EU-Freunde für nationalstaatliche Souveränität – aber bitte nicht hier

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Heuchler Tartuffe – Kostümentwurf, 19. Jh.

Der Auftritt eines FPÖlers bei einer Veranstaltung in Moskau hat zu einem überraschenden Outing geführt: Spitzenpolitiker von SPÖ und ÖVP machen sich Sorgen um die nationalstaatliche Unabhängigkeit und die politische Selbstbestimmung der Staatsbürger… in der Ukraine. Die Unabhängigkeit Österreichs und der Österreicher scheint sie nicht zu interessieren, denn diese haben sie und ihre Parteifreunde nach 1995 scheibchenweise abgetragen. Mit der Folge, dass die nominell noch neutrale Republik heute in einen internationalen Konflikt hineinzgezogen wird.

Anlass war, dass FP-Vize Gudenus an einer Veranstaltung in Russland teilgenommen und dort eine Rede gehalten hat (er spricht russisch, weil er dort studiert hat). Dabei erklärte er, dass er die Ukraine-Politik der EU eigentlich für eine Politik von NATO und Amerika halte. “Ich schäme mich dafür. Das österreichische Volk, das Volk der Europäischen Union denken nicht so. Wir sind Freunde Russlands”, wurde Gudenus von einer russischen Nachrichtenagentur zitiert.

Es war ein konservativer Kongress, einer über Mehrkindfamilien, und Gudenus kritisierte auch die  Propaganda von Schwulenorganisationen, die, wie er glaubt, die Familie bedroht.

Der politischen Konkurrenz in Österreich war das alles megapeinlich: Gudenus Aussagen seien “zum Fremdschämen”, meinte sie.

SPÖ-Klubobmann Schieder warf Gudenus vor, dieser unterlaufe “gemeinsame Anstrengungen der EU für friedliche Lösung in Ukraine-Krise”. Derselbe Schieder, dessen Chef soeben dazu beigetragen hat, den Konflikt weiter anzuheizen – siehe z.B. hier. Um den Eindruck der Kriegstreiberei zu verschwischen, geht Faymann in den nächsten Tagen auf eine “Friedensmission”. Derlei lässt sich kaum anders denn als Kriegsschleicherei bezeichnen.

Schieder und der Generalsekretär seines Koalitionspartners machten sich hier und hier auch Sorgen um die staatliche Souveränität der Ukraine. Diese ist, sagen sie, von Russland bedroht.

Souveränität, was ist das ?

Wikipedia erklärt den Begriff so:

“Im Völkerrecht wird Souveränität als die grundsätzliche Unabhängigkeit eines Staates von anderen Staaten (Souveränität nach außen) und als dessen Selbstbestimmtheit in Fragen der eigenen staatlichen Gestaltung (Souveränität nach innen) verstanden.”

Nun, sowohl die äußere als auch die innere Souveränität der Ukraine sind derzeit wirklich gefährdet. Aber vor allem durch die USA und die Europäische Union (und Schieder und Blümel wissen das).

Akut gefährdet ist die Unabhängigkeit der Ukraine beispielsweise durch das umkämpfte Assoziationsabkommen mit der EU. Das wurde bereits unterzeichnet, ohne dass irgendjemand in Kiew oder Brüssel auf die Idee verfallen wäre, nach der Meinung der Ukrainer zu fragen. (Ein Referendum wäre übrigens auch eine Möglichkeit, um die erwähnte zweite Form der Souveränität – die Volkssouveränität – geltend zu machen.)

Durch den 900-Seiten-Vertrag sind sowohl der ukrainische Präsident als auch das Parlament in allen (vom Vertrag erfassten) Angelegenheiten dem “Assoziationsrat” untergeordnet, einem von Kommission, Ministerrat sowie ukrainischen Ministern besetzten Gremium. Die Entscheidungen dieses Ausschusses haben bindende Wirkung. Mehr dazu findet sich hier.

Bei dem (kurzfristig aufgeschobenen) Vertrag handelt es sich scheinbar “nur” um eine lose Verbindung, faktisch aber schon um den Beitritt. Die Methode der EU ist hier jedenfalls die gleiche, mit der sie seit 15 Jahren auch den anderen Völkern ihre Selbstständigkeit weggenommen hat. Der hier detailliert geschilderte Fall Österreich ist nur ein Beispiel von vielen.

Das überragende Funktionsprinzip der Union besteht nämlich leider darin, die Mitgliedsstaaten ihrer Souveränität zu berauben. Die Europäisten in Brüssel und in den Staaten entmachten damit zuerst das Wahlvolk in den Nationen – aber nicht deren Politikerklasse (also sich selbst) .

Das kann bzw. will heute niemand mehr ernsthaft bestreiten. (Auch hier gibt es Ausnahmen, Leute, die Sätze sagen wie: “Wir können Souveränität gewinnen, indem wir Souveränität abgeben, etc.” Das ist die Art politischer Werbung, die auch die totalitäre Regierung in Orwells Roman 1984 verwendet: “Unwissenheit ist Stärke, Freiheit ist Sklaverei, Krieg ist Frieden.”)

Auch hohe EU-Politiker geben es zu -  solange sie glauben, “unter sich” zu sein und nicht belauscht/zitiert zu werden. Zum Beispiel der deutsche Finanzminister 2011 auf einem Bankenkongress. Schäuble sagte dort (eigene Hervorhebungen):

“(Das Regelungsmonopol des Nationalstaats) war die alte Rechtsordnung, die dem Völkerrecht noch zugrundelegt worden ist mit dem Begriff der Souveränität, die in Europa längst ad absudum geführt worden ist, spätestens in den zwei Weltkriegen in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts.”

Das ist insofern verlogen als dieses angeblich widerlegte Völkerrechtsprinzip nach 1945 noch 50 Jahre lang funktioniert hat. Klaglos. Die Aussage belegt aber unzweideutig, dass Schäuble & Co. die bis 1992 bestehende “alte Rechtsordnung” beseitigen wollen.

Sie sind seit 15, 20 Jahren auch schon bei der Arbeit – meist in Trippelschrittchen, aber immer so heimlich wie das nur möglich ist. Der letzte große Coup war der Vertrag von Lissabon, über den die Wahlbürger in den europäischen Staaten nicht abstimmen durften (mit einer Ausnahme ).

Dieser oktroyierte Vertrag, wurde/wird verwendet, um den Putsch der Regierungen bzw. der gesamten politischen Klasse(n) zu Ende zu führen. Das können die Regierungen eigenmächtig machen, erklärt Schäuble danach den Bankern – und zwar über juristische Tricks (er musste den Plan seither etwas abändern):

“Ich bin ziemlich überzeugt, dass wir in einer Zeit von weniger als 24 Monaten in der Lage sein werden, das europäische Regelwerk zu ändern. Wir brauchen nur das Protokoll Nummero 14 – wer es nachlesen will, im Lissabon-Vertrag – so aufzubauen, dass wir daraus die Grundzüge für eine Fiskalunion der Eurozone schaffen.”

Von den österreichischen Politikern existiert meines Wissens kein so eindeutiges Zitat, ihre Handlungen sprechen aber eine deutliche Sprache. SPÖ und ÖVP haben während der vergangenen eineinhalb Jahrzehnte die äußere und innere Souveränität der Republik fast zur Gänze abgetragen ohne auch nur ein einziges Mal nachzufragen.

Die gleichen Leute, deren Väter schon mit der Aushöhlung unserer Souveränität begonnen haben, tun heute so, als wäre ihnen die Unabhängigkeit der Ukraine ein Anliegen und als seien sie besorgt, dass diese von Russland bedroht ist. Selbst Tartuffe, die von Moliere geschaffene Symbolfigur des ewigen Heuchlers, könnte von diesen Typen noch lernen.

P.S.: Wenn Russland (derzeit) wirklich etwas bedroht, dann ist es die “territoriale Integrität” der Ukraine. Weil es die Rebellen im Osten unterstützt. Die “Neurussen”, die am Anfang nur eine “Föderalisierung” – also mehr Rechte für die Provinzen – gefordert haben, wollen sich jetzt ganz abspalten und stellen die territoriale Integrität des Landes infrage. So wie die Schotten und die Katalanen. Die Neurussen machen aber noch stärkere Gründe als Letztere geltend. Sie sagen, dass sie nach nach dem, was ihnen in den “Antiterror-Operationen” angetan wurde, nicht mehr mit Kiew zusammenleben können/wollen.

Russland würde sich dann gegen die Souveränität der Ukraine vergehen, wenn es eine Invasion durchführte. Oder auch, wenn es einen Staatsstreich gegen eine legitime Regierung in Kiew vorbereiten und unterstützen würde – so wie die USA und die EU das getan haben.

Foto: Wikimedia Commons, Public Domain

 

Unabhängiger Journalist

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