agiert die Kommission doch heute schon für die gesamte EU – und ob das ein Segen ist, darüber lässt sich streiten.

Oder: “Die EU benötigt ein gemeinsames Militär.” Ok, aber wofür? Ist es die rusische Gefahr oder geht es mehr um die Rohstoffe. Oder soll die Union etwa für die Amerikaner in den Krieg ziehen? Bitte um Antworten, “Sicherheitspolitik nach außen” reicht nicht.

Oder: “Die Europäer brauchen den Euro, um ihren Wohlstand zu erhalten !” Klar, würde die Gemeinschaftswährung crashen bzw. würde sie hyperinflationieren, weil sie nicht mehr akzeptiert wird, wäre sie nichts mehr wert. Das wäre aber die Folge der verfehlten Währungspolitik, nicht aber eine brauchbare Begründung für diese.

Oder ist dieses “Argument” gleichbedeutend mit dem Eingeständnis, die Euro-Länder seien in eine verfahrene Situation hineingeritten worden, aus der es praktisch kein Rückfahrticket gebe – bzw. nur eines, das die Beförderung ins Armenhaus mit beinhalte? Ist das gemeint? Wenn ja, warum rücken die heutigen Politiker dann nicht von den historischen Akteuren ab, die das Schlamassel verursacht haben? Wo bleibt in diesem Fall das (öffentliche und nicht-öffentliche) politische Handeln, um den Schaden zu minimieren?

Wenn die Erklärung für das oben angeführte Argument aber eine andere ist, wie sieht diese dann tatsächlich aus? Bitte! Heraus mit der Sprache!

All diese Fragen und Pseudoargumente rühren an Dinge, die (in der Öffentlichkeit) nie thematisiert, geschweige denn begründet wurden. Die Europäisten haben offenbar von Beginn weg geglaubt, mit Phrasen das Auslangen finden zu können. Dementsprechend schwachbrüstig sind die Antworten, die sie heute den Zweiflern geben können.

Vielleicht gibt es tatsächlich Valideres als die alten Redensarten – vielleicht aber auch nicht. So wie sie heute angerichtet wird, ist die Suppe jedenfalls zu dünn.

Unabhängiger Journalist

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