Am vergangenen Samstag ist in New York ein Milliardär und mutmaßlicher Mächenhändler verhaftet worden – für interessierte Beobachter handelt es sich um einen “alten Bekannten noch aus den Bush- und Obama-Jahren”. Unabhängig davon, ob die neuen Anklagen zu einer rechtskräftigen Verurteilung führen, zeigt der Fall ein Sittenbild der politnahen US-Schickeria und der Rechtspflege in den Staaten. Eine Schnelleinschätzung.NB zur Wikipeda-Seite Epsteins.
Vorbemerkung: Folgender Eintrag ist eine von diesem Blogger erstellte Zusammenfassung einer gerade einmal drei Tage alten “aktuellen Entwicklung”.
Der Text ruht auf zwei bis drei Dutzend Sekundärquellen, die zu 95 Prozent auf Englisch sind und in den USA verfasst wurden. Sie werden hier nur ausnahmsweise verlinkt.
Der Autor nimmt sich vor, nicht allzu stark in Details abzugleiten (obwohl das manchmal nur schwer zu verneiden ist).
Aus rechtlichen und prinzipiellen Erwägungen ist die Unschuldsvermutung angebracht – “niemand ist schuldig bevor er rechtskräftig verurteilt wurde”.
Das gilt auch für Jeffrey Epstein. Dieser Blogger will jedoch nicht mehr als notwendig um den heißen Brei herumreden.
Seit den 1990er-Jahren wurde der Mann immer wieder in Gesellschaft blutjunger Frauen beobachtet, 2008 kam es zur Verurteilung als “sex offender” und außerdem gibt es breite und tiefe Kontakte zur politisch-medialen Kaste in den USA.
***
Der heute 66-Jährige war in den 1970er und 1980er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts Händler an der Wall Street und hat seit dieser Zeit Kontakt zu teilweise super-reichen Managern und high networth individuals.
Nach der unselbstständigen Phase seines Berufslebens gründete E. eine eigene Vermögensverwaltung, die Milliardäre zu ihren Kunden zählte (einige machen dennoch geltend, dass die Akkumulation des heute in die Milliarden gehenden Vermögens Epsteins nicht nachvollziehbar sei).
Epstein wurde nach der Rückkehr von einer Reise nach Paris am Teterboro Airport verhaftet.
Die Staatsanwaltschaft New York-Süd legt ihm Sex-Handel mit minderjährigen Mädchen bzw.Verschwörung zu einem solchen zur Last (siehe Anklageschrift).
Sie stützt sich dabei auf aussagewillige, heute volljährige Frauen.
Das ist weniger als “erschöpfende Aufzählung” zu verstehen denn als “juristische Würdigung” dreier markanter Einzelfälle, die für die Ankläger erfolgversprechend aussehen.
Bezeichnenderweise ist erst Bewegung in die Angelegenheit gekommen, nachdem ein Zufallsbündnis aus einem rechten Blogger, einem Promi-Anwalt und einer liberalen Zeitung die Veröffentlichung von bisher versiegelten Akten aus dem Jahr 2008 durchsetzte (nämlich Ende April 2018).
Noch ist nicht im Detail bekannt, was in den angeblich 2.000 Seiten steht, es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass dies der “Trigger” für das Tätigwerden der NYC-Staatsanwaltschaft war.
Die frei gegebenen Papiere stammen jedenfalls aus einem früheren Prozess, der mit einem “sweet deal” für den bestens vernetzten Epstein geendet hatte.
Ihm war 2008 in Florida der Prozess gemacht worden.
Dieser wurde – wie so oft – mit einem komplexen Handel zwischen Staatsanwaltschaft und Angeklagtem (“plea bargain”) beendet. Der Deal beinhaltete u.a. die Zusicherung der Staatsanwaltschaft allenfalls an den Verbrechen beteiligte Dritte nicht zu belangen sowie die Akzeptanz der Anklage durch den Angeklagten – ohne dass dieser aber ein Geständnis ablegen hätte müssen (“no contest plea”).
Auf Basis einer Verurteilung wg. des Ansinnens von Prostitution gegenüber den 14-jährigen Mädchen wurde Epstein 13 Monate in Palm Beach “eingesperrt”, in einem privaten Flügel des Gefängnisses, wo Security-Leute für die persönliche Sicherheit ihres Arbeitgebers sorgen konnten. An sechs Tagen in der Woche durfte der Verurteilte bis zu 12 Stunden täglich in sein Büro in Palm Beach gehen.
Epstein hat für die in Florida eingebrachte Klage also “seine Strafe abgesessen” und darf kein zweites Mal für dasselbe Verbrechen verfolgt werden.
Deswegen versuchten seine Anwälte aktuell auch geltend zu machen, E. sei gewissermaßen immun
(was bei Gericht nicht verfing – die Klage der New Yorker Bundesstaatsanwaltschaft steht auf einer anderen faktischen Basis; für nächste Woche ist übrigens eine Verhandlung anberaumt, bei der Epstein gegen eine entsprechende Kaution frei gehen könnte).
Epstein besitzt nicht nur eine luxuriöse Mansion in NYC, sondern auch eine eigene Insel in der Karibik, wo er und seine Freunde aus der Schickeria “Party machen” und “fun haben”. Das Eiland wird alltagssprachlich “Orgien-Insel” genannt und das Flugzeug, mit dem die Partygäste anreisen, “Lolita-Express”.
Auf dieser Insel soll jedenfalls der Großteil der zur Diskussion stehenden Vorgänge stattgefunden haben.
Die Opfer dürften durch die Bank weiblich gewesen sein, sich im vor- und pubertären Alter befiunden haben und aus sozial prekären und/oder aus zerbrochenen Elternhäusern und Problemfamilien stammen.
Man hat sie offenbar mit ein paar hundert Dollar dazu “animiert”, den reichen & mächtigen Typen Massagen (und mehr) zu verpassen.
Später sollen sie zur Anwerbung neuer “Interessentinnen” eingesetzt worden sein.
***
Zumindest aus der Entfernung entsteht der Eindruck, dass – wie schon bei Harvey Weinstein – “alle” wussten, was Sache war, aber niemand den Mund aufmachte – wohl aus unterschiedlichen Motiven.
Epstein kannte jedenfalls “alle” und “alle” (in den richtigen Kreisen von NYC und Washington) kannten Epstein.
In einem “kleinen schwarzen Buch” hat E. Hunderte Adressen und Telefonnummern zusammengetragen, auch jene eines englischen Royals und die von Bill & Hillary Clinton und Donald Trump.
Wie weit und tief das Epstein-Geflecht reicht und ob z.B. auch Erpressung eine Rolle spielt, ist unbekannt. Es scheint jedenfalls auch zahlreiche Politiker zu umfassen
Wenig verwunderlich setzten gleich mit der Verhaftung hektische Versuche ein, den sich abzeichnenden Mega-Skandal (?) zu politisieren.
Die Anti-Trump-Presse wies sofort auf die angeblich enge Beziehung zwischen dem Präsidenten und Jeffrey Epstein hin.
Das ist bis auf einen heiklen Punkt nicht nachvollziehbar.
Der frühere New Yorker Immo-Developer Trump kennt Epstein natürlich und ist ein paar Mal mit diesem fotografiert worden.
Vor 17 Jahren erklärte er einmal, Epstein sei ein “netter Kerl. Er liebt wie ich schöne Frauen, aber seine sind mehr von der jüngeren Sorte”. Das ist typisch Trump, aber nicht wirklich inkriminierend.
Der heikle Punkt ist der heutige Arbeitsminister Alexander Acosta, der 2008 Staatsanwalt von Südflorida war. Acosta dürfte damals wesentlich am “sweet deal” mit Epstein beteiligt gewesen sein.
Trump wird sich zur Wahl Acostas wohl erklären müssen – momentan sieht die Geschichte aber eher wie ein Unterkapitel der Saga “Der US-Präsident und die Wahl seiner Mitarbeiter” aus.
Die Verbindungen Epsteins zur “demokratischen Seite” scheinen deutlich stärker zu sein.
Noch sind nicht alle Details bekannt – unbestreitbar scheint aber, dass Bill Clinton zwischen 2001 und 2003 27 Mal mit dem Lolita-Express geflogen ist, wie aus dem Flugbuch hervorgeht.
Schon wird spekuliert, ob die Sache das schon oft erwartete Ende der Clintons bedeutet -”aber die landen wie eine Katze immer auf den Füßen”, wie ein Clinton-Feind klagt.
Klar scheint nur, dass seit der Verhaftung Epsteins “eine Menge Leute schlecht schlafen”, wie ein Beobachter grinsend meinte. Laut einem Zeitungsbericht will Epstein im Austausch für ein mildes Urteil mit den Anklagebeörden kooperieren…
Bild: Wikimedia Commons
Nachbemerkung, 9.7.2019, 18.15 Uhr: Von der Wikipedia-Seite Epsteins sind die Erwähnungen Bill Clintons und Kevin Spaceys verschwunden, die von Trump geblieben, siehe Zerohedge. Helau!
Edit, 10. Juli 2019, 07.00 Uhr: Laut Conchita Sarnoff, die in dieser Sache wohl am besten informiert ist, ist Bill Clinton 27 Mal mit dem Lolita-Express geflogen und die pilot logs stammten von unterschiedlichen Piloten. Text korrigiert.
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.