Der Krieg im Syrien und im Irak ist in Wahrheit der Versuch Saudiarabiens, die nach dem Ersten Weltkrieg entstandene Karte der Region zu seinen Gunsten zu verändern und an der Spitze einer Koalition (sunnitisch) islamischer Mächte auch das restliche Öl an sich zu reißen. Das meint Geopolitiker William Engdahl in einer soeben veröffentlichten Analyse. Erdogan und der saudische König würden aber den Kürzeren ziehen. Die USA und Israel stünden abseits und verfolgten ihre eigenen Interessen.
Engdahls Analyse erschien am vergangenen Dienstag im New Eastern Outlook. Sie findet sich hier. Es ist eine Mischung aus brillianten Einsichten und seltsamen Widersprüchen.
Die Schilderung der derzeitigen Hauptkontrahenten bietet wenig Neues.
Da ist einmal das Bündnis zwischen Syrern, Iranern und arabischen Schiiten (“Irakern”), an dessen Spitze der neue Hegemon des syrischen Luftraums, Russland steht.
Dem gegenüber gibt es einen Zusammenschluss, zu dem seit kurzem auch die 34 Mitglieder der sogenannten Islamischen Anti-Terror-Koalition gehören – Länder, die vorgeben, den Islamischen Staat bekämpfen zu wollen. (Der Autor lässt keinen Zweifel daran, dass er nicht einen Moment an diese Mission glaubt und dass das Bündnis das genaue Gegenteil – die Stärkung der Daesh – bezweckt.)
Diese Koalition sei ein politisches Instrument der Saudis und anderen Golfarabern, die die Türken als Rammbock und Lieferant von Kanonenfutter verwendeten – aber auch an der Kriegsbeute beteiligen wollten.
Neben dem Erdöl im Norden Iraks/Osten Syriens gehe es der Sunni-Allianz darum, bestehende Lieferwege der hydrocarbons nach Europa zu sichern (Öl) bzw. künftige zu bauen (Gaspipeline von Katar bis in die Türkei). Für beide Ziele wird der IS bzw. die Zerschlagung Syriens benötigt.
Die Amerikaner und die Europäer in deren Schlepptau seien daran interessiert, beide Seiten zu schwächen.
Israel scheine heute zwar auf der Seite der saudisch-türkischen Allianz zu stehen, verfolge aber in Syrien eine eigene Agenda, u.a. die endgültige Aneignung von am Golan entdeckten, angeblich riesigen Ölvorkommen.
Engdahl glaubt, dass dieser Konflikt bis 2016 dauern und eine sehr blutige Sache werden wird. Saudis & Co. würden die direkte Konfrontation verlieren und neben der malträtierten syrischen und irakischen Bevölkerung werde auch Europa zu den großen Verlierern gehören (wie führt er nicht aus).
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Mein Senf dazu:
Engdahl beschreibt den aktuellen Hauptkonflikt treffend, verabsäumt es aber, einen dritten noch verborgenen großen Kriegsteilnehmer zu thematisieren.
Dieser ist mit Israel so unscharf beschrieben, dass dies fast schon falsch ist.
Der dritte Kriegsteilnehmer ist in seinem Kern kein staatlicher Akteur. Es ist einer, der schon heute das Öl im irakischen Kurdistan kontrolliert und der den Ehrgeiz hat, diese ökonomische Macht auf die neuen Förder-Hoffnungsgebiete am Golan und im nordwestlichen Irak auszudehnen. Dafür kann er weder Teheran noch Riad oder Ankara brauchen.
Dazu bedarf es aber auch keines neuen Staats – sondern nur, dass regionale, (quasi)staatliche Mächte auch im Interesse der dritten Seite handeln.
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