Zumindest was die Abschaffung der Neutralität und die Einrichtung einer EU-Armee betrifft. Ihre Politikerkollegen sagen es aber nicht offen, weil sie keinen Schaden erleiden wollen. Denn dummerweise will eine deutliche Mehrheit die Neutralität nicht aufgeben und schon gar nicht wird die Teilnahme an einem Profiheer von EU und/oder NATO gewollt.
Geht man nach den Reaktionen der anderen Politikler hat sich die NEOS-Spitzenkandidatin bei ihrem Auftritt in der ORF-Pressestunde deswegen blamiert. Die böse Nachrede ist zwar insofern üblich, als gewohnheitsmäßig kein gutes Haar an einem TV-Auftritt der Konkurrenz gelassen wird. Der Tonfall der Reaktionen lässt aber darauf schließen, dass die neue rosarote Kollegin wirklich für eine (politisch) dumme Nuss gehalten wird.
Den Vogel schoss ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel ab, dem der Mlinar-Auftritt einen einzigen Satz wert war. “Diese Pressestunde hat mehr als deutlich gezeigt, dass Othmar Karas das bessere Angebot für die Sympathisanten der Neos-Partei ist.” Das ist zwar ein Blödsinn, weil auch für die NEOS-Sypathisanten praktisch jeder andere Kandidat besser als Karas ist – aber es ist symptomatisch.
Die fröhliche, blonde Sprechpuppe von Hans-Peter Haselsteiner wird einfach nicht ernst genommen. Wahrscheinlich spielen auch Arroganz, Neid und Angst mit – die NEOS liegen in den Meinungsumfragen Kopf an Kopf mit den Grünen bei gewaltigen 13, 14 Prozent.
Dabei hatte die Mlinar nur gesagt, was in der politischen Klasse – mit Ausnahme der FPÖ und des Team Stronach – Konsens ist: dass die österreichische Neutralität ganz weg und das Bundesheer durch eine EU-Armee ersetzt gehört.
Der einzige wirkliche Unterschied besteht darin, dass die einen das offen aussprechen und die anderen (noch) nicht. Die Mlinar hat es offen gesagt, und wird deshalb für ein spezielles Blödel gehalten. Zu ihrer Ehrenrettung muss man anführen, dass sie es gar nicht einmal besonders penetrant tat und das Thema auch nicht forcierte. Dass die Medien das durch die Bank zum Aufhänger machten, hat etwas mit der APA, der personellen Besetzung in den Redaktionen am Sonntag und mit der verbreiteten Liebedienerei gegenüber Rot, Schwarz und Grün zu tun.
Besonders g’schmackig war die Reaktion von SPÖ-Geschäftsführer Norbert Darabos, der zum Thema Bundesheer, EU-Armee und Wehrpflicht ja nun wirklich ein Liedchen zu singen weiß. “‘In Sachen Sicherheits- und Verteidigungspolitik fällt der NEOS-Apfel nicht weit vom ÖVP-Stamm’, sagte Darabos. Mit ihrem heutigen Plädoyer für eine EU-Armee und dem Infrage-Stellen der Neutralität ‘befindet sich NEOS-Spitzenkandidatin Mlinar auf einer Linie mit der ÖVP – und damit auf dem vollkommen falschen Weg’. Eine Aushöhlung der Neutralität komme für die SPÖ nicht in Frage, im Gegenteil: ‘Wir wollen eine Stärkung der Neutralität, die auch ein Vorbild für andere Länder sein kann.’”
Darabos mag bei diesem Großthema eine gewisse persönliche Glaubwürdigkeit haben, denn immerhin hat ihn sein Insistieren auf eine hundert Jahre alte sozialdemokratische Grundsatzposition das Amt des Verteidigungsministers gekostet. Und eine solche (wahrscheinlich eher zufällig entstandene) Prinzipientreue sollte man eigentlich anerkennen und nicht als Burgenländerwitz erzählen.
Aber: Er spricht für eine Partei, die für die Ersetzung der österreichischen Milizarmee durch ein Berufsheer eintritt – was nichts anderes als eine Vorbereitungshandlung für die Schaffung jener EU-Armee ist, die die Mlinar so gerne hätte. Oder besser: das wäre so, wenn die SPÖ nicht die Volksbefragung im vergangenen Jahr verloren hätte.
Prinzipiell hat Darabos aber nicht unrecht. Wie Kapitel 2 sowie dem (noch nicht online gestellten) Exkurs zur Neutralität entnommen werden kann, ist die ÖVP tatsächlich jene Partei, die die österreichische Neutralität lieber heute als morgen abgeschafft sähe – während die SPÖ üblicherweise auf der Bremse gestanden ist.
Aber: die Sozialdemokraten haben seit 20 Jahren maßgeblich an der Verwässerung der “alten” Neutralität von 1955 teilgenommen und seit ihrem wehrpolitischen Schwenk von 2012 haben sie überhaupt jedes moralische Recht verloren, die Klappe aufzureißen. (Ganz abgesehen davon, dass noch jeder ihrer Spitzenpolitiker, der aus dem Amt geschieden ist, auch öffentlich sein Coming-out Als EU-Militarist hatte.)
Die Heuchel-Künstler der ÖVP versuchen dagegen, ihre Position zu Neutralität, staatlicher Souveränität und EU-Armee nach Kräften zu verschleiern (“nicht aktuell”) – zumindest seit 2006, nachdem Schüssel das Handtuch geworfen hatte. Der kleine Schwarze war für die NATO und gegen die Neutralität, aber er hat (in dieser Hinsicht) wenigstens nicht geheuchelt.
Doch zurück zu Mlinar. Nichts, was sie gesagt hat, ist in irgendeiner Weise mit den Staatskorruptionsparteien unvereinbar – im Gegenteil. Ein Teil der ÖVP würde gerne den wirtschaftspolitischen Kurs der NEOS fahren, darf aber nicht, weil sie auf die SPÖ Rücksicht nehmen muss. Und die SPÖ würde gerne etlichen gesellschaftspolitischen Forderungen der NEOS nachkommen – darf aber auch auch nicht, weil sie mit der ÖVP koalieren muss.
Da ist es nur logisch, die NEOS als Dritten im Bunde willkommen zu heißen. Die waren ja schon im vergangenen Herbst ganz geil drauf. Vielleicht klappt’s ja beim nächsten Mal, wenn SPÖ und ÖVP unter die 50-Prozentmarke fallen. Dann wird ein Mehrheitsbeschaffer gebraucht (die Grünen stehen zweifellos auch zur Verfügung; wie wäre es mit einem flotten Vierer ?)
Das Problem mit dem Mehrheitsbeschaffen ist nur, dass es sich um einen undankbaren Job handelt, wie man an der deutschen NEOS-Schwesterpartei FDP sehen kann. Die bekam 2009 noch elf Prozent bei der EU-Wahl und 14 Prozent im deutschen Bundestag. Aber schon am 22. Oktober 2013 scheiterte sie an der Fünfprozenthürde und flog aus dem Parlament. In den Umfragen zur EU-Wahl 2014 grundelt sie bei drei Prozent herum. Aber das macht nix, weil auch die Dreiprozenthürde verfassungswidrig ist. Für den alten Grafen Lambsdorff wird’s schon noch reichen.
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