Für Griechenland, erklären Politiker und Medien, gebe es wieder “einen Hoffnungsschimmer”. Es habe “erstmals wieder einen Budgetüberschuss erzielt”. Zweck der makabren Inszenierung ist der nächste Schuldenerlass nach den EU-Wahlen sowie das Verschleiern der Tatsache, dass z.B. im Hellas-Gläubigerstaat Österreich selbst für die notwendigsten Dinge das Geld fehlt.
Das übergeordnete Ziel der politischen Klasse von Brüssel bis Athen besteht aber darin, ihr Versagen bei der “Lösung” der Griechenlandkrise zu verschleiern. Der Kostenpunkt für diese angebliche Rettung beläuft sich auf europaweit 240 Milliarden Euro. Dieser Betrag ist – relativ gesehen – die Hälfte dessen, was die USA 1948 in den Marshallplan zum Wiederaufbau Westeuropas gesteckt haben. Der Untermauerung dieser Aussage wird übrigens ein eigenes Posting gewidmet.
Einen Haushaltsüberschuss hat der griechische Staat nur erwirtschaftet, wenn man “Kleinigkeiten” wie Zinszahlungen, Bankenrettungen und unbezahlte Rechnungen von Staatsfirmen herausrechnet. In Wirklichkeit hat Athen 2013 ein Defizit von 23 Milliarden Euro gemacht, was -bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt – ein Minus 12,7 Prozent bedeutet. Das ist das höchste Defizit seit 2009 als Griechenland den Startschuss zur sogenannten Eurokrise gab.
Die Schwindeleien kommen diesmal aber nicht von den Griechen selbst, sondern aus Brüssel, Luxemburg und Frankfurt. Die EU-Statistikbehörde, deren Ruf durch den ersten griechischen Statistikschwindel arg ramponiert worden war, hält sich diesmal eher im Hintergrund. Sie akzeptiert zwar nicht wissentlich falsche Zahlen, die ihr aus Athen geliefert werden, pfuscht den europäischen Regierungen aber auch nicht ins Handwerk (was ihr ohne Zweifel schlecht bekommen würde).
Die Fälscherwerkstatt steht sozusagen im Keller der Troika, des Dreierausschusses der “Griechenlandretter” aus EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank. Diese Institutionen können die Zahlen, die das von Eurostat besser überwachte griechische Statistikamt veröffentlicht, (im Nachhinein) nicht mehr verändern. Sie können aber etwas anderes tun: den Begriffen eine andere Bedeutung verleihen.
Das gleicht auf’s Haar jener Strategie, die die europäischen Regierungen beim sogenannten Fiskalpakt und der “Schuldenbremse” eingschlagen haben. Wie vielleicht erinnerlich, haben sich die Euroländer verpflichtet 2017 nur mehr ein “strukturelles Defizit” von 0,35 Prozent zu machen. Dabei werden “Einmalefffekte” ignoriert. Statt die Haushaltslöcher zu beseitigen werden sie einfach wegdefiniert.
Das ist, als würde ein überschuldeter Familienvater treuherzig versichern: “Wir haben im vergangenen Jahr nicht mehr ausgegeben als eingenommen – wenn man einmal von den Aufwendungen für den Arzt, das Auto und die Reparatur der Therme absieht.”
Während Eurostat ein “Primärdefizit” von 15 Milliarden Euro feststellen müsste (würde es eine solche Größe berechnen), berücksichtigen die selbsternannten “Griechenland-Retter”eine ganze Reihe von Positionen nicht, die Bestandteil des regulären Defizitverfahrens der EU sind – darunter eben die “costs related to bank resolutions and recapitalisations”.
Das politische Ziel des “Hoffnungsschimmer”-Geredes wird zwischen den Zeilen auch in den Berichten vieler ansonsten ahnungsloser Schreiberlinge angedeutet: Es geht den Politikern um den nächsten Teil-Schuldenerlass, der benötigt wird, um die Farce aufrechtzuerhalten zu können. Die letzte derartige Aktion liegt schon zwei Jahre zurück.
“Athen hofft, durch den Primärüberschuss finanzielle Erleichterungen bei den Hilfskrediten zu erhalten wie etwa niedrigere Zinsen oder längere Zahlungsfristen. Die Euro-Finanzminister hatten dies im November 2012 in Aussicht gestellt”, schreibt beispielsweise die deutsche Tageszeitung “Die Welt”.
Wie die genauen Bedingungen aussehen, werden die Politiker erst nach den EU-Parlamentswahlen entscheiden – weil sie glauben dann “ungestraft davonkommen zu können”. Wahrscheinlich geht die Sache erst im Herbst 2014 über die Bühne.
Ein erneuter direkter Schuldenschnitt wie 2012 – jene Variante, die Athen am liebsten wäre – kommt nicht in Frage, weil damit für jedermann ersichtlich wäre, dass die Euro-Finanzminister seit drei Jahren viele Milliarden in ein bankrottes Land gepumpt haben – im vollen Wissen, dass sie diese “Kredite” nie wiedersehen würden. Außer staatlichen/öffentlichen Schuldnern gibt es heute in Griechenland nur mehr wenige Kreditoren, die man “schneiden” könnte.Vielleicht würden unerfahrene, übereifrige Staatsanwälte sogar meinen, sie müssten gegen diese Politiker zu ermitteln beginnen.
Der gleiche Effekt kann aber durch ein etwas weniger offensichtliches Vorgehen erzielt werden. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) beschreibt diese Variante so (eigene Hervorhebung):
“Nach in Brüssel kursierenden Gerüchten könnte die Kreditlaufzeit des ersten Hilfspakets von 73 Milliarden Euro, der Großteil davon bilaterale Kredite der Euroländer, von 30 auf 50 Jahre verlängert werden. Außerdem könnten die Zinssätze nochmals um 0,5 Prozentpunkte gesenkt werden. Nach Berechnungen des ifo Instituts würde damit der Barwert der Schulden um rund 9 Milliarden Euro sinken.”
Das ist übrigens nicht das erste Mal, dass ein solches Vorgehen gewählt wurde. Schon vor zwei Jahren wurden die griechischen Sollzinsen reduziert bzw. die Laufzeiten verlängert. Das hat zur Folge, dass die “Maturität” der Griechen-Kredite beim Euro-Rettungsfonds schon heute bei 30 Jahren liegt.
Natürlich reicht auch das nicht aus, um einen “Toten” – hier: ein hoffnungslos bankrottes Land – wieder ins Leben zurückzuholen. Die FAZ beschreibt, wie man vielleicht glaubt, das vielleicht doch noch bewerkstelligen zu können: “Wenn auch für das zweite Hilfspaket die ohnehin günstigen Zinsen ermäßigt und die Laufzeiten gestreckt würden, betrüge der implizite Schuldenerlass noch deutlich mehr. Insgesamt haben die Euro-Retter Griechenland bis zu 240 Milliarden Euro an Krediten eingeräumt.”
Damit wären nicht nur die direkt vergebenen Kredite weniger wert, sondern die Europäer müssten auch für den Abgang im Rettungsfonds EFSF aufkommen, für den sie ja garantieren (mussten).
Auf Deutsch: Das Geld ist futsch und hat nichts bewirkt – was den Politikern wie Bundeskanzler Faymann und de damaligen Finanzministerin Maria Fekter – sowie ihren Helfern in den Kammern und Sozialpartner-Organisationen – von Anfang an klar sein musste. Heute geht es nur um die Verschleierung einer Handlung, für die jeder Privatmann vor Gericht landen würde.
Die Politiker wussten von allem Anfang an, dass Staat und Wirtschaft Griechenlands so hoch verschuldet waren, dass ein Herauswachsen aus der Krise praktisch auszuschließen war. Dennoch tischten Bundeskanzler Faymann und die ÖVP-Finanzminister Maria Fekter und Josef Pröll einen Vorwand nach dem anderen auf, um die teuerste Bankrott-Variante durchzusetzen – zum Vorteil, der ursprünglichen Griechenlandgläubiger, die ohne große Verluste das Weite suchten und zum Nachteil der österreichischen Staatsbürger und Sparer.
Auch bei dieser Aktion tat sich der damalige “Mr. Euro” und heutige christdemokratische Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Jean-Claude Juncker besonders hervor. Aber die österreichischen Politiker standen dem Großherzog der Euro-Schwindler in nichts nach. Fekter tat bei jeder Milliardentranche so, als würde das frische Geld nur unter “strikten Bedingungen” fließen und Faymann suggerierte, ein (später wirklich stattfindender) Schuldenerlass unter der Beteiligung von Privatinvestoren sei die Lösung des Problems.Das war er natürlich nicht.
Von den finanziellen Zielen, die sich die Griechenlandretter erst 2012 gesteckt haben ist man jedenfalls Lichtjahre entfernt – obwohl die Griechen mithilfe ihrer eigenen Regierung regelrecht ausgehungert wurden. Welche Folgen diese “Rettung” für die Hellenen selbst hatte, wird in einem weiteren Posting genauer geschildert.
Bisher hat die Vorbedingung für eine tatsächliche Besserung der Dinge – die Entschuldung – jedenfalls nicht einmal angefangen. Das griechische Staatsdefizit liegt weiter auf Rekordhöhe von 175 Prozent und kann keinesfalls auf die für 2020 angestrebten 120 Prozent des BIP gedrückt werden. Jedenfalls nicht ohne “zusätzliche Maßnahmen”.
Ein wesentliches Problem ist freilich nicht nur der Staat selbst, sondern die Auslandsverschuldung der Gesamtwirtschaft (Net International Investement Position/NIIP). Diese liegt heute bei 119 Prozent des BIP, dreimal so hoch wie 2000, also im Jahr vor dem Eurobeitritt.
Fotos: Werner Faymann, WEF Cologny, Switzerland, Österreichisches Außenministerium, Alex 1011, Wikimedia Commons
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