Die Österreicherin Ingrid Brodnig hat ein Buch über fake news geschrieben, in dem sie manch Zutreffendes feststellt. Wesentlich ist aber, dass hier eine Person das Wort ergreift, die jener modernen Priesterkaste angehört, die sich bevollmächtigt wähnt den Leuten die richtige Denke beizubringen. Doch was Eriehungsjournos dieses Schlags unter fake news verstehen, verrät mehr über die Giftküchen der Lügenpresse als über echte Nachrichtenfälschungen. Drei Beispiele. NB zu fake news zu Flüchtlingen.
Ingrid Brodnig, Journalistin, Autorin und digitale Expertin von eigenen Gnaden, war bis Anfang dieses Jahres Medienredakteurin des profil, eines österreichischen Wochenmagazins von zweifelhaftem publizistischen Leumund (seither ist sie dort nur mehr Kolumnistin).
Die vor zwei Monaten erschienenen Lügen im Netz sind ihr drittes Buch, nach Veröffentlichungen über Anonymität (2014) und Hass im Internet (2016).
Es ist ziemlich offensichtlich, dass Leute wie Brodnig an der breiten Säuberungs- aka Zensurbewegung teilnehmen, mit denen vorgeblich besorgte Regierungen und ihre institutionelle Helfen politisch unliebsame einzelne und Gruppen verfolgen und mundtot machen – als Hassposter, Lügner, Leugner oder Zweifler.
Unsere schwindsüchtigen traditionellen Medien leisten bei diesem Unterfangen Schützenhilfe – weil sie sich wirtschaftlich geschädigt fühlen, vor allem aber, weil Deutungshoheit bzw. Manipulationsmonopol in Gefahr geraten sind.
Die drei Lieblingsposen, die die Journaille in diesem Kampf einnimmt, sind die des Aufklärers, des Agenten der Rationalität oder des faktenorientierten Informationsprofis.
Selten wird man diesem Anspruch jedoch gerecht. Man agiert lieber als Informations-oder Ideologiekrieger.
Während man dem Publikum leidenschaftslose Recherche und ergebnisoffenen Check und Gegencheck verheißt, wird nicht selten verschwiegen, gelogen und zurecht gebogen, dass es nur so kracht.
Wenn hier jemand einen Faktenchecker bräuchte, sind es jene Profi-Journalisten, deren Geschichten bereits feststehen, bevor sie mit dem Faktensammeln beginnen.
Die Brodnig liefert wenigstens drei Beispiele für diese Behauptung. Dass diese digitale Botschafterin der Republik Österreich in ihrem Buch zu wenig Platz oder zu wenig Zeit für eine bessere Darstellung gehabt hätte, lässt sich jedenfalls nicht vorbringen.
“Fake News I”: Die reimportierten Immigranten
Das Beispiel, das die Autorin an den Beginn ihres ersten Kapitels stellt, ist eine Meldung des österreichischen Wochenblicks aus dem März 2017, die nach ihrer Darstellung wie ein Lauffeuer durch das Internet gegangen sein und unzählige Hasspostings hervorgerufen haben soll.
Brodnig kontaktiert dann auch eine dieser Posterinnen, eine 55-jährige Bayerin, die in ihrer Äußerung auf Facebook ihre Sympathie für die AfD bekundete und unterhält sich zweieinhalb Stunden mit ihr. Sie fragt sich:
Wie denkt sie über den Bericht, dass Angela Merkel auf 12 Millionen Migranten hofft. Ärgert es sie, dieser irreführenden Meldung geglaubt zu haben?
Die Frau erweist sich aber als starrsinnig. Sie antwortet der Erziehungsjournalistin, dass die Meldung wahr sein könnte und beharrt deshalb auf ihrer Wortmeldung.
Die Aussage hat mich dann doch überrascht, auch wenn ich online schon häufiger solche Argumentationen gelesen haben. Nur: Wie antwortet man Menschen, die erklären, dass eine falsche Information zwar nicht wahr sei, aber eines Tages doch noch wahr werden könnte?
Der spannend geschilderte Vorfall (“Es ist Sonntagabend, der 12. März 2017: Im Eiltempo verbreitet sich eine Meldung…”) zeigt nach Darstellung Brodnigs also: Eine Wutbürgerin wird darüber aufgeklärt, dass der Auslöser ihres Wutanfalls im Internet eine falsche Nachricht gewesen ist, erweist sich aber als gegen “die Wahrheit” resistent.
Wie hat es sich mit der fraglichen Meldung, die die nicht verteidigt wurde, nun wirklich verhalten? War die wirklich so falsch, dass sie taxfrei zu fake news erklärt werden kann?
Darauf gibt es eine klare Antwort: Nein, denn die Meldung war bis auf eine Formulierungs-Unschärfe richtig.
Hier nun die beanstandeten news in ihrer ganzen Pracht:
Hat die Merkel nun tatsächlich erklärt, sie hoffe auf 12 Millionen Immiganten?
Das ist nirgendwo überliefert. Insoferne könnte man an der Wochenblick-Formulierung tatsächlich herummäkeln.
Im Berufsjargon freilich kann man getrost von einer Zu- bzw. Überspitzung reden, eine Disziplin, in der gerade profil weltmeisterlich agiert.
Was ist nun die Quelle des Wochenblick-Artikels? Eine englische Massenzeitung, die tatsächlich unter Anführungsstrichen schrieb, die Merkel-Regierung “hoffe” darauf.
Der Kern der Meldung ist übrigens auch im englischen Express in Ordnung – wenn auch “alt”.
Die Nachricht stammt nämlich aus der sogenannten Demografiepolitischen Bilanz, die das deutsche Kabinett bereits Anfang Februar in Berlin abgesegnet hat (und über die die Rheinische Post vorab berichtete).
Im zugrunde liegenden Papier wird von einer dauerhaft höheren Einwanderung nach Deutschland in Höhe von 300.000 Menschen pro Jahr ausgegangen – mit einer unzweifelhaft positiven Konnotation (denn dann muss bis 2060 nicht mit einer sinkenden Bevölkerungszahl gerechnet werden).
Die Story wurde bereits Anfang Februar vom deutschen Mainstream berichtet - nicht aber in Österreich, wo man das Thema verzichtbar fand.
Eineinhalb Monate später wurde das Papierl im englischen Boulevard wieder wachgeküsst und per (prinzipiell legitimer) Multiplikation aufgepeppt (300.000 Ausländer mal 40 Jahre = 12 Millionen Einwanderer). Der Wochenblick hat das Thema nur in den deutschen Sprachraum reimplantiert.
Natürlich wurde die Meldung nirgendwo “nachgezogen” – in Deutschland, weil man sie bereits “abgefeiert”, und in Österreich weil eine rechte Zeitung sie aufgewärmt hatte (und es wirklich ein alter Hut war).
Das heißt: Der hiesige Medien-Mainstream hat – ausweislich Google – das Thema ignoriert, pudelt sich aber mächtig auf, nachdem ein “rechtes Medium” mit großer Verspätung die Nachricht bringt – zugespitzt meinethalben, aber auf eine Art, die als branchenüblich zu bezeichnen ist.
“Fake News II”: Hillary Cs Waffenverkäufe
Ein weiteres Beispiel für Nachrichtenfälschung nach Art Brodnigs, stammt aus dem US-amerikanischen Online-Medium buzzfeed.
Die zweitstärkste Fehlinformation behauptete, dass Hillary Clinton Waffen an die Terrorgruppe „IS“ verkauft hätte.”
Auch das kann man nur insoweit als “Fehlinformation” bezeichnen, als der Öffentlichkeit kein gerichtsfester Beweis vorliegt, dass die Clinton während ihrer Zeit als Außenministerin (2009-2013) selbst und direkt solch Geschäfte betrieben hat.
Deshalb wertet Faktenchecker snopes den claim als nur halb wahr (“mixture”)
Die Indizienlage ist ungeachtet der Beweise gegen HCR jedoch ziemlich dicht.
Nicht, weil es auch Aufdeckerlegende Seymour Hersh behauptet, sondern vor allem, weil Wikileaks Clinton-Emails veröffentlicht hat, die das deutlich machen.
Wikileaks-Gründer Julian Assange fasst die veröffentlichten Emails in einem Interview im Sommer 2016 folgendermaßen zusammen:
In auszugsweiser eigener Übersetzung:
Zum Beispiel die desaströse, absolut desaströse Intervention in Libyen, die Zerstörung der Gaddafi-Regierung, die dazu geführt hat, dasss ISIS große Teile dieses Landes besetzt hat (und) dass sich der Waffenfluss nach Syrien verlagert hat, gepusht durch Hillary Clinton, an Jihadisten in Syrien einschließlich der ISIS. Das steht in jenen Emails. Es gibt mehr als 1.700 Emails allein über Libyen in der Clinton-Sammlung, die wir veröffentlicht haben.”
Persönliches Resümee: Das als fake news hinzustellen, ist ein starkes Stück, das nur Wolle gefärbten Hillary-Unterstützern einfallen kann.
“Fake News III”: Trumps manipulierte US-Wahlen
Trump, sagt Brodnig, habe die falsche Nachricht in Umlauf gebracht, dass die Wahlen vom 8. November ’16 zu seinen Ungunsten manipuliert worden seien.
In diesem Zusammenhang führt sie eine Twitter-Nachricht des US-Präsidenten an, wo dieser behauptet, dass er auch die absolute Mehrheit errungen hätte, wenn keine nicht Wahlberechtigten mitwählen hätten dürfen.
Inwieweit das der Vorwurf der Manipulation ist, sei dahingestellt.
US-Medien wie auch Brodnig haben richtigerweise darauf hingewiesen, dass Trump diese seine Aussage nicht beweisen könne.
Es handelte sich freilich um eine Hättiwari-Aussage, bei der üblicherweise niemand auf die Idee kommt, nach einem Beweis zu fragen.
Um einen Beweis konkret dafür zu erbringen, müsste die neue Regierung unter 130 Millionen Wählern erheben, wie viele Nicht-Staatsbürger ihre Stimme abgegeben und wie diese gewählt haben.
Das ist praktisch unmöglich – und wenn demokratische Politik generell unter dem Zwang stünde, vergleichbare Aussagen zu beweisen, würde sich der politische Prozess eher früher als später aufhören.
Man könnte nur darüber räsonnieren, wie wahrscheinlich es ist, dass Trumps “Ansage” zutrifft.
Es ist jedenfalls Faktum, dass in manchen “liberalen” Wahlbezirken kein Ausweis verlangt wird, dass eine Studie die frühere Zahl nicht berechtigter Wähler mit mehreren Millionen ansetzt und dass der Löwenanteil der Einwanderer in die USA demokratisch zu stimmen pflegt – siehe dazu z.B. hier.
Niemand kann mit Sicherheit sagen, ob Trump auch die absolute Mehrheit errungen hätte, hätte es keinerlei (illegal) immigrantische Wähler gegeben – vielleicht, vielleicht auch nicht.
Das freilich ist unter den gegebenen Umständen eine nur symbolisch relevante Frage, denn: Im historisch tradierten US-Wahlmännersystem können sich Kandidaten auch dann durchsetzen, wenn sie landesweit über keine Mehrheit im sogenannten popular vote verfügen.
Nachbemerkung, 12.8. 8.00 Uhr: Ach ja, wg.”Schweigen zu Fake News”.
Man könnte argumentieren, dass die epidemische Flüchtlingsberichterstattung der Paradefall von fake news ist – weil die Flüchtlinge nur zu einem kleinen Teil Flüchtlinge sind, die vor Verfolgung in ihrer Heimat geflohen sind.
Das wäre eine interessante Diskussion – die von den Gutmenschen aber wohl verweigert würde, die die Erfinder und Propagandisten dieses Mythos sind.
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