Jüngere Berichte, die orf.at von angeblich objektiven Agenturen übernommen hat, zeigen, was man mit Statistik alles machen kann – ohne diese gleich “plump zu fälschen”. Man muss halt nur “nur” ein paar (richtige) Dinge hinzufügen, während andere (ebenfalls richtige) ignoriert werden - und fertig ist die für die politische Nutzanwendung geframte “Meldung”. Ein langer Blick auf sg. Faktoide sowie eine “Kritik und Selbstkritik” durch diesen Blogger.
Die oben verlinkte Meldung, die hier “auf Herz und Nieren untersucht” werden soll, verfolgt u.a. den Zweck, mittels neuer statistischer Veröffentlichungen (hier Eurostat) zu demonstrieren, dass
- die EU-Staaten “Putins Kriegsmaschinerie” weiter mitfinanzieren und nahezulegen,
- dass die (noch) mit russischem LNG gemachten Umsätze in großem Umfang in die russischen Kriegsanstrengungen in der Ukraine fließen,
- dass aber “Rettung nahe”, weil Brüssel und die restlichen 7 Zwerge ab demnächst russische Gaslieferungen in die EU überhaupt “verbieten” würden.
Nun entstehen diese Bilder in den Köpfen der berichtenden Journalisten bzw. in denen der deren Elaborate konsumierenden Leser/Seher und werden nicht zwingend explizit ausgesprochen
(z.B. weil es sich um Schlussfolgerungen handelt, die sich eine hiesige Statistkbehörde nicht zu eigen machen will, oder weil diese Schlussfolgerungen so hanebüchen sind, dass diese schnell durchschaut werden können).
Letzteres scheint diesem Blogger gerade in Bezug auf LNG, hier russisches, der Fall zu sein.
Wie jede(r) weiß, der nur ein wenig mit Investitionsrechnungen vertraut ist, sind die daraus resultierenden Umsätze nicht einfach als “freier Cash Flow” zu sehen,
sondern müssen zunächst dafür verwendet werden, die Kredite bzw. Kapitalkosten für die fixen (Neu-)Investitionen abzuzahlen sowie ev. existierende erhöhte “operative Kosten” zu bestreiten.
- Das gilt natürlich auch für das in die Union gelieferte russische Flüssiggas, lt. Eurostat etwa 5,5 Mrd. Euro in der ersten Jahreshälfte 2025. Diese Milliarden sind Umsätze und KEIN Gewinnanteil, der in irgendeiner Form an die Russische Föderation abgeführt werden und in Moskau in Militärausgaben gesteckt werden könnte. Nowatek (um nur einen Namen zu nennen) muss aus diesen Erlösen LNG-Förderanlagen im (Hohen) Norden, Terminals, eisbrechende LNG- Tanker, “normale LNG-Tanker” und einen (zweimaligen?) “Gestaltwechsel” des verkauften Erdgases (mit)finanzieren und könnte selbst bei einer “riskanten Unternehmens-Finanzpolitik” nur einen kleineren Teil dieses seines LNG-Umsatzes dem russischen Militär “zur Verfügung stellen”.
- Wie weit die Ruskis mit diesen Geldern in der Ukraine kommen würden, entzieht sich dem Wissen dieses Bloggers – sehr weit jedenfalls nicht.
Etwas anderes sind IMO die “alten Investitionen” in die Pipeline-Infrastruktur für Lieferungen für “die EU”, die betriebswirtschaftlich zwar schon weitgehend abgeschrieben sein müssten, deren nach wie vor bestehender Nutzwert durch diverse Vorgänge aber stark beeinträchtigt sein müsste. Auch diesbezüglich kann man “von außen” nicht mit handfesten Zahlen aufwarten.
- Es ist auch nicht so, dass die russischen LNG-Lieferungen in EU-Staaten speziell überteuert wären – sie scheinen freilich etwas kostspieliger zu sein als jene aus den USA. Eine Kalkulation auf Basis von 40,5 direkt aus den USA gelieferten Milliarden Kubikmetern und den von Eurostat behaupteten 13,7 Mrd. Euro Erlösen kommt für die USA-Lieferanten auf etwa 34 Euro-Cent für den (regasifizierten) Kubikmeter, russische Anbieter dürften auf etwa 39 Euro-Cent für den m3 kommen (4,5 Mrd. Euro für 11,4 Mrd. Kubikmeter).
- Es ist jedenfalls klar, dass der (regasifizierte) Kubikmeter via LNG um ein Vielfaches teurer ist als der Kubikmeter Erdgas, der über Pipeline kommt (gekommen ist), unabhängig von der Herkunft des Gases. Dieser Blogger stellt diese – eigentlich triviale – Einsicht aus Günden des Übersichtlich-Bleibens jetzt einfach so in den Raum. Verlässliches Zahlenwerk dazu ist nicht einfach zu bekommen, ein Seitenblick auf die USA (EIA-Statistik) zeigt freilich, dass US-Exporteure 2023 für LNG-Gas fast das Dreifache dessen erlöst haben, was sie für Pipeline-Exporte bekamen, siehe z.B. hier.
Vergleicht man die jüngsten Steigerungen der russischen Flüssiggas-Lieferungen schließlich mit jenen der USA, die zusammen mit Norwegen ja der neue “top dog” in der Union sind -,
glaubt man vollends, “im falschen Film gelandet zu sein”.
Während die Russen in der ersten Jahreshälfte 2025 11,4 Mrd. m3 LNG bzw. 200 Mio. m3 oder 1,8 Prozent mehr in die EU geliefert haben als im Vergleichszeitraum 2024, scheinen US-Versorger um 11,6 Mrd. m3 oder gut 40 Prozent mehr geliefert zu haben (von 28,5 auf 40,5 Mrd. m3 jeweils in den ersten beiden Quartalen).
Und schließlich muss dieser Blogger eine kleine selbstkritische Anmerkung loswerden. Im Staatsstreich-Eintrag “In Doha begint’s”, findet sich eine irreführende “selbst gebastelte” Tortengrafik, die meine leider personentypische Ungenauigkeit zeigt.
Der damals allein für die USA ausgewiesene LNG-Marktanteil von 58,2 Prozent scheint jener für die USA und Trinidad & Tobago zu sein (“America”).
Wie aus einem anderen von Bruegel erfassten Datensatz hervorgeht, dürften die US-Lieferungen im ersten Halbjahr 2025 lediglich 40,5 Mrd. m3 bzw. 54,3 Prozent ausgemacht haben. “Über dem Falz” findet sich eine korrigierte Version des hier am 27. Juli gebrachten Charts.
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