261.000 Österreicher, 4,1 Prozent der Wahlbürger, haben ein Volksbegehren unterschrieben, in dem ein – über eine Volksabstimmung abgesegneter – Austritt aus der EU gefordert wird. Ohne Zweifel wird das Begehren jetzt in einer Lade verschimmeln, doch es erlaubt ein interessantes Urteil: In den Medien wurde kaum berichtet und es wurde von keiner Partei und keinem größeren Interessensverband unterstützt. Unter diesen Bedingungen war dies mehr als ein Achtungserfolg.
Ich getraue mich zu behaupten, dass ein großer Prozentsatz der Unterschriftsberechtigten gar keine Kenntnis von der Existenz der bis 1. Juli laufenden Eintragungswoche hatten.
Das Thema Volksbegehren und Medienunterstützung schreit geradezu nach einer quantitativen Analyse durch Publizistikabsolventen (wäre über die vorhandenen Mediendatenbanken eigentlich sehr einfach zu “exekutieren”). Eine solche Diplomarbeit/Dissertation würde interessante Aufschlüsse über die Verschränkung des politischen und publizistischen Systems in Österreich erlauben.
So ließe sich etwa eine Hierarchie der Themen ermitteln, die den klassischen Medien wichtig sind. Man könnte auch einen Quotienten entwickeln, über den man – gewichtet oder nicht – die mediale Unterstützung pro abgegebener Unterschrift messen kann.
Bei einer solchen Maßzahl würden sich die beiden erfolgreichsten Volksbegehren der vergangenen 10 Jahre massiv unterscheiden. Die Nummer Eins, das Volksbegehren Bildungsinitiative (384.000 Unterstützer, 6,1 Prozent), würde zweifellos weit hinter (vor) der Nummer Zwei, dem aktuellen Begehr liegen. Während die Bildungsinitiative – auch im ORF – groß getrommelt wurde, fanden Argumente und Aktivitäten der EU-Gegner in den traditionellen Medien keine Beachtung (es gab ein paar Ausnahmen – siehe hier).
Ein zweiter wichtiger Faktor ist der Umstand, dass keine Partei oder (größere) Interessenorganisation mobilisiert hat. Wohl gab es sporadische, punktuelle Unterstützung durch Personen und Medien aus dem Dunstkreis der Freiheitlichen – aber damit hatte es sein Bewenden.
Die Initiative unterschied sich von diversen FPÖ-Parteivolksbegehren der 1990er wie der Tag von der Nacht. Auch ist etwa das Volksbegehren “Stopp dem Postraub” (2009, 140.600 Unterschriften) nicht vergleichbar. Dieses wurde von einer ÖGB-Teilgewerkschaft unterstützt und lebte von der Mobilisierungskraft dieser Organisation.
Fazit: Das Volksbegehren EU-Austritt war das Werk einer Gruppe “überzeugter Einzeltäter”. Das politische Potenzial wäre da, aber das publizistische und politische System will dieses nicht. Es hat keinen Sinn, diesen Umstand zu bejammern.
Stattdessen sollte man die Leute überzeugen, die Parteien, die dieses System prägen, nicht mehr zu wählen. Und keine Zeitungen mehr zu kaufen, die der Ansicht sind, sie müssten ihre Leser vor suspekten Inhalten beschützen.
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