Im westniederösterreichischen Stadt Haag wird ein “Shakepeare” aufgeführt, der bestenfalls entfernte Ähnlichkeit mit Measure for Measure hat. Die schwarze Komödie des englischen Reneaissance-Dramatikers geriet zu einem clownesken Agitprop-Stück für Klassenkampf und käuflichen Sex.
Dieser Blogger, hielt das Gesehene zuerst für eine Bearbeitung des Stoffs durch Dario Fo – wegen der eigentlich typischen farçenhaften Elemente des Dramas und dem clownesken Einschlag sowie aufgrund einer geradezu obsessiven Beschäftigung mit Rotlichtmilieu & Kleinkrimninalität.
Meine Suche nach dem zunächst vermuteten Original des italienischen Dramatikers blieb jedoch ergebnislos – erst nach und nach dämmerte mir, dass es das Gesuchte gar nicht geben kann – und dass Fo vor 30 Jahren Figuren wie Isabella wohl noch gar nicht hätte schreiben können..
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Die Haager Isabella jedenfalls ist keine angehende Nonne wie die Figur Shakespeares, sondern ein wortgewaltiges Flintenweib, das mittels Hinterlader Jagd auf Ratten macht.
Sie ist auch nicht ätherische Schwester eines zum Tod verurteilten Adeligen, sondern Ehefrau eines Diebs und Schürzenjägers, den eine durch und durch heuchlerische Ersatz-Obrigkeit zum Tod verurteilt hat.
Beide Isabellas – die originale und die Haager – wollen den Verurteilten retten, verweigern sich aber dem dem bigott-lüsternen Vize-Regenten Angelo, der Sex für die Begnadigung Claudios möchte.
Das Team Bordell, im Original Geschehniserzähler und Stichwortgeber, ist in der Haager Version eine Mischung aus allgemeinem Volk und spezieller Opfergruppe sowie Bundesgenosse des guten und legitimen Oberürgermeisters (des Wiener Herzogs bei Shakespeare)..
Dieser musste angeblich zwar verreisen, hält sich aber heimlich in der Nähe auf und beobachtet verkleidet das Treiben seines bösen Stellvertreters.
Er fällt Angelo in den Arm, als dieser Claudio aufhängen lassen will – kann dies letztlich aber nur bewerkstelligen, weil der Geschäftsführer des Puffs “für die Zeche aufkommen kann”.
Die Mittel dafür hat der Zuhälter dem Delinquenten abgenommen, der sie zuvor bei einem Überfall auf einen reichen Händler erbeutet hatte.
Mit dem Geld können nun die Schergen des Super-Heuchlers gekauft und dieser schachmatt gesetzt werden.
Am Schluss wird Angelo mitsamt seinem Halskrause tragenden Hund verjagt und der legitime gute Amtsträger sinkt in die Arme des Volks – im vorliegenden Fall in jene der Angelique von Brunsback-Futschnigg, der Madame des Etablissements.
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Nichts gegen alternative Blickwinkel oder eine “neue Herangehensweise”, meint dieser Blogger - schließlich hat auch Shakespeare seine Quellen gehabt und diese eigenständig verarbeitet.
Aber “ein Shakepeare” war das wirklich keiner – auch kein Lustspiel von eben diesem. Obwohl die Kultur-Experten der Strabag und des Landes, die die Produktion gefördert haben, das so gesehen haben mögen.
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