Die österreichische Nationalbank will die Konsequenzen der laufenden finanziellen Repression mit Placebo bekämpfen – dem Versuch, Immo-Preise durch Kreditbremsen am Steigen zu hindern. Das ist diesmal falsch. Die Blase am Häusermarkt scheint aus Eigenmitteln zu bestehen.
Das österreichische sogenannte Finanzmarktstabilitätsgremium spielt derzeit ein in Übersee ersonnenes Spiel, das Whack a mole heißt, Hau dem Maulwurf auf den Kopf. Dabei soll man einen aus einem Loch auftauchenden Maulwurf mit einem Schlag wieder unter die Erde befördern.
Das Tier kann aber in acht weitere Löcher ausweichen. Umgehend taucht es anderswo wieder auf – worauf man es auch dort bekämpfen muss. Der Vorgang wird immer schneller und komplizierter und in manchen Versionen des Spiels vergrößert sich auch die Zahl der gleichzeitig erscheinenden Maulwürfe.
Die message ist, dass der Maulwurf immer einen Ausgang findet – egal, wie schnell der Spieler ist.
Auf unseren Fall übertragen heißt das: Das regionale Stabilitätsgremium kann sein Spiel gegen die Immobilienblase nicht gewinnen – es sei denn, es sagt sich vom europäischen Finanzmarktinstabilitätsgremium, i.e. der Europäischen Zentralbank los.
Es sind nämlich die EZB und andere Zentralbanken des US-Dollar-Kartells, die für die heutige österreichische Immobilienblase verantwortlich sind – aber anders als bisher üblich.
“Üblich” war in den vergangenen 100 Jahren, dass Zentralbanken über Niedrigzinsen, Kollateralpolitik und/oder eine laxe Aufsicht Kreditblasen verursacht/zugelassen haben, die irgendwann geplatzt sind – zum Schaden der ständig beschworenen Finanzmarktstabilität.
Die Immobilien-Blasen, die wir hier und heute in Wien und mehreren Landeshauptstädten haben, scheinen aber nicht mit überschießendem Kredit zu tun zu haben, nicht primär. Es sieht so aus, als würden sie von Eigenkapital getrieben, oder genauer: von den Sparanlagen/Finanzvermögen jener, die keine andere Anlagemöglichkeit finden als Betongold.
Das haben die Sparer den Euro-Zentralbanken zu verdanken, die (fast) jeden anderen Ausgang verriegelt und eine Wert erhaltende Veranlagung in anderen Assetklassen verunmöglicht haben.
Haben wir überhaupt Immobilienblasen?
Natürlich haben wir welche, gleich ein paar.
Interessierte Branchenvertreter leugnen das – was nachvollziehbar ist: Wie wollen sie einem potenziellen Käufer den Erwerb einer Liegenschaft schmackhaft machen, wenn sie ihm gleichzeitig erzählen, dass er damit ein Objekt erwirbt, das über Nacht 40 Prozent seines Werts verlieren kann? Dermaßen ehrliche/dumme Verkäufer gibt es nur ganz selten.
Drum tischen die Immo-Lobbyisten Käufern und Medien-Schoßhündchen Phrasen über z.B. eine “stabile Entwicklung” oder “moderates Wachstum” auf – was auf die eine oder andere Weise wiedergekäut wird. Medien pflegen die Lobbyisten als “-Experten” und “-Profis” zu bezeichnen und zeigen mit dieser Wortwahl, dass sie Darstellungen, die ihnen von interessierter Seite gegeben werden, für eine um Objektivität bemühte Expertise halten (Ausnahmen bestätigen die Regel).
Das Argument, das gegen die Existenz von Blasen ins Treffen geführt wird, ist üblicherweise, dass es im Schnitt gar keine besonderen Preissteigerungen gebe und dass der nicht abzustreitende Preisauftrieb in Wien durch Rückgänge in Untertautendorferamt im Hornerwald und Kohfidisch am Gerenthbach wettgemacht würde.
Das ist, als würde man die Füße eines Folteropfers in Eiswasser stellen und gleichzeitig seinen Schnurrbart anzünden – um den Mann daraufhin mit den Worten zu beruhigen: “Reg’ dich nicht auf, im Schnitt ist’s angenehm temperiert!”
Dass in Wien der Hut brennt, zeigt eine Art provisorischer Wohnungspreisindex, den die Oesterreichische Nationalbank erstellen lässt und der hier veröffentlicht wird. Er zeigt, dass die Wohnungspreise in Wien seit 2007 um 76,8 Prozent gestiegen sind, während sie im Rest Österreichs (ohne Wien) um 35,8 Prozent zugelegt haben. Das ist noch nicht ganz so schlimm wie in den USA vor Ausbruch der Immobilienkrise, aber schon beachtlich.
Selbst die (weichgespülte) Interpretation der Nationalbanker geht davon aus, dass die Wiener Immobilien derzeit um knapp 20 Prozent teurer sind als fundamental gerechtfertigt wäre. Hier Grafiken aus dem jüngsten Finanzstabilitätsbericht, Seite 17:
Ein wesentlicher Unterschied zu den USA 2007/08 scheint zu sein, dass sich die aktuelle Wiener Immobilienblase ohne besonderen Krediteinsatz entwickelt hat. Woraus das hervorgeht?
Kein Kreditboom
Aus Statistiken der Nationalbank. Zum Beispiel aus jener, die das ausständige Volumen von Großkrediten zeigt, die an Unternehmen für “Grundstücks- und Wohnungswesen” vergeben wurden (gemäß Zentralkreditregistermeldungs-Verordnung), siehe hier.
Das ist bei weitem nicht das ganze Fremdkapital, das im gewerblichen/kommunalen Wohnungsbau steckt, aber ein nennenswerter Teil. Die Nationalbank verfügt hier über vergleichbare Daten seit 2008 (zuvor gab’s einen statistischen Bruch). Das Zentralkreditregister verbucht seit 2008 folgendes Volumen, das für Liegenschaften und Wohnungswesen an Unternehmen vergeben war/ist.
in Mrd. € | |
2008 | 42,9 |
2011 | 49,4 |
2014 | 51,2 |
3Q2015 | 52,5 |
Der Zeitraum zwischen 2008 und 3Q2015 zerfällt grob in zwei Phasen: in eine stark expansive zwischen 2008 und 2011 sowie in eine mit nur geringeren Steigerungen zwischen 2011 und Ende 2015. Betrachtet man die vergangenen vier Jahre, kommt man auf ein Plus von zusammen 6 Prozent, was auf vier Jahre gerechnet nicht wirklich als Kreditboom bezeichnet werden kann.
Wie sieht es nun bei den an Private vergebenen Wohnungskrediten aus – sind vielleicht die besonders stark gestiegen? Vorweg: die Antwort lautet nein.
Bei den Konsumkrediten für Private habe ich nichts vollkommen Vergleichbares gefunden. Es scheint nur Daten für einschlägige Bankkredite im Euroraum zu geben, die (für die Öffentlichkeit) nicht auf Österreich heruntergebrochen werden. Im Kreditbericht der Nationalbank von Mitte Juni 2015 findet sich aber folgende Grafik, die die Veränderungsrate der Kreditvergaben an Private bei derzeit etwa + 3 Prozent zeigt (Seite 15): Diese Grafik liefert den entscheidenden Hinweis, dass es seit der Wirtschaftskrise auch keinen Kreditboom für private Immokäufer gegeben hat. Drei Prozent Wachstum bei der Neuvergabe von Immokrediten ist nach Meinung der Autoren des Kreditberichts zwar robust – ganz sicher aber nicht robust genug, um einen Kreditboom zu befeuern. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
- Die Steigerung der Neuvergaben liegt zwar deutlich höher als die oben geschilderte Zunahme des Kreditvolumens der Unternehmen – sie spiegelt aber nicht wider, dass laufend Kredite abgezahlt werden und ausfallen. Die Wachstumsrate des Volumens muss also deutlich unterhalb dieser drei Prozent liegen. Und zweitens
- zeigt der Graph ja, wie stark die Kreditvergabe vor der Krise zu wachsen pflegte – nämlich zwischen 8 und zehn Prozent pro Jahr; und ohne dass es zu einem wirklichen Auftrieb der Immobilienpreise gekommen wäre (ob das tatsächlich so war, wäre eine eigene Untersuchung wert).
Der Zwischenbefund muss daher lauten: Die Wiener Wohnungen sind, gemessen an ihrem Fundamentalwert bzw. den Einkommen der (potenziellen) Käufer überteuert – diesmal aber nicht wegen leichtfertiger Kreditvergabe. Die Ursache für diese Blase muss woanders liegen.
Scheinaktivitäten am Otto Wagner-Platz
Die Nationalbank tut trotzdem so, als wären die Immo-Bubbles in Wien und Salzburg vom gleichen Schlag wie bisher: Kreditgetriebene Blähungen, gegen die man mit den konventionellen Waffen einer Zentralbank ankämpfen kann, indem man z.B. verhindert, dass schwachbrüstige Ausleiher Kredite bekommen, etwa über vorgegebene Verhältniszahlen, die die Darlehensvergabe von den Einkommen abhängig machen und was der Spaßetteln mehr sind.
Die APA berichtet wiederum, dass die Nationalbank mit der vollen Härte des Gesetzes gegen Immobilienblasen vorgehen möchte, siehe z.B. hier:
Wenigstens die Autoren des Finanzstabilitätsberichts müssen freilich ahnen, dass derlei Kreditbremsen gegen die heutige Immoblase so wirksam sein werden wie Aspirin gegen Heuschnupfen.
Sie können sich in ihren Analysen nämlich auf feinstes Datenmaterial stützen – viel bessere und genauere Daten, als sie der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen – und sind daher in der Lage zu sehen, das es sich diesmal um kein Kreditphänomen handelt.
Trotzdem ziehen sie ihre Das-Fremdkapital-ist-schuld-Show ab.
Warum das ? Eigentlich müssten Zentralbanker & Spießgesellen froh sein, einmal nicht für die übereifrige Kreditvergabe durch Banken, nicht für eine asset bubble verantwortlich gemacht zu werden. Warum ergreift man die Gelegenheit nicht beim Schopf?
Die Antwort lautet: Weil die Zentralbanken des Eurosystems sehr wohl Verursacher der bubble sind. Sie haben die Immo-Blase diesmal aber auf eine andere Art hochgezogen, sozusagen mit einem Spiel über die Bande.
Die Eigenkapital-Blase
Die unwillentlichen und unwissentlichen unmittelbaren Auslöser sind Sparer von der Ober- bis zur Untermittelschicht, die es satt haben, sich durch die finanzielle Repression der Zentralbanken enteignen zu lassen.
Nichts anderes als Expropriation sind Nullzinsen und quantitative Easing: schleichende Enteignungen zugunsten
- der Staaten, die sich fast gratis finanzieren können sowie zweitens
- der Banken, deren Zinsmargen und Gewinne steigen und die ihre im Wert gesunkenen Finanzanlagen zu guten Konditionen an die EZB verkaufen (= Verluste sozialisieren) können.
Die Reaktionen auf die von Basisgeldschwemme und finanzieller Repression geschaffene Zwangslage sind unterschiedlich (das Zentralbankgeld hat in diesem Spiel die Rolle des Maulwurfs, der aus verschiedensten Löchern herauskommt).
Die einen werfen gottergeben die Hände in die Höh’ und machen die Augen zu, zweitere kaufen Gold, weil sie glauben, dass die Zentralbanken ihre Manipulation nicht durchhalten werden und wieder andere decken sich mit Aktien ein.
Und schließlich gibt es eine große Zahl von Leuten, die bereit sind, um fast jeden Preis Immobilien zu kaufen – in der Annahme, dass es sich um Werte handelt, die man angreifen und die einem niemand mehr wegnehmen kann.
Letzeres ist eine irrige Annahme, denn
- Blasen platzen und vernichten Wert, auch wenn sie “nur” mit Eigenkapital aufgepumpt wurden. Es reicht völlig aus, wenn sich niemand findet, der sich die Miete für das Anlageobjekt leisten kann. Und schließlich
- ist für unsere Gangster-Politiker kaum etwas anderes so leicht greifbar wie grundbücherlich erfasste Immobilien. Der Instrumentenkoffer, der in solchen Fällen zur Anwendung kommt, ist gut bestückt. Er beinhaltet tools, die von der einfachen Steuer über die grundbücherlich besicherte Zwangsanleihe bis hin zu komplizierten Formen der Beschlagnahme reichen. Derlei mag so nobel begründet und sanftmäulig daherkommen wie es will – es bleibt trotzdem was es ist: Raub.
Foto: Marek Ślusarczyk, Wikimedia Commons, CC BY 2.5
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