Akif & die Empörungsgemeinde: Bitt’, Herr Lehrer, der hat KZ gesagt!

screenshot_youtube
Der Wutredner. Screenshot Youtube

Der Bestseller-Autor Akif Pirincçi (“Felidae”) hat bei einer rechten Demonstration in Dresden einen Satz fallen lassen, der unter Politicos und ihrer Lügenpresse einen Empörungssturm der Windstärke 13 entfacht hat: “Die KZs sind derzeit ja außer Betrieb.” Was  ganz klar ein sarkastischer Kommentar zur heutigen politischen Klasse war, wurde gezielt missverstanden. Die Fehlberichterstattung hat großen wirtschaftlichen Schaden angerichtet. Der rechtspopulistische Schriftsteller sollte die Kampagnisierer auf Schadenersatz klagen.

Es ist zwar zweifelhaft, ob die oft politisch agierende Justiz in Deutschland, Österreich und der Schweiz Pirincςi Recht geben würde, die Sachlage selbst ist aber ziemlich eindeutig. Es existiert nämlich eine Aufzeichnung der fraglichen Passage in einer Rede auf einer von Pegida veranstalteten Demonstration. Jeder kann sich selbst überzeugen, dass die coverage wahrheitswidrig und wahrscheinlich kreditschädigend war. Hier ist der Youtube-Clip (der knapp vor der inkriminierten Passage bei 1 Stunde 37 Minuten einsetzt). Eigene Transkription, eigene Hervorhebung:

Am 14.10. 2015 findet in der nordhessischen Gemeinde Lohfelden, ca. 60.000 Einwohner, ein Informationsabend bezüglich der aktuell erfolgenden Belegung von vorerst 400 Invasoren statt, an dem auch der Regierungspräsident der Stadt Kassel, Dr. Walter Lübcke, CDU, teilnimmt. Als ein Zwischenrufer seinen Unmut über die Errichtung des Erstaufnahmelagers mit den Worten: Aber das wollen wir nicht bekundet, antwortet ihm Lübcke cool: Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen (…) Mit Werten ist gemeint, dass jeder Dahergelaufene, der seinen Fuß illegal auf deutschen Boden setzt, das Recht erzwingen darf, sich bis an sein Lebensende und das seines Clans, von den Scheißkartoffeln auf Luxusniveau verköstigen zu lassen. Es ist ausgeschlossen, dass der Mann diesen Satz bei der Unmutsäußerung eines sogenannten Schutzbedürftigen über seine missliche Lage von sich gegeben hätte. Offenkundig scheint man bei der Macht die Angst und den Respekt vor dem eigenen Volk so restlos abgelegt zu haben, dass man ihm in (unverständlich) Zukunft die Ausreíse empfehlen kann, wenn er (sic) nicht pariert. (Zwischenrufe: Widerstand, Widerstand) Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZ’s sind ja leider derzeit außer Betrieb. (…)”

Alsbald setzte ein Empörungssturm ein – unter Freunden und Feinden, Zuhörern und Nichtzuhörern – und in so ziemlich allen Gazetten zwischen Bozen und Sylt. Keine von diesen verzichtete darauf, das corpus delicti wörtlich zu zitieren: “Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja derzeit leider außer Betrieb.”

Ist doch eindeutig, oder?

Ja, aber in einem ganz anderen Sinn.

Der Satz ist klassisch aus dem Zusammenhang gerissen, wie jeder versteht, der imstande ist sinnerfassend zu lesen/zuzuhören. Pirincci hat das Gegenteil des Behaupteten gesagt: Er hat den Politikern den (natürlich sarkastisch gemeinten) Vorschlag gemacht, deutsche Asylkritiker in ein KZ einliefern zu lassen. Die Zeitungen haben die Passage aber so dargestellt, als wolle der Redner die Politiker – oder wahlweise die Asylwerber – in ein KZ einliefern lassen.

Es gibt hier keinen wirklichen Deutungsspielraum   – wem die oben transkribierte Passage als Kontext zu wenig ist, soll sich noch die vorangehenden zwei Minuten anhören – dort sagt der Redner u.a., dass die “demokratischen” Politiker die Maske hätten fallen lassen und dass sie dem eigenen Volk wie Nazi-Gauleiter entgegentreten würden (1:36:45). Warum sollte jemand, der an Neonazi-Gefühle appellieren will, so etwas sagen?

***

Der von Pirincςi geschilderte Vorfall hat übrigens wirklich stattgefunden – man kann ihn sich hier ansehen:

Von angeblich oder so kann also keine Rede sein. Der Herr Dr. Lübcke hat einem Anrainer, der gegen die Einquartierung von Flüchtlingen auftrat, unmissverständlich die Ausreise nahegelegt – und er steht heute noch zu dieser seiner Aussage/Haltung.

 ***

Die mediale Version des KZ-Satzes des kleinen Akif scheint jedenfalls Auslöser für die Aufkündigung seiner Autorenverträge durch zwei Bertelsmann-Verlage zu sein. Von den nicht-materiellen Folgen der gefälschten Rudel-Berichterstattung einmal abgesehen, hat Pirinicςi dadurch viel Geld verloren.

Spiegel Online ist nur ein Beispiel für diese Art von Berichterstattung. Hier ein Screenshot aus dem betreffenden Artikel (für den Fall, dass die Sache nachträglich “saniert” werden sollte):

Spiegel_ursprürglich

Das ist in meinen Augen ein klarer Fall von vorsätzlich/fahrlässig begangener Kreditschädigung, etwas, das leicht zu vermeiden gewesen wäre. Hätten die Redakteure die per livestream und danach auf Youtube abrufbare Rede an- bzw nachgehört, hätte ein solcher Fehler nicht passieren können. Die Medien sind schlicht und ergreifend ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen. Jeder Journo hätte sich mit drei Mausklicks vergewissern können, ob Pirincci das Berichtete tatsächlich gesagt hat.

Der kleine Akif hat an seinen Büchern bisher gut verdient und ist finanziell unabhängig wie sonst kaum jemand anderer. Wenn er Eier hat (um mich verständlich zu machen), nimmt er sich einen guten Medienanwalt und klagt seine Verleumder durch Sonne und Mond – in drei Ländern, systematisch und auf hohe Beträge, auf Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen Euro Schadenersatz.

***

Der Mann hat seinen Ruf weg. Er ist einer, der pointiert formuliert und der vor Wertungsexzessen und einer drastischen Wortwahl nicht zurückschreckt.

Ob die Wahl eines solchen Redners klug ist, wenn man verängstigte Bourgeois auf seine Seite ziehen will, sei dahingestellt. Auch, ob Pirincςis Ausdrucksweise grobianisch und damit originell und literaturfähig – oder ob sie primitiv ist.

Aber darum geht es hier nicht. Es geht darum, ob es dem journalistischen Rudel erlaubt ist, einem in der Öffentlichkeit Redenden das Wort im Mund umzudrehen.

Dank an die Foristen des Gelben Forums.

Foto: Youtube Screenshot

Unabhängiger Journalist

Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.