Der deutsch-amerikanische Autor William Engdahl hat über Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bzw. deren Beitrag zur Destabilisierung der postsowjetischen und arabischen Staaten im Dienst der CIA geschrieben. Die Rolle, die die Organisationen heute für die Migration nach Mitteleuropa spielen, sieht er so: “Die gleichen US-gesteuerten NGOs zerstören heute weiter Europas Souveränität.” In Engdahls Erzählung spielt Finanzspekulant George Soros eine Hauptrolle. NB zur Engdahl-Einschätzung der 1990er in Russland. NB II: “Putin nicht schlechter als seine westlichen Gegenspieler”.
Über diesen will unsere kontrollierte Mainstream-Presse freilich nichts kommen lassen, wahrscheinlich weil Soros jüdischer Abstammung und für die Rolle des Bösewichts daher ungeeignet scheint (“Antisemitismus”).
Der Milliardär, erklärt Engdahl, sei
der finanzielle Patron einer NGO-Agenda radikaler Umwälzungen in Deutschland und anderen EU-Ländern. In letzter Zeit hat er Organisationen, die diese gesellschaftliche Umstrukturierung betreiben, mit hunderten Millionen steuerfreier Dollars versorgt.”
Engdahls vor wenigen Wochen erschienene Geheimakte NGOs beschreibt das seiner Meinung nach größte Geheimdienstprojekt aller Zeiten, nämlich die Infiltierung und “Zweckentfremdung” ursprünglich zivilgesellschaftlicher Organsationen, deren “USP” eigentlich Staatsferne und Idealismus ist.
Unser Autor beginnt seine Geschichte der vergangenen 25 Jahre Außenpolitik bei der unter Mithilfe hochoffizieller Politik umgesetzten Plünderung der zusammengebrochenen Sowjetunion bzw. Russlands und fährt mit dem Studentenaufstand in der Volksrepublik China 1989 fort (“Tian’anmen – das Massaker, das nicht stattfand”).
In beiden Fällen ist zwar von NGOs noch nicht allzuviel zu sehen, von George Soros aber sehr wohl (es gilt die Unschuldsvermutung).
Ins Rampenlicht der parallelen Außenpolitik des US-amerikanischen deep state rücken die Hilfsorganisationen erst im Jahr 2000 in Restjugoslawien, wo eine von der CIA finanzierte und gesteuerte Studentenorganisation dafür verantwortlich sein soll, dass Slobodan Miloševic abgewählt wurde.
M. wurde später unter außenpolitischem Druck an ein internationales Kriegsverbrechertribunal ausgeliefert, wo er in Gefangenschaft verstarb, angeblich an einem Herzinfarkt; eine Verurteilung konnte mangels Beweisen auch posthum nicht erfolgen.
Weiter geht’s mit dem regime change in Georgien anno 2002, bei dem der frühere sowjetische Außenminister Edward Schewardnadse aus dem Präsidentenamt vertrieben wurde (zugunsten des proamerikanischen Politikers Micheil Saakaschwili) – sowie mit der Installierung eines proamerikanischen Politikers in der Ukraine bereits im Jahr 2004.
Hauptgewinn für die US-Außenpolitik war und ist freilich der Mittlere Osten mit seinen enormen Öl- und Gasvorkommen.
Dieser, sagt Engdahl, war mit dem sogenannten Arabischen Frühling, Ziel einer versuchten tiefgreifenden Umgestaltung durch die USA. Engdahl präzisiert: im scheindemokratischen Sinn.
Ab 2010 kam es zu “spontanen Volksaufständen” gegen mehr oder weniger autoritär regierende Herrscher in Tunesien, Ägypten, Libyen und Syrien (nicht aber gegen die noch autokratischeren US-Verbündeten auf der Golf-Halbinsel).
Während Medien des US-amerikanischen Imperiums die Aufstände gegen die alten Mächte als Errungenschaften der Moderne und partizipativer Demokratie feiern, entwickeln sich die solchermaßen destabilisierten Regionen meist in eine katastrophale Richtung – hin zu Stammes-, Religions- und “Bürger-Kriegen” oder zu einem von den Moslembrüdern dominierten islamistischen Staat.
In all diesen Fällen sollen von US-Diensten gesteuerte zivilgesellschaftliche Organisationen eine zentrale Rolle gespielt haben.
Im Gegensatz zu seinem Verschwörungs-Image schafft es der Autor überwiegend, die Quellen für seine Version zu dokumentieren – besonders überzeugend in Fällen, in denen diese z.B. auf geleakten, aber unbestritten authentischen Emails von Obama-Außenministerin Hillary Clinton beruhen (im Großen und Ganzen sind die Sünden der offiziellen US-Außenpolitik besser belegbar als die der instrumentalisierten NGOs – was paradox ist).
Engdahl hat also “seine Hausaufgaben gemacht” – auch wenn man ihm nicht in allem folgen kann, z.B.
- in der fragwürdigen Beurteilung des neuen US-Präsidenten, den er als reines Instrument des US-amerikanischen tiefen Staats sieht (“Allem Anschein nach werden Öl und die amerikanische Außen- und Verteidigungspolitik unter Präsident Trump ins Rampenlicht gerückt werden (…) Das Ziel, den Status der USA als einzige Supermacht wieder zu etablieren, ist jedoch das gleiche.”) Zur Erinnerung: Trump muss bis zum heutigen Tag gegen den massiven Widerstand des tiefen Staats und dessen medialer Helfer ankämpfen. Er ist mit Sicherheit kein Strohmann des z.B. Rockefeller-Clans. Und zweitens
- in der einseitig negativen Bewertung, die das Erdöl erfährt – was zweifellos auf dessen Rolle als Zankapfel der vergangenen hundert Jahre bzw. seine Bedeutung für Imperialismen aller Art zurückzuführen ist. Die fossilen Brennstoffe sind aber auch jene besondern Stoffe, die der (“industrialisierten”) Menschheit einen historisch beispiellosen Energiereichtum beschert haben.
F. William Engdahl, Geheimakte NGOs. Wie Tarnorganisationen der CIA Revolutionen, Unstürze und Kriege anzetteln. 2017
Nachbemerkung, 6.8.2017, 13.00 Uhr: Ein einschlägig interessierter, etwa 60-jähriger Blog-Leser zur Engdahl-Darstellung der Vorgänge in Russland:
“Ich (…) finde, dass Engdahl zu pro-russisch und pro-Putin ist; man sollte sich das noch ergänzen mit der Tatsache, dass P vermutlich Teil der Leningrad-Mafia ist, welche noch während der Sowjet-Zeit die Leutchen in großem Stil ausgesaugt und korrumpiert hat; siehe PBS-Doku Putin’s way:
Das heißt: die Russen werden sowieso voll durchgef* und eine republikanische Zivilgesellschaft mit mäßiger Korruption ist dort ohnehin keine Option.
Was aber bei Engdahl interessant ist, sind die Details zur “Privatisierung” — wenn diese stimmen; denn ich sehe nur wenige Quellangaben. Er ist jedenfalls konsistent mit anderen Quellen, die ich kenne.”
NB II, 8.8.2017, 21.00 Uhr: Ein Leser aus der Schweiz ist mit dem oben angeführten speziellen “Putin-Verriss” nicht einverstanden und kritisiert das Hauptbeweisstück des ersten Lesers, eine (von mir eingebettete) PBS-Dokumentation:
“Die Reportage lässt den Herrn Chodorkowski, dessen Verurteilung sogar von einem westeuropäischen Gericht als berechtigt eingeschätzt wurde, als Vertreter der Saubermann-Ecke in Russland auftreten. Wie sind denn Herren Chodorkowski, Kolomoiski, Beresowski etc zu ihren gigantischen Besitztümern gekommen?(…)
Putin ist kaum moralischer als seine westlichen „Gegenspieler“, er bejaht die offiziellen Märchen von 9/11, Boston-Marathon und anderer „Terror-Anschläge“ (Waldai-Rede). Er ist aber auch nicht schlechter, seine Politik müsste sicherlich nicht mit Sanktionen bestraft werden.”
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