Der Österreich-Vertreter der deutschen Wochenzeitung Die Zeit hat die Medienflotte der FPÖ in Augenschein genommen und gemeint, das Geschäftsmodell des blauen Geschwaders bestünde im Vermarkten von von der Partei zur Verfügung gestelltem Content. So etwas sei politische Kommunikation und kein unabhängiger Journalismus (wo er recht hat, hat er recht). Spannend wird’s, wenn der Autor fest stellt, dass die Blauen über die eigenen Kanäle ihre politische Botschaft “so ungefiltert wie (…) noch nie” an die Kundschaft bringen könnten.
An dieser Stelle könnte man noch naiv fragen, warum Sebastian L. hier das Thema Filter anreißt und erhielte zunächst zur Antwort, dass sich die FPÖ von den etablierten Medien schofel behandelt fühle und dass sie ein Feindbild von diesen entwickelt habe (wer kann nur auf den absurden Gedanken verfallen, die etablierten Medien seien der FPÖ feindlich gesinnt? )
Sie habe sich daher entschlossen, auf die bisherigen Torwächter der Öffentlichkeit so weit wie möglich zu verzichten, was im Digital-Zeitalter durchaus funktioniere.
Die Gatekeeper-Funktion der etablierten Medien und ihrer Redaktionen ist heute mehr und mehr umschiffbar. Und die rechtspopulistischen Bewegungen haben dies früher erkannt und diese Erkenntnis weit besser genutzt als alle anderen Parteien. Mit dem Ergebnis, dass die FPÖ in ihrer Zielgruppe, aber zunehmend auch deutlich darüber hinaus, die Deutungshoheit innehat.”
Die Strache-Medien schafften
Gesprächsstoff, erzeugen Likes, suggerieren Relevanz und Richtigkeit, multiplizieren Stimmungen – und bestärken Ängste. Und sie tun das in sich zunehmend abschottenden Räumen der medialen Öffentlichkeit, in die es für abweichende Meinungen oder divergierende Darstellungen geradezu unmöglich wird, einzudringen.”
Das klingt nicht falsch – oder versuchen Sie einmal, einen refugee welcome-Kommentar auf unzensuriert.at zu posten! Der wird nur durchkommen, wenn in der dortigen Redaktion jemand auf die Idee kommt, man könne ein solches Posting gut als Reibebaum gebrauchen, um die die Reihen der Lieben enger zu schließen.
Interessant ist nur, dass das vom Sprachrohr eines Berufsstandes gesagt wird, der z.B. von Paul Craig Roberts ständig mit liebevollen Bezeichnung Presstituierte bedacht wird – in diffamierender Absicht, aber mit guten Gründen;
vom Repräsentanten einer vom Aussterben bedrohten Gattung, die derzeit die besten Beispiele für publizistische Echokammern und abgeschottete mediale Räume liefert;
von einem vergleichsweise jungen Mann, der sich eine eigennützige Ideologie von Berufsjournalisten zueigen macht, die i.d.R. eine Generation älter sind; nämlich das Selbstverständnis, man erfülle eine für das Funktionieren demokratischer Öffentlichkeit unabdingbare Rolle, eine selektierende, reduzierende und strukturierende Funktion.
In der Nachrichtenforschung wurde einst wortreich darüber geschrieben, siehe z.B. hier und auch Achtzehnender aus dem Staatsfernsehen pontifizieren heute noch darüber, wenn sie versuchen, ihre berufliche Existenz (und die von ihnen bezogene Gage) zu begründen.
Die Gatekeeping-Theorie des Journalismus hat ja durchaus etwas für sich – ohne Reduktion, Filter geht’s halt nicht.
Das Problem ist nur, dass die vorfindlichen Torwächter des Mainstreams willkürlich darüber entscheiden, wer eingelassen wird und wer nicht.
Oder sagen wir besser: nach eigenem ideologischen Gusto, der “zufällig” auch jener ihrer Brötchengeber ist. Die Selbstbezeichnung dafür lautet manchmal auch liberal, aber zwischen “liberal” und liberal wollen wir jetzt nicht zu unterscheiden beginnen (sonst findet dieser Text nie ein Ende).
Der entscheidende Punkt ist auch nicht, dass die Torwächter dem ältesten Gewerbe der Welt nachgehen, in dem Ehrbarkeit und ein bestimmtes Berufsethos ja nicht auszuschließen sind.
Der entscheidende Punkt ist, dass sie lügen, wie ihnen aus tausend Kehlen von außerhalb ihrer Echokammern entgegen schallt.
Dieser Vorwurf trifft im naiven Sinn des Wortes nicht so oft zu, denn eine buchstäbliche Lüge ist ziemlich neandertal. Sie ist primitiv, unprofessionell und kann leicht aufgedeckt werden. Sie liegt speziell unter der Würde von selbst ernannten Qualitätsjournalisten.
Bei denen geht’s mehr um Darstellungslügen, welche, die durch Verdrehung, Auslassung, Tabuisierung und Umwortung hergestellt werden, oder solche, die durch die selektive Anwendung von Standardprozeduren entstehen.
Man kann manchmal auch Mythen dazu sagen. Das Netz im Allgemeinen und dieser Blog im Speziellen ist voll von Beispielen für solche Mythen/Unwahrheiten und die einfachsten und offensichtlichsten betreffen die Coverage des erneuten Kalten Kriegs, der sich zwischen dem Westen und den Russen entsponnen hat.
Das ist für hiesige publizistische Normalverbraucher (und -produzenten) aber die noch einfachste Übung.
Schwieriger bis unmöglich ist eine solche kritische Positionierung in der “Flüchtlingsfrage”.
Das beginnt schon bei der Verwendung dieses Begriffs, der zur Bezeichnung von Leuten eingesetzt wird, die in der Mehrzahl Migranten sind (Umwortung).
Es setzt sich mit dem Verschwinden eigentlich stinknormaler Fragen fort, die zwangsläufig überall entstehen, wo Gesellschaften mit Immigrationsströmen konfrontiert werden, die geeignet sind, bisherige Identitäten und Funktionsweisen zu verändern.
Diese Themen werden entweder gar nicht zugelassen, oder auf einem Niveau abgehandelt, das signalisiert, dass derlei kein Thema für normale und/oder anständige Leute ist, sondern höchstens eines für böse Rechtspopulisten (Auslassung, Tabuisierung).
Journalistische Doppelmoral
Die hohe Schule der politisch korrekten Nachrichtengebung ist aber die selektive Anwendung des Handwerkszeugs, je nach politisch-weltanschaulicher Opportunität. Was hier ein Thema ist, ist dort keines und das kritische Nachhaken auf der eine Seite entspricht dem scheinkritischen Hölzchenwerfen auf der anderen.
Es geht um eine journalistische Doppelmoral, die beispielsweise viele ORF-Zuseher vorbewusst mit bekommen. Sie leiten daraus (richtig) ab, dass bei den Programmmachern eine Voreingenommenheit für oder gegen eine Person bzw. ein Thema besteht.
Die Herstellung einer minutiös belegbaren, quasi gerichtsfesten Argumentationskette ist freilich eine andere Geschichte, die viel Zeit, Geld und sonstigen Erkundungsaufwand erfordert. Oft müsste sogar böser Wille belegt werden, was kaum jemals gelingt.
Der bias ist trotzdem existent und er ist oft mit Händen zu greifen.
Das vielleicht beste Beispiel für die selektive Anwendung von Recherche ist die inzwischen berühmt gewordene Tempelberg-Causa vom Mai 2016, bei der das ORF-Fernsehen ein G’schichterl, das der freiheitliche Präsidentschaftskandidat über eine Dienstreise nach Israel erzählte, als Halbwahrheit entlarvte, als Halbwahrheit inmitten eines Geländes voll politischer Tretminen.
Es war ein üblich ausgeschmücktes und zurecht gerücktes, ein typisches G’schichterl, wie es Journalisten ständig erzählt wird, eines, das üblicherweise als Anekdotische Evidenz für irgendetwas herhalten muss.
Etwas, worüber man im Alltag sagen würde, dass es nicht ganz falsch und nicht ganz richtig, in letzter Konsequenz aber wenig erheblich war.
Wenn die Politik-Journos anfangen würden, Erzählungen dieses Typs auf den Grund zu gehen, hätten sie viel zu tun keine Zeit mehr, Sendungen zu produzieren.
Aber gut – die Recherche war nun einmal da und die FPÖ gab sich empört, dass ihrem Kandidaten nachrecherchiert worden war (wo kämen wir denn da hin?).
Die eigentliche Gretchenfrage ist freilich: Hat jemals eine vergleichbare Recherche zum Gegenkandidaten Hofers stattgefunden, war/ist eine solche überhaupt denkbar? Wurde ein ähnlich harter, prüfender Blick auf Van der Bellen geworfen?
Natürlich nicht.
Der ORF hat es nicht einmal der Mühe wert befunden zu berichten, dass ein wesentlicher Teil der familiären Migrationsgeschichte des bevorzugten Kandidaten, eines Flüchtlingskinds, aus einer von den Nazis organisierten Umsiedlung nach Wien bestanden hat.
Ähnliches gilt übrigens auch für die Zeit, jene highbrow Wochenzeitung, für die der eingangs zitierte Trend-Kommentator arbeitet.
Die hat im März zwar als erste geschrieben, dass die Van der Bellens 1941 heim ins Reich geholt wurden, “als vermeintliche Deutsche” (der Kurier meinte später, es habe “zwangsläufig Kontakte zu den NS-Behörden” gegeben).
Die Zeit hat die Sache aber von Beginn weg als Flucht dargestellt – ohne beispielsweise zu erwähnen, dass Van der Bellen-Mutter, die ledige Anna Siebold, keine vermeintliche, sondern eine Volksdeutsche gewesen ist, die nach den damaligen Kriterien rassisch qualifiziert war.
Eine solche Darstellung ist kein Zufall und die Sache, um die es ging, war klarerweise der Wunsch, das dominante Medien-Mem zu Van der Bellen aufrecht zu erhalten. Wäre Die Zeit zu nah an die Realität der Nachumzugsvereinbarung von 1941 gekommen, hätte sie womöglich Probleme bekommen, ihr Stück mit Ein Flüchtlingskind zu betiteln.
Man kann das als kleine Ungenauigkeit im Dienst einer guten Sache sehen – oder eben als einen kleinen Teil eines riesigen Gespinsts aus Darstellungslügen. Meinetwegen auch als einen der Filter, mit deren Handling die Gatekeeper der etablierten Medien betraut sind.
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