EU-Wahl: Für Grüne ist sogar Gas verzichtbar – “Pellets statt Putin”

 

“Pellets statt Putin” erklärt die grüne EU-Abordnete Ulrike Lunacek, sei die richtige Antwort auf die europäische Abhängigkeit vom russischen Erdgas. Der Slogan basiert auf der Milchmädchenrechnung eines niederländischen Think Tanks und einer Selbstzufriedenheit wie sie nur in einem Land entstehen kann, das von der Natur reich mit Wasserkraft und Holz ausgestattet wurde. Selbst in Österreich ist Lunaceks Slogan aber erst an dem Tag ernst zu nehmen, an dem die VOeST ihren Hochofen mit Holzpellets befeuert.

Wie ihre Partei gibt sich Lunacek überzeugt, dass eine Halbierung des Energieverbrauchs und eine Verdoppelung des Anteils erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2030 “machbare Ziele sind.”

Das sind neue Vorgaben, die sich ein klein wenig von den noch vor ein paar Monaten vertretenen Vorgaben unterscheiden (die aber ebenso irreal sind wie jene – zumindest in Friedenszeiten).

Ein Utrechter Think Tank namens Ecofys hat die ursprünglichen Ziele der Grünen durchgerechnet und ist dabei zum Schluss gekommen, dass sich deren Umsetzung in einer Reduktion der Gasimporte von 63 Prozent niederschlagen würde – was pro Jahr 100 Millionen Tonnen Öl(äquivalente) einsparen würde.

Worin bestanden nun diese ursprünglichen  Ziele der Europäischen Grünen ? Zum Beispiel in der Steigerung des Anteils der Erneuerbaren Energien auf 45 Prozent. Zum Vergleich: 2012 lag dieser Wert europaweit bei 14 Prozent (inklusive Wasserkraft). Die Grünen streb(t)en bis 2030 ferner die Verminderung der Kohlendioxidemission um 60 Prozent an (derzeit minus 12 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990).

Die Ökos wollten also bis vor kurzem den Anteil der “Renewables” in weniger als 20 Jahren verdreifachen. Irgendemand muss sie beseitegenommen und gewarnt haben, dass die Vertrauensseligkeit selbst der uninformiertesten Journos Grenzen hat und dass sie Gefahr laufen, überhaupt nicht mehr ernstgenommen zu werden. Oder aber, dass sie Klartext reden und nachvollziehbar begründen müssten, warum sie auf einen Kurs bestehen, der unweigerlich dazu führt, dass Hunger und existenzielle Armut auf den europäischen Kontinent zurückkehren.

Das Sahnehäubchen auf der Argumentation ist die Behauptung, dass durch eine solche planwirtschaftlich erzwungene Deindustrialisierung des Kontinents Hunderttausende neue Jobs geschaffen würden.  Sie sagen “Energiewende” dazu und “beweisen” die neuen Jobs auch – mit Modellrechnungen nach der Logik: Je radikaler die Reduktionsziele, desto mehr neue Jobs.

Die Renewable-Verdeifachnung ist sogar diesen Realitätsflüchtlingen als zu starker Tobak erschienen. Deshalb veränderten sie ihre Ziele bzw. schwächten sie (scheinbar) ab. Heute unterstützen sie bei den Erneuerbaren “nur” das (in “Friedenszeiten” ebensowenig erreichbare) Verdoppelungs-Ziel der EU-Kommission und erklärten, dass Europa bis 2030 seinen Energieverbrauch halbieren müsse (Kommission: minus 40 Prozent bei GHG-Emissionen).

Eine große Unbekannte in den Modellrechnungen ist die Steigerung der Energieeffizienz, bei der im Einzelfall noch das eine oder andere zu holen sein mag. Aber auch das hat klare Grenzen. In Sachen Energieeffizienz war der alte Kontinent bisher nicht so schlecht unterwegs (z.B. beim Energieeinsatz in der Industrie, Treibstoffverbrauch bei Verbrennungsmotoren.)

In den vergangenen 15, 20 Jahren ist es deshalb zu einer Entkoppelung zwischen dem Energieverbrauch und dem (ohnedies geringen) Wirtschaftswachstum gekommen. Zu nennenswerten Verbrauchsrückgängen hat es leider aber nicht gereicht.

Dieses Faktum sollte man beim Bewerten der grünen Forderung nach einer Halbierung des Energieverbrauchs (bisher: minus 40 Prozent) im Hinterkopf haben. Die technischen Fortschritte der vergangenen Jahre bedeuten, dass die “niedrig hängenden Früchte” weitgehend geerntet sind. Der Löwenanteil für die 50-prozentige Reduktion müsste also über echten Minderverbrauch erbracht werden.

Vielleicht glauben die Grünlinge (und mit ihnen die EU-Kommission), dass sie derlei nicht mehr argumentieren müssen und dass eineinhalb Jahrzehnte Angstpropaganda ausreichen müssten, um eine Klimadiktatur einzuführen. Ich hoffe sehr, sie täuschen sich damit.

Was sie den Europäern zumuten wollen, ist nämlich kein Pipifax. Es sind unerhörte Maßnahmen von einer beispiellosen Tragweite. Wer diese durchsetzen will, darf sich nicht auf Slogans beschränken, sondern muss die Notwendigkeit der verlangten Maßnahmen sauber und nachvollziehbar begründen. Vor allem dann, wenn er andere Energieträger als “nicht nachhaltig” und rückwärtsgewandt ablehnt. Gefälschte, extrapolierte Temparaturkurven werden hoffentlich nicht ausreichen.

Dass sie zwei Drittel der real existierenden Energieerzeugung schlicht und ergreifend ablehnen, reicht den Grünen offenbar selber nicht. Jetzt nutzen sie die Kriegstreiberei der USA und der EU in der Ukraine-Krise, um einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Erdgas zu propagieren – zu einem Zeitpunkt, zu dem die größte Primärenergiequelle des Planeten, Erdöl, ihr Produktionsmaximum überschreitet.

Erdgas ist, wie bekannt, eine dichte, vielfältig einsetzbare und ziemlich saubere Energiequelle.  Die Nettoenergie von konventionellem Erdgas mag mit 10:1 relativ gering sein – zumindest im Vergleich mit den anderen, “schmutzigeren” fossilen Energieträgern.

Trotzdem verfügt konventionelles Erdgas über einen deutlich höheren EROEI als beispielsweise Biomasse, Bioethanol und Photovoltaik (Vgl. dazu z.B. Richard Heinberg. Searching for a Miracle. “Net Energy” Limits & the Fate of industrial society, 2009, S. 31 ff ).

Laut Heinberg ist lediglich die Windkraft dem Gas in Sachen Nettoenergieausbeute überlegen. Doch im vielleicht wichigsten Einsatzgebiet – bei der Stromerzeugung -, ist Gas bei weitem “netzfreundlicher” als die “parasitäre” diskontinuierliche Windkraft.

Foto: Manfred-Werner – Tsui, Wikimedia Commons

Unabhängiger Journalist

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