Die “evangelikale” NGO Open Doors hat wie jedes Jahr um diese Zeit ihren Weltverfolgungsindex veröffentlicht – der die österreichischen Mainstream-Medien (mit einer Ausnahme) natürlich nicht interessiert. Dass 200 Millionen Christen von Verfolgung bedroht sind, kann man ja “mit einer Prise Salz nehmen”. Der Überblick, wo diese Verfolgung besonders intensiv ist, ist aber ziemlich gut. Neben Indien und Nordkorea tut sich die arabisch-muslimische Welt besonders hervor.
Viel gäbe es dazu zu sagen, auch über die Trennschärfe des Begriffs “Verfolgung”, die den Religions-Spezialisten im ORF besonders am Herzen zu liegen scheint.
Beeindruckend gut gelöst hat Open Doors die graphisch-mediale Umsetzung des 472 Seiten starken Hauptberichts (der auf der Webseite von Open Doors Deutschland übrigens downloadbar ist).
Der Interessent kann auf einer Weltkarte auf einen Blick erkennen, wo der staatliche und gesellschaftliche Verfolgungsdruck besonders hoch ist – je röter der Farbton, desto schlimmer schätzen die Autoren die Gesamtsituation (für Christen) ein.
Zeigt man mit der Maus auf den betreffenden Staat, wird der “Rang” angezeigt, den das Land im Index einnimmt.
Das befriedigt die zahlreichen Freunde von Bestenlisten (von den coolsten Energy-Drinks bis hin zu den schlimmsten Menschenrechtsverletzern – der Neugierde der Leser und der medialen Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Es lebe Ranking!).
Weil die Informationsmenge eines Farbtons und der Platzierung in einer Bestenliste aber enden wollend ist, kann der Interessent über einen Link “in die Tiefe gehen” und sich z.B. über die konkrete Lage in Syrien oder Nordkorea informieren.
Spätestens hier wird dem Außenstehenden klar, welche enorme Bandbreite an Verfolgung es gibt und dass die staatliche Verfolgung im kommunistischen Nordkorea völlig anders aussieht als z.B. Ehrenmorde etc. durch andersgläubige Familienangehörige in einem an sich sekulären Staat des Nahen Ostens.
Der Farbton auf der Karte ist freilich womöglich genau derselbe.
Aha-Erlebnisse in Serie
Wer das Interesse und die Zeit dafür aufbringt, kann Dutzende von sichtlich gut recherchierten Seiten über die konkrete Situation in (fast) jedem beliebigen Land aufrufen.
Das kann speziell für Atheisten und Fans säkulärer Ordnungen etwa in Westeuropa zu Aha-Erlebnissen in Serie führen.
Diese Gruppe, die oft von Kulturkämpfen mit der im Inland majoritäten Religion erschöpft ist, kann lernen, warum sich christliche Akteure z.B in Ländern des Nahen Ostens (weitgehend) überkonfessionelle Staaten wünschen.
John Allen erläutert dieses bezeichnenede Phänomen in seinem 2013 erschienenen Global War folgendermaßen:
The Christian reaction to secularism is a classic case in point. It may be the bogeyman of many believers across Europe and the United States, where it often conjures up Gay Pride parades, legalized abortion, and scorn for traditional religious belief. But for Christians in the Middle East, secularism is more like a survival strategy.”
In a neighborhood where Christians are a small minority often perceived as a beachhead for the West, state support for religion generally means heartache, and a secular understanding of church/state separation offers a shelter from the storm. As a result, nowhere on earth are Christian leaders more zealous apostles for a legal order that protects both pluralism and freedom of conscience (…).”
Es geht Allen, der ein wenig glaubenseifriger Taufschein-Katholik zu sein scheint, nicht um Vorrechte für eine von ihm präferierte In-Gruppe, sondern um den traurigen Umstand, dass diese in vielen Ländern wegen ihres Glaubens verfolgt wird – häufiger als jede andere religiöse Gruppe.
In September 2009, the chairman of the International Society for Human Rights, Martin Lessenthin, estimated that 80 percent of all acts of religious discrimination in the world today are directed against Christians (…).”
Literatur:
John. L. Allen Jr., The Global War on Christians. Dispatches from the Front Lines of Anti-Christian Persecution. 2013
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