Nichts ist, wie es scheint. Nachdem die Kanadier die Unterzeichung für ein an sich wenig relevantes Handelsabkommen mit den EU-Ländern abgesagt haben, will in Europa niemand den Schwarzen Peter dafür zugeschoben bekommen. Die Kommission präferiert nur offiziell den Deal, real wäre ihr lieber, vom EuGh ihre Zuständigkeit für Verträge des Typus CETA zurück zu bekommen.
Das Verwirrspiel ist am Donnerstag endgültig undurchschaubar geworden. Die öffentlichen Beteuerungen der Akteure scheinen in eklatantem Widerspruch zu jenem Kurs zu stehen, den sie wirklich verfolgen.
Zum Beispiel Brüssel.
Die Kommission muss von dem Vertrag, den sie sieben Jahre verhandelt hat, überzeugt sein und kann gar nicht anders als für seine Annahme zu werben.
Wie alles hat aber auch das zwei Seiten.
Politicos in den Mitgliedsstaaten, die den Zentralisierungskurs Brüssels üblicherweise unterstützen, haben im Frühsommer nämlich darauf bestanden, die Abmachung in den nationalen Parlamenten ratifizieren zu lassen. Sie taten das, um den sogenannten Rechtspopulisten bei sich daheim den Wind aus den Segeln zu nehmen.
CETA zum gemischten Vertrag zu erklären, war aber ein eklatanter Verstoß gegen Geist und wohl auch Buchstaben des Vertrags von Lissabon, der die Handelspolitik fast völlig in die Hände der Kommission gegeben und die nationalen Parlamente dabei marginalisiert hat.
Die Kommission braucht für einfache Handelsverträge seit 2009 nur mehr eine qualifizierte Mehrheit im Rat und eine einfache Mehrheit im Europaparlament.
Dieser roll back passt der Kommission überhaupt nicht, weswegen sie beim EuGH dagegen zu Feld ziehen will.
Der Europäische Gerichtshof ist jenes Gericht, das, wie u.a. der deutsche Altbundespräsident Roman Herzog ausgeführt hat, notorisch die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten aushöhlt.
Um mithilfe dieses Gerichts Lissabon wieder herstellen zu können, benötigt die Kommission aber ein Scheitern von CETA (bzw. es würde dadurch erleichtert).
Ferner benötigt man einen passenden Sündenbock, der für die Kalamität verantwortlich gemacht werden kann.
Diese Rolle scheint dem wallonischen Regionalparlament bzw. dem Königreich Belgien zugedacht gewesen zu sein. Die Belgier sind darauf aber nicht erpicht .
Hier ein Ausschnitt aus einem Libération- Interview mit dem wallonischen Ministerpräsidenten Magnette, der erkennen lässt, dass die Wallonie keinesfalls schuld sein möchte.
Magnette behauptet, dass auch die Kanadier ja gar nicht auf die privaten Schiedsgerichte für die Investoren scharf seien, dass jedoch Teile der Union diese haben wollten, worauf dieser Publizist aufmerksam macht:
Le Canada est extrêmement vigilant sur cet aspect (…) Il est donc d’accord avec nous. En réalité, c’est un débat purement interne à l’Union.“
Dazu passt auch, dass nur Stunden nach der Absage der Unterzeichnungsfeier durch die Kanadier die belgische Regierung bekannt gab, dass die Unstimmigkeiten mit dem wallonischen Regionalparlament ausgeräumt seien und das belgische Parlament CETA zustimmen könne.
Seither ist das Chaos perfekt. Niemand scheint mehr sagen zu können, wie es jetzt weiter geht.
Die Clowns sind in Serie über ihre eigenen Füße Schuhe gestolpert und liegen kreuz und quer in den Manege herum: Keiner weiß mehr, wer welches Spiel spielt.
Sicher ist nur, dass niemand für ein Scheitern & das Chaos verantwortlich sein möchte, niemand in Wallonien, Belgien oder der EU. Aber vielleicht waren’s ja die Kanadier.
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