Lang verblasste Inschriften und archäologisch geborgene Tonscherben sind out – Abhandlungen über DNA-Sequenzierung und Irradiation vor 2.000 Jahren dagegen mega-in. So könnte man die Akzente beschreiben, die in einem gerade erschienenen Sammelband über die Science of Roman History (hier) gesetzt werden. Die alten Hilfswissenschaften sind zwar nicht obsolet, aber oft abgegrast. Speziell die Fortschritte in der Genetik rücken eine umfassende Biohistorie des Alten Rom in Griffweite.
Der Herausgeber, ein aus Österreich stammender Stanford-Mensch namens Walter Scheidel (“Great Leveler”), hat die sieben Beiträge mit einem Vorwort zur Naturwissenschaft der Römischen Geschichte eingeleitet.
Das ermöglicht allen einen schnellen Einblick, die sich nicht laufend mit antiker Geschichte befassen, die aber trotzdem interessiert sind, was die classics- und Archäologieprofessoren gerade so umtreibt.
Begonnen wird der Band mit einem Stück zur Klimageschichte, einem topmodernen Wissenschaftsthema, gefolgt von einem Text über die Archäobotanik des Römischen Reichs, die schon seit längerer Zeit mit Erkenntnissen über Ernährung und Wirtschaftsstruktur im imperium romanum aufwartet.
Natürlich kann auch die Zooarchäologie viel beisteuern, deren Erkenntnisbasis die Überreste von Tieren ist.
Die Osteologie, die Wissenschaft von den Zeugnissen, die menschliche Knochen ablegen, ist zwar nicht neu, liefert aber immer noch interessante Erkenntnisse – ebenso Isotopenuntersuchungen von Zähnen, die u.a. Aufschluss über Ernährung,Migrationsbewegungen etc. geben.
Abgerundet & gekrönt wird das Ganze von Erkenntnissen der Archäogenetik – DNA-Analysen zu Menschen, Pflanzen oder Krankheitserregern (“For antiquity, the most revealing findings made so far concern pathogens rather than humans”).
Klar ist jedenfalls, dass das bisherige Berufsbild einzeln arbeitender Experten endgültig der Vergangenheit angehört und die Zukunft den Teams und der “Interdisziplinarität” gehört.
Dem Althistoriker werde zunehmend die Rolle des Integrators unterschiedlicher Erkenntnisstränge zukommen, deutet Scheidel an.
Biogeschichte beschäftige sich gerade im Fall von agrarisch dominierten Gesellschaften freilich auch und besonders mit dem “Makrokosmos”:
Although most climate change in the last few millennia was caused by variations in solar and volcanic activity and the earth’s orbit, climate occupies a central position in biohistorical reconstructions because it primarily affected humans indirectly through its impact on flora, fauna, and the water supply.”
Auf solchen Umwegen könne man auch viel über alle erfahren, von denen sonst keine Lebenszeugnisse übrig geblieben sind, meint der manchmal als Biologist verschrieene Historiker:
What more immediate way of accessing the history of the ’99%’ than to study what is actually left of them and the organisms that both sustained and blighted their lives? Archaeobiology gives a powerful boost to history from below, shining a light on those of whom no other record exists.”
Walter Scheidel (Hg.), The Science of Roman History. Biology, Climate and the Future of the Past. 2018
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