Bundeskanzler Basti wird (wurde) am Mittwoch vom wahlkämpfenden russischen Präsidenten empfangen. Die Schoßhündchen-Medien wissen nicht recht, was sie berichten sollen, weil für den öffentlichen Gebrauch bestimmtes Diplomatengeschwätz alles ist, was sie haben. Wie wär’s mit einer Erdgas-Geschichte, in der auch die EU ihr Fett abkriegt?
Journos suchen ja immerzu nach einem Aufhänger – und das ist die Visite bei einem Staatschef, dessen Staatsfirma 60 Prozent des eigenen Erdgasverbrauchs liefert, allemal – vor allem wenn man eh nicht weiß, was Präsident P. und Kanzler B. hinter verschlossenen Türen palavern?
Das Maximum, zu dem sich unsere selbst ernannte Informationselite herablässt, ist der (oft aus div. Geschwätz destillierte) Hinweis, dass die Beziehungen zwischen der (gesamten) EU und Moskau “schwierig” seien, weil
- Russland 2014 die Krim “annektiert” habe, weswegen man Sanktionen habe verhängen müssen
- und weil Moskau seine Energielieferungen als Waffe einsetze um die Union kirre zu machen.
Den ersten Punkt schenke ich mir an dieser Stelle und erinnere nur daran, dass die Krim schon vor 200 Jahren zum Zarenreich gehört hat und dass der (vor)letzte westeuropäische Versuch, Russland die Krim zu entreißen in einem bis dahin beispiellosen Blutbad geendet hat.
Der Krimkrieg des 19. Jahrhunderts wurde vom “Westen” zwar gewonnen (wie in den Geschichtsbüchern steht) – die Krim blieb aber russisch.
Nun zu Putins angeblicher Erdgaswaffe.
Das ist so eine Behauptung von transatlantisch gesinnten Medien, die auf einer realen Grundlage stehen kann – oder auch nicht.
Verwunderlich wäre es nicht, wenn ein Staat sich Tauschbeziehungen zunutze machte, um eigene (“nicht-wirtschaftliche”) Zwecke zu verfolgen (das stört gestandene Etatisten freilich sonst nie).
Von da her ist das deklarierte energiepolitische Ziel, vom russischen Lieferanten unabhängiger zu werden, in Ordnung (und ein Kurs, den jedes stinknormale Unternehmen einschlagen würde).
Die Frage ist nur, ob
- wirklich die Diversifizierung der Lieferanten angestrebt wird,
- und ob es nicht vielleicht doch um den Verzicht auf das gelieferte Gut geht, z.B. wg. ideologischer Verbohrtheit oder schierer Inkompetenz
- und – in letzter Konsequenz -, ob es überhaupt eine vernünftige, gangbare Alternative zu den fraglichen Lieferungen gibt.
Die ersten beiden Fragekomplexe böten, wenn man wollte, Stoff für Dutzende Zeitungsgeschichten; faktenorientierten storys auf Basis hochoffizieller Statistiken oder von Geschehnissen, die sich nur beschränkt uminterpretieren lassen.
Der Kern dieser Geschichten geht - stark vereinfacht und im Telegrammstil – folgendermaßen:
Die EU hat kaum, Russland aber viel Erdgas – letzteres bräuchte aber Hilfe und Kapital um seine Vorkommen technisch sauber und effizient ausbeuten zu können.
Statt diese Hilfe anzubieten und dafür – z.B. mit Gas – entlohnt zu werden;
- findet sich die EU mit der Tatsache ab, dass die eigene Produktion um drei Prozent pro Jahr zurück geht;
- tröstet sich damit, dass Produktionssteigerungen in Norwegen diesen Rückgang bisher einigermaßen abfedern konnten und
- übt sich in Sparsamkeit, was in E-Wirtschaft und Industrie bisher ganz gut funktioniert hat, nicht aber bei den Haushalten.
All das ist zum Teil bekannt und kann problemlos der Energie-Datenbank von Eurostat (nrg) entnommen werden.
Aus dieser Datenbank ist auch zu ersehen, dass trotz Norwegen und trotz Sparsamkeit der EU-Erdgasimport aus Russland in den vergangenen 10 Jahren von 128,7 Mrd. auf 153,2 Mrd. Kubikmeter (2016) zugenommen hat, also um 19 Prozent.
Lieber gar keines als russisches Erdgas
Nun könnte man sagen: Dieses Gas wollen wir nicht, weil es das Klima schädigt wie z.B. Grüne, der WWF oder der NABU
- dann sollte man aber wenigstens dazu sagen, woher die 105,2 Millionen Tonnen Rohöleinheiten kommen sollen, die die europäischen Haushalte pro Jahr für Heizen, Kochen und Warmwasserbereitung benötigen – Solarpaneele? Windräder vielleicht?
Man kann freilich auch so agieren wie die EU-Kommission, die vorgibt, wg. Energiesicherheit frisches Gas aus nicht-russischen Quellen erschließen zu wollen
- sich aber bei jeder sich bietenden Gelegenheit derartig dämlich anstellen, dass aus solchen Vorhaben garantiert nichts wird, siehe Nabucco und Erdgasfunde im östlichen Mittelmeer.
Einen gewissen Erfolg hat Brüssel ja noch, wenn’s ums Verhindern von russischem Erdgas geht (South Stream) – aber selbst dabei stolpert es manchmal über die eigenen Beine (Nord Stream 2).
Mit einem Wort: “Brüssel” ist ein energiepolitischer Clown – und das ist noch eine positive Aussage, denn bei Clowns diesen Zuschnitts kann man sich nicht einmal drauf verlassen, dass sie Schaden anrichten.
“Brüssel” sagt nur, dass es zwar Gas will, aber kein russisches Gas und verfällt darüber in intensive Tagträume über hunderte von LNG-Tankschiffen in Aberdutzenden europäischen LNG-Terminals.
Die Merkel würde hier ja auch gerne tagträumen, aber die deutschen Industrie-Exporteure lassen das nicht zu und haben sie bei Nord Stream 2 vor sich hergetrieben (bemerkenswerterweise hilft der österreichische Staatsbetrieb OMV den deutschen Vor-sich-Hertreibern).
Immerhin dürfen Merkel & Co. bei ihrer soeben scheiternden Energiewende reichlich Schaden anrichten.
Diesen bezahlt – wenn man von der Fahrzeugindustrie absieht – nicht primär die Wirtschaft. Den bezahlen die deutschen Bürger und Merkel-Wähler.
Bild: premier.gov.ru [CC BY 4.0], via Wikimedia Commons
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